Was, wenn die Verschwörungs-Theoretiker recht haben?

Von Milosz Matuschek.

Glauben Sie nur den offiziellen Nachrichten in den Qualitätsmedien! Hinterfragen Sie die Maßnahmen nicht! Bleiben Sie zu Hause und ziehen Sie vor dem Sex am besten noch einen Ganzkörpermüllbeutel drüber, zu Ihrer Sicherheit! Es gibt weltweit nun seit etwa einem Jahr eine neue Bürgertugend: Den bedingungslosen Pandemiegehorsam gegenüber Entscheidungsträgern, Bürokraten und Ordnungskräften. Wer befiehlt, hat recht und der Rest sind, genau: böse Verschwörungstheoretiker! Danke, oh Corona, du hast die Welt endlich übersichtlich gemacht, deine Krone leuchte der Menschheit ab nun den Weg!

Es ist nur leider der Weg ins Mittelalter, denn alles an Fortschritt, wofür der Mensch der Moderne noch einen Reststolz hegt, verdankte er bisher genau dem Gegenteil: Ungehorsam, Skepsis, ständigem Hinterfragen des Offiziellen, Sakrosankten und Tabuisierten. Adam und Eva, Prometheus und Luther legten sich mit dem Allerhöchsten und seinen irdischen Stellvertretern an; den heutigen Pandemieuntergebenen werden dagegen schon in Anbetracht von medial hochgejazzten Weißkitteln im Fernsehen die Knie weich.

Welche Verschwörungstheorie ist eigentlich nach einem Jahr noch nicht wahr geworden? Das Virus stammt womöglich nun doch aus dem Labor, es sollte angeblich nie einen zweiten Lockdown geben, schon gar keinen ewigen, auch keine Impfapartheid, keine Umwandlung von Grundrechten in Privilegien, dafür unendliche und unbürokratische Hilfszahlungen und die perfekten Impfstoffe, die so gut erforscht sind, dass sich selbst Politiker nicht vordrängeln wollen.

Erst keine Maske, dann viele unmedizinische, irgendwann dann mehrere auf einmal oder FFP2, ach nein, doch nicht. Den Corona-Biedermann, der streng nach dem Katechismus der AHA-Regeln lebt, zerreißt es jedenfalls seit geraumer Zeit innerlich. Zwei Kräfte ringen um die Vorherrschaft: Ich will doch gehorchen, allein mir fehlt der Glaube! Wie gefährlich ist eigentlich vor diesem Hintergrund die „Verschwörung der Guten“, die sich zum Ziel gemacht hat, den Rest der Welt mit ihrer Intelligenz, Planungskompetenz und dem 100-prozentigen Schutz vor allen grippalen Infekten zu beehren?

Was, wenn der Gesslerhut von heute die Maske ist?

Die Krux mit der Verschwörungstheorie ist ja, dass niemand ex ante so klug sein kann, wie er es ex post dann gerne wäre. Auf dem unsicheren Terrain der Hypothese blüht vieles und die Blume der Wahrheit ist nicht selten zwischen dem Unkraut der Lüge und unter dem Dünger des Bullshits versteckt. Der Begriff der Verschwörungstheorie indes ist eine gefährliche Mutante, Medien und Politik die „Superspreader“. Eigentlich bezeichnet der Begriff Verschwörung eine für einen Dritten oder den Staat nachteilige bis umstürzlerische Verabredung. Daraus wurde unlängst „alles, was der Regierungsmeinung widerspricht“ und schließlich, so der Eindruck, „das, was derzeit noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist“. Der tragikomische Patron dieser desaströsen Kommunikationsstrategie ist offensichtlich der Ober-DDR-Apparatschik Walter Ulbricht mit seinem unvergessenen Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“

Ach ja: Der korrekte Teil des Journalismus kultiviert seit je seine eigenen Verschwörungstheorien, also unbelegte Behauptungen, die risikofrei gestreut werden können. Wir erinnern uns: Russland hat Trump zum Präsidenten gemacht, Joe Biden (hat er schon ein Double?) ist topfit im Kopf, und alte, weiße Männer sind die größte Gefahr für den Planeten, vor allem, wenn sie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor besitzen. Recht haben dagegen im Zweifel immer die anderen hundert Geschlechter oder der neueste Hohepriester einer Identitäts-Umcodierungs-Truppe. Journalisten von heute gehören übrigens der Sekte des „naiven Realismus“ an. Sie haben die Gabe, auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen, was ihrer Karriere schaden könnte. Die Geschichte mag gepflastert sein mit Verschwörungen und üblen Macht-Tricks – römische Kaiser konnten froh sein, wenn sie einen natürlichen Tod fanden. Im „Reich des Guten“ von heute hingegen ist Skepsis gleich Verrat.

Was wäre also, wenn die Schweizer sich in Sachen Corona wie der Rest der Welt haben einseifen lassen? Was, wenn der Gesslerhut von heute die Maske ist? Viel Hellsicht bräuchte es dafür nicht. Das Pandemieregime ist eine politische Ausartung, die Lockdown-Maßnahmen sehr wahrscheinlich eine chinesische Unterwerfungsstrategie, und die statistische Grundlage für all das ist eine Hexenküche, aus deren Topf je nach Gebrauch alles gezaubert werden kann, was sich brauchen lässt: mal der R-Wert, mal die Intensivbettenzahl, mal irgendein Modell, mal eine Zero-Covid-Strategie. Oder weiß man inzwischen, mit welchen Ct-Werten die vielen Corona-Labore arbeiten? Mit diesem Wert wird angegeben, wie oft man eine Gensequenz vervielfältigen muss, um überhaupt etwas zu erkennen, was nach einem Virusteilchen aussieht. Ist es Zufall oder eine Verschwörungstheorie, dass die größten Maßnahmen-Befürworter in der Regel Leute sind, die von dem leben, was diejenigen, welche die Maßnahmen dann betreffen, erst erwirtschaften?

Am Ende wissen wir wenig, aber doch so viel: Die Menschheit hat bisher alle Pandemien überlebt, sonst gäbe es uns nicht. Und selbst wenn die Kritiker alles Vollidioten wären, müsste man konstatieren: auch Idiotie hat die Menschheit bisher nicht umgebracht, ganz im Gegenteil, die Menschheit entwickelte sich unbeirrt weiter. Offenbar hat Idiotie einen evolutionären Sinn. Die Titanic galt übrigens offiziell als unsinkbar. Wer dies infrage stellte, war zwar ein Verschwörungstheoretiker, aber mit jedem Grad, mit dem sich das Heck steiler in die Höhe neigte, wirkte er etwas schlauer. Im Rettungsboot saß er als erster. Wer bis ans Ende an die offizielle Wahrheit glaubte, nahm ein Bad im Eismeer. Liebe „Verschwörungstheoretiker“ und sonstige „Covidioten“: Bitte lasst uns mit den Klugen und Allwissenden nicht allein.

Diese Kolumne ist zuerst im Nebelspalter erschienen, der ältesten Satirezeitschrift der Welt aus der Schweiz. 

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Werner Arning / 08.04.2021

Wenn jemand 1936 behauptet haben würde, dass Hitler eines Tages die Welt würde kriegerisch erobern wollen, würde man diesen einen Verschwörungstheoretiker genannt haben. Wenn jemand 1933 behauptet haben würde, dass Hitler eines Tages die Juden ins Gas schicken werden wolle, würde man diesen einen Verschwörungstheoretiker geheißen haben. Wenn jemand 1936 behauptet haben würde, dass Hitler und Stalin demnächst einen geheimen Pakt schließen werden, würde man ihn einen Verschwörungstheoretiker genannt haben. Wenn jemand 1960 behauptet hätte, dass es bald schon eine Mauer zwischen Ost-und Westdeutschland geben würde, würde man diesen als Verschwörungstheoretiker bezeichnet haben. So geht es eben Verschwörungstheoretikern.

T. Schneegaß / 08.04.2021

@Karla Kuhn: Auch wenn ich Ihnen den Abend vers…., ich muss leider auf Ihren Irrtum hinweisen: Die Grünen kommen bei der Umfrage auf 12 % !! Aber die Verteilung der Stimmen innerhalb der Nationalen Front ist eh egal und der AfD würden auch knapp 50 % nicht reichen, den Sozialismus in seinem Lauf aufzuhalten.

Dirk Jungnickel / 08.04.2021

Im Zuge der Inszenierung der Durch - Verblödung bzw. der angestrebten Herdeninfantilität noch eine Anmerkung, die vielleicht hierher gehört. Es geht um den vagabundierenden PIN - und TAN - und Push - sowie sonstigen Wahn in diesem Zusammenhang. Da die Erfinder davon ausgehen, dass die Geheimhaltung nur in verschlungenen Gehirnwindungen gewährleistet ist, werden damit Gehirnareale belästigt, die eigentlich noch für werweißwas gut sind. Aber ich bin sicher: Es geht um die Verminderung des Denkvermögens generell. Das z.B. ist - theoretisch- einer meiner Zugangscodes bei einer weit verbreiten Bank: “Irrerquatscht&2.13. ” (Zuletzt ein fiktives Geburtsdatum wegen der nötigen Zahlen.) Damit ist einem aber noch lange nicht gedient. Da fehlen mindestes zwei andere. Wenn ich mir vorstelle, dass da irgendwelche IT - Fritzen am PC sitzen und sich Derartiges ausdenken, könnte ich zum Mörder werden. Jaaaa, ich weiß jaaa, die Sicherheit ......

Kopp, Harald / 08.04.2021

Ich bin für ökologische Maskenhaltung aus abbaubarer Jute und einem neuen Scheidungsgrund, wenn kritische Partner sich nicht impfen lassen oder sich nicht ausdrücklich zu “Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz” und zum Kampf gegen rechtgedrehte Viren bekennen

Dr. Ralph Buitoni / 08.04.2021

@B.Ollo - Sie haben das Gleichnis von der Titanic schon mal gar nicht verstanden. Denn der Eisberg, der gerammt wurde, heißt nicht “Corona”, sondern Wirtschafts-, Kultur-, Verfassungs- und Gesellschaftszerstörung. Dieser Eisberg wurde gerammt, weil sich ein paar Ausgucks auf der Titanic untereinander verständigt haben, dass die Eisscholle, die man in der Kiellinie entdeckte, die ganz große Katastrophe für das Schiff bedeuten müsse. Daraufhin gaben die Ausgucks Anweisung, das Schiff ausweichen zu lassen, indem sie nach Backbord volle Fahrt auf einen deutlich am Horizont sichtbaren Megaeisberg nehmen ließen. Die Maate und der 3. Offizier, die gegen dieses Manöver scharfen Protest einlegten und eindringlich vor dem Megaeisberg warnten, wurden von den Ausgucks als Verschwörungstheoretiker und Steuerbordausleger beschimpft, einem Urteil, dem sich Kapitän und 1. Offizier gerne anschlossen, weil sie den 3. Offizier und die Maate wie die ganze Mannschaft schon lange verachteten. Übrigens hat die 50 Jahre später eingesetzte Untersuchungskommission herausgefunden, dass die für die Entscheidung verantwortlichen Ausgucks ganz unterschiedliche Interessen hatten, die Eisscholle in Kiellinie zur existentiellen Gefahr zu erklären und den Eisberg anzusteuern: einige von ihnen waren notorisch dauerbetrunken und wollten durch ihren Aktionismus beweisen, dass sie sehr wohl auf Wache waren und was von ihrem Geschäft verstanden; andere hatten schon immer einmal davon geträumt, das Schiff steuern und Befehle geben zu dürfen, obwohl sie vor Jahren ihre ursprüngliche Aspiration zum Offizierspatent wegen Unfähigkeit und versemmelter Prüfungsverfahren aufgeben mussten; und wieder andere wollten gerne einen Unfall riskieren, weil sie gegen die Wertaktien des Schiffes spekuliert hatten. Von einem wurde sogar bekannt, dass er aufgrund einer tiefen psychopathologischen Störung seit Jahren möglichst vielen Menschen den Tod wünschte und seine Chance gekommen sah.

Ilona Grimm / 08.04.2021

@Werner Arning: Alles, was auf Ihr „Was, wenn…“ folgt, ist bereits Realität oder zumindest auf dem Wege der Verwirklichung. Und trotzdem hat es die große Masse des Volkes genauso real noch nicht mitgekriegt. Das ist, was ich am allerwenigsten begreifen kann.

Ingo Aler / 08.04.2021

Es geht nicht nur um die CT Werte sondern auch darum auf wie viele Genfragmente getestet wird.AM Anfang wars in Deutschland nur 1(Das E-GEN)dann 2 oder 3,vor paar Wochen las ich das dann aber plötzlich wieder Tests mit nur1 Gen(das bei vielen Coronaviren vorkommt)verwendet wurden.

Sheldon Cooper / 08.04.2021

@Eckhart Diestel Viren haben aber keinen Stoffwechsel. Sie können sich nur durch die befallenen Zellen vermehren.

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