Susanne Baumstark / 03.01.2019 / 06:25 / Foto: Sandro Botticelli / 32 / Seite ausdrucken

Was uns dieses Bild über Medien und Politik erzählt

Zum neuen Jahr ist mir ein Gemälde begegnet: „Die Verleumdung des Apelles“ von Sandro Botticelli (1445 - 1510). Es „basiert auf einem verlorenen Gemälde des altgriechischen Malers Apelles“, erfährt man in dieser Interpretation, und enthält wesentliche Aspekte, die hier und heute gesellschaftspolitisch aufs Tapet gehören.

In der Mitte des Bildes schleift die personifizierte Verleumdung den betenden Apelles an den Haaren vor den Thron des Königs. Sein Konkurrent, der Maler Antiphilos, hatte zuvor Apelles der Beteiligung an einer Verschwörung gegen den König beschuldigt. Die Verleumdung hält eine Fackel in der Hand – die Darstellung der Angelegenheit in einem falschen Licht respektive die Verbreitung von Lügen geschieht also in Lichtgeschwindigkeit.

„Ihr Haar wird von der personifizierten Schurkerei mit weißen Bändern arrangiert, während das Böse ihren Kopf mit Rosen schmückt. Beide Symbole der Reinheit und Unschuld werden durch diese Darstellung untergraben“, neudeutsch: instrumentalisiert. Während rechts im Bild zwei schöne Gestalten – die Dummheit und die Anmaßung – Verleumdungen in die Eselsohren von König Midas flüstern (heutzutage kann das natürlich auch eine Frau sein), streckt dieser seinen Arm zu einem Mann in einem schwarzen, heruntergekommenen Kapuzenmantel (einem Vertreter des Schwarzen Blocks nicht unähnlich) aus. Der Kapuzenmann stellt den Hass dar. Er verstellt dem König durch seine Körpergröße den Blick auf die brutale und verlogene Szenerie in der Bildmitte. 

Ganz links steht die personifizierte „nackte Wahrheit“. „Sie ist voller Empörung und zeigt gen Himmel, als Zeichen dafür, dass das letzte Gericht von Gott kommt. Ihre schöne Figur wird einer alten Frau in schwarzem Gewand gegenübergestellt, die für Bestrafung steht und die Wahrheit mit Verachtung betrachtet.“ In einer anderen Interpretation heißt es dazu: „Während die nackte Wahrheit, des Malers schönste Aktfigur, beschwörend die rechte Hand hebt und sich vom Geschehen abwendet, blickt die als alte Frau dargestellte Reue zu ihr zurück. Barfuß wollte sie gerade nach rechts schreiten.“ 

Die Gestalten rund um den Königsthron demaskieren

Bei Bilderreisen ist die Sache noch ein Stück weit anders konnotiert: „Die Geschichte endet mit der Rehabilitierung Apelles und der Bestrafung Antiphilos. Botticelli stellt, wie vermutlich auch Apelles selbst, den Moment vor der Rehabilitierung dar: Der verleumdete Maler Apelles wird vor den rechts stehenden Thron von König Ptolemäus I. geschleppt, links steht die als alte Frau dargestellte Reue und die Wahrheit in Gestalt der nackten Venus. Sie sind als Gegengewicht zu den Personifikationen von Unwissenheit und Misstrauen zu verstehen, die den König flankieren.“

Eine einprägende Art, sich gegen Falschdarstellung zu wehren. Dringlichste Aufgabe im neuen Jahr wird für alternative Medien im Netz weiterhin sein, die unsympathischen Gestalten rund um den Königsthron zu demaskieren und bestenfalls vom Hof zu jagen. Es ist derzeit noch ein weithin undankbarer Auftrag. Das Gros der Bürger verbringt nämlich seine Zeit „nicht hier und heute und in der errechenbaren Zukunft“, sondern in belanglosen Jenseitswelten, wie es Aldous Huxley in seinem „Wiedersehen mit der Schönen neuen Welt“ formulierte. Die Leute sind daher dankbar um die massenmediale Vorspiegelung einer konstruierten Welt samt ihrer eselsohrigen Financiers, die sie nicht dazu veranlasst, aus dem gemütlichen Ohrensessel in der guten Stube aufzustehen.

Aktuell werden alternative Medien diese in jeder Hinsicht wohlsaturierte Masse nicht erreichen können. Es ist trotzdem angezeigt, weitere Wege zu suchen, um das unvermeidlich erscheinende Drama historischen Ausmaßes zu verhindern. Die logische und erfahrungstechnische Vorausberechnung spricht gegen diese verbleibende Möglichkeit. Weil Logik und Erfahrung aber längst nicht alles ist, was die Welt zu bieten hat, kann sich doch noch Unvorhergesehenes ereignen; irgendwann, irgendwas. Solange niemand das Gegenteil beweist, muss das als Ansporn vorerst genügen. An dieser Stelle soll ein Physiker das letzte Wort haben: „Wunder geschehen plötzlich. Sie lassen sich nicht herbeiwünschen, sondern kommen ungerufen, meist in den unwahrscheinlichsten Augenblicken und widerfahren denen, die am wenigsten damit gerechnet haben.“ (Georg Christoph Lichtenberg) 

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Frank Dieckmann / 03.01.2019

Das ist also die Zukunft. Entweder es geschieht ein Wunder, oder es endet in einer Katastrophe historischen Ausmaßes. An das Wunder einer Heilung der Massen glaube ich nicht. Erst wenn Deutschland zum failed State geworden ist, das Privatvermögen sich in Luft aufgelöst hat, Renten und Harz 4 nur in form von Suppen aus der Gulaschkanone ausgezahlt werden, dann und wirklich erst dann wacht der deutsche Michel auf und schaut deppert aus der Wäsche. Nur dieses Mal wird es keinen Marshallplan geben, sondern wir werden uns wie Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen müssen.

Helge-Rainer Decke / 03.01.2019

Der Interpretation des Gemäldes „Die Verleumdung des Apelles“ Botticellis durch die Autorin, die abstruser nicht sein kann, stelle ich die Rekonstruktion des Berliner Schlosses gegenüber. Die Kompetenz und die Wertschätzung klassischer Architektur ist zu respektieren. Gleichwohl hätte ich mir eine reflektiertere Herangehensweise erwartet. Denn die Details dieses großartigen barocken Kunstwerks kann man sich nicht nach den Moden der aktuellen politischen Korrektheit zurechtschnitzen. Der durchaus verständliche Verzicht auf das Kreuz - ein Symbol einer Buchreligion, die lange genug Allmachtsfantasien hegte - würde keineswegs das hochbedeutende Wiederaufbauwerk der barocken Teile beeinträchtigen, da es Teil der Kuppel des 19. Jahrhunderts ist. Und diese Kuppel mit ihrem sehr mechanischen polygonalen Tambur ist zwar eine recht markante aber dennoch eher gewöhnliche historistische Gebrauchsarchitektur. Das barocke Schloss zeigte kein hohes Dach oder sonstigen Aufbau sondern schloss wie eine Italienischer Palast mit der Balustrade oberhalb des mächtigen Gesimses ab. Das Kreuz hätte bei einer Rekonstruktion der Kapelle Berechtigung, da es Teil einer Gesamtwiederherstellung dieses Bereiches wäre und auf die Funktion des Raumes hinweisen würde. Deshalb steht als Kompromiss einzig und allein ein, sich in alle Himmelsrichtungen drehender, geölter Wetterhahn, -(geölt, damit er beim Drehen nicht quietscht)-, auf dem Kreuz errichtet, von singulärer Kraft und Weitsicht zur Disposition. Arno Breker, bedeutender Bildhauer des Tausendjährigen Reichs, soll Skizzen für den Hahn hinterlassen haben:-)

Martina Janßen-Schönfelder / 03.01.2019

Danke für diesen schönen Beitrag. Leider kann er meinen zunehmenden Unmut über die Instrumentalisierung von Greueltaten durch die Hofschranzenpresse nicht mildern. Weiter so und bloss nicht nachgeben im Kampf gegen Ignoranz und Dummheit.

toni Keller / 03.01.2019

Im Irrsinn unserer Tage entdecken wir wohl das, was lange verachtet wurde, die Weisheit und Schönheit der eigenen Kultur. Allerdings könnte man die Bildfolge der verhüllten Reue versus der nackten Wahrheit auch anders deuten,. Nämlich angesichts der drohenden Verhüllung des Weiblichen in der Öffentlichkeit, als notwendige Folge der Verachtung der reinen, nackten Wahrheit. Frau Baumstark beschreibt sehr gut das Phänomen dass die Leute sich in die virtuellen Welten flüchten, sich dort festhalten lassen und sich berieseln und beruhigen lassen. Das ist eigentlich ursprünglich die, zu Recht kritisierte, Rolle der “Amtskirche” in ihrer staatskirchlichen Form gewesen. Hier haben wir uns emanzipiert um uns nun einer Indoktrination zu unterwerfen, die noch nicht mal von wahrhaft göttlicher Gerechtigkeit am Ende kündet. Ich danke der Achse und hoffe dass es uns allen gelingt die Wahrheit ertragen zu können.

Gerhard Mader / 03.01.2019

Es ist ein ein großartiges Bild mit einer Aussage, die größer ist, als sie eine herkömmliche Interpretation liefern kann. Daß Venus als “nackte Wahrheit” mit der Hand nach oben weist, besagt, daß im real existierenden Gott alle Wahrheit liegt. Auch die Frage von Schuld oder Unschuld. Doch ich will das erst einmal so stehen lassen. Danke Frau Baumstark und Dank an die ACHSE, daß Sie dieses bedeutsame Bild gebracht haben.

Michael Hinz / 03.01.2019

Es war immer so: die meisten Menschen leben in der Doxa (innerhalb derer ist übrigens kein Irrtum möglich); darüber strahlt die Orthodoxie, von unten wird sie zaghaft von der Heterodoxie angeknabbert. Alter Wein in neuen Schläuchen, Frau Baumstark.

gabriele bondzio / 03.01.2019

Der Kapuzenmann stellt den Hass dar. Er verstellt dem König durch seine Körpergröße den Blick auf die brutale und verlogene Szenerie in der Bildmitte. “... reine Instrumentalisierung (Religion) und Zerstörungswillen aus niederen Gründen (Familie/Volk), vor allem die Moralmonopolisten im grün-roten Lager können ohne Zweifel zum Bedienen des verlogenen Szenariums beitragen. Wenn die Lizenz zum verbalen Totschlag erst einmal freigegeben ist, kann man sie nicht so leicht wieder einkassieren. Alternativlose Medien beteiligen sich an Hetzjagden. Auch wenn es keine gab. Bestimmte Teile Europas, die einst Kunst, Geist und Demokratie waren, sehe ich verloren. Unserer Zeit ist von Synonymen für Schlendrian, Schulden machen,  Faulheit und Trickserei bestimmt.  Die jahrelangen Versprechen sozialer Absicherung bei Krankheit und im Alter zerbröseln zwischen den Händen vieler Bürger. Hass - und Wut sind eng miteinander verbunden. Verachtung als Methode der Selbstwertsteigerung, kursiert in allen Bereichen, wird aber regelrecht ins Land geschleppt. Das enthemmte Potential zeigt seine wahre Natur in Amberg. Dem grün-roten System sei auf die Fahne geschrieben:“ Einem Alkoholiker hilft man ja auch nicht, indem man Verständnis für seine Sucht zeigt.“ Aber das wird sie wenig in ihrer eignen Sucht bremsen.

Sabine Schönfelder / 03.01.2019

Wie zumeist, ist die Interpretation eines Bildes dem Anliegen des Betrachters unterworfen. Mir gefällt Ihre erste Interpretation, denn die Strafe betrachtet die Wahrheit argwöhnisch und symbolisiert damit die Abhängigkeit der Gerichte von den herrschenden Machtstrukturen. Strafe als Instrument zur Herstellung von Gerechtigkeit. Aber was ist gerecht? Der, der den Ton angibt, definiert den Begriff der Gerechtigkeit. Ein Bild, dessen Inhalt alle Zeiten der Menschheit überdauert. Metapher gemalt für die Ewigkeit, für das immerwährende Fehlen der Menschen; ein Sinnbild der geistigen Enge menschlichen Denkens. Klasse Beitrag!

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