Rainer Bonhorst / 19.01.2025 / 10:00 / Foto: freepik.com / 94 / Seite ausdrucken

Was tun als Biodeutscher?

Die Ernennung des Wortes „biodeutsch“ zum Unwort des Jahres hat mich persönlich tief getroffen. Wenn nämlich biodeutsch ein Unwort ist, dann ist logischerweise ein Biodeutscher eine Unperson.

Seitdem fühle ich mich als Unperson schwerstens diskriminiert.

Warum? Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich so einen DNA-Test gemacht. Ins Röhrchen gespuckt, eingeschickt und auf das genetische Ergebnis gewartet. Meine Hoffnung war, eine solide nicht biodeutsche Beimischung bestätigt zu bekommen. Ein bisschen was Buntes. Im Sinne eines zeitgemäßen Multikulturalismus. Aber was kam als genetisches Ergebnis zurück? 83 Prozent deutschsprachiger Raum und schwache 17 Prozent baltische Beimischung!

Ein schwerer Schlag. Da halfen auch die 17 baltischen Prozente nicht. Schließlich haben sich da oben so viele Deutsche herumgetrieben, dass man das Baltische kaum als exotische Beimischung betrachten kann. Man muss sich nur Gert Fröbe, den Filmbalten anschauen! Wie bitte? Der ist gar kein Balte, obwohl er so aussieht? Ein Oberpfälzer? Also eine Art Bayer? Und damit auch eine Art Biodeutscher? Da haben wir's. Ein Schicksalskollege also.

Nein, es führt kein Weg daran vorbei. Ich bin ein Biodeutscher. Adjektivisch, also unwortmäßig ausgedrückt: Ich bin biodeutsch. Also ein Unding wie die Peanuts von Hilmar Kopper, vielleicht sogar ein Fall für Karsten Vilmars sozialverträgliches Frühableben

Wie beneide ich die vielen Amerikaner, die zwar oft deutsche Vorfahren haben, aber meist auch andere Beigaben. Etwas Südeuropäisches. Eine Prise Osteuropa. Ein gerüttelt Maß Afrika, nord- oder gar subsaharisch. Oder, noch schöner: Uramerikanisches. Algonkin oder Cherokee, was inzwischen als hoch geschätzte Rarität gilt.

Ein Fall für die Biotonne

Aber meine urdeutschen Vorfahren sind nicht ausgewandert. Ohne Rücksicht darauf, dass ich nun als Verkörperung eines Unwortes durch meine Stadt irre. Und vogelfrei ein Schattendasein führe, mit gesenktem Kopf abgetaucht unter Millionen anderen genetischen Unpersonen, niedergedrückt vom Unwort des Jahres. Und eingeklemmt zwischen den anderen Unwörtern der letzten Jahre, zwischen Klimahysterie, alternativen Fakten, Gutmensch und Sozialtourismus.

Soll ich mich dagegen wehren, als biodeutsche Unperson gebrandmarkt zu werden? Wie stehen meine Chancen? Schauen wir doch mal beim Erfinder der Unperson nach. George Orwell gibt den Unpersonen des Romanjahres 1984 kaum eine Überlebenschance. Sie werden vaporisiert und jede Erinnerung an sie wird ausgelöscht. Also selbst posthum bleibt ihre prämortale Existenz vernichtet.

Oder bin ich zu empfindlich. Sollte ich als betroffener Biodeutscher weniger betroffen sein? Schließlich ist es vom Unwort, um das es ja eigentlich geht, zur Unperson ein weiter Weg. Vom Abstrakten zum Konkreten. Von der Sprache zur Person. Von biodeutsch zum Biodeutschen.

Meine einzige Hoffnung: Das Wort „Unwort“ könnte sich bei näherem Hinsehen selbst als ein Unwort entpuppen. Als ein Stück Orwell. Oder, weniger dramatisch, einfach als Unsinn. Ein Fall für die Biotonne. Oder ist die – wegen „Bio“ – auch schon eine Kandidatin für das Unwort, oder genauer: für den Unsinn des Jahres? 

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: freepik.com

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Leserpost

netiquette:

Thomas Schmied / 19.01.2025

Wo ich arbeite, gibt es kaum mehr Deutsche. Die meisten Kollegen und Kolleginnen mit “Migrationshintergrund” sind Türken. Die sind meist nett, sprechen gut die deutsche Sprache, sehen sich selbst aber als Türken, obwohl viele auch den deutschen Pass haben. Die Bezeichnung “biodeutsch” habe ich bisher nur von Türken gehört.

Bernd Fielitz / 19.01.2025

Einfache Antwort: Auswandern!

A. Ostrovsky / 19.01.2025

@Hans-Joachim Gille : >>Gemäß Schröcke sind quasi Polacken & Weißrussen germanischer als wir….. das schlimme an Schröcke ist, er liest sich zwar nicht spannend, (halt Mineraloge,) aber so furchtbar plausibel.<< ## Ich bin bei meinen sprachanalytischen Sessions mit der KI entgegengesetzt belehrt worden. In der Sprache der Kiewer Rus sind über das Warägische Elemente der nordischen=nordgermanischen Sprache hinein gekommen, die aber im Kirchenrussisch vollständig fehlen, was seinerseits viel mit dem Griechischen gemeinsam hat. Insgesamt ist der Einfluss des Keltischen im Russischen/Altrussischen und Kirchenrussisch vernachlässigbar. Einen Einfluss durch die keltischen Galater kann man ebenfalls nicht nachweisen. Die KI geht definitiv davon aus, dass es Slawen gab und gibt. Die sprachliche Nähe der Polen, Ukrainer, Russen und Weißrussen ist wirklich groß, so dass man getrost davon ausgehen kann, dass die Slawen allesamt etwas Einfluss aus dem Nordgermanischen aber keinen aus dem Keltischen haben. Ich persönlich habe den Verdacht, dass die Präposition “k” (auf etwas zu) keltisch ist und sich von dem “w”, das eindeutig slawisch ist, unterscheidet. Aber wenn überhaupt, wäre das ein geringer Einfluss. Ich habe aber herausgefunden, dass die Allemannen am Bodensee ursprünglisch Kelten (Vindeliker) sind, die von den Römern besiegt und romanisiert wurden und dann gab es eine massive Migration der Semnonen, die angeblich der edelste Stamm der Sueben gewesen sind, obwohl es keine Hinweise gibt, dass sie das Haar im Suebenknoten getragen hätten. Die Semnonen siedelten ursprünglich in Mitteldeutschland zwischen Elbe und Saale, also Ossis. Und jetzt der Hammer. Es ist nicht beweisbar, ob die Semnonen Germanen, Kelten oder Slawen waren, oder ob der Stammesverband überhaupt eine einheitliche Sprache hatte und ob die Semnonen die einzigen waren, die dann als Allemannen (ein Name für einen zusammengewürfelten Haufen: Alle Mannen) am Bodensee auftraten. Hmm. Was sagt der Schwabe dazu?

L. Luhmann / 19.01.2025

Lutz Liebezeit / 19.01.2025 - “Wie wäre es, sich einfach mal auf das Völkerrecht zu berufen?” - Ich kann Ihnen sagen, was das Völkerrecht wert ist: Einen Scheißdreck ist das Völkerrecht wert! Hinter der Idee des Völkerrechts stehen die Leute, die auch die Macht haben, Milliarden Menschen zu vergiften oder in Kriege zu zwingen!

Heiko Engel / 19.01.2025

Kartellparteien Totalitarismus respektive Faschismus im Auftrag von metaphysisch - obdachlosen Psychopathen und niveaulosen Dummköpfen, die angetreten sind gegen elementare Gesetzmäßigkeiten des Lebens zu verstoßen und dieses damit reduzieren. Absichtlich ! Den Rest überlasse ich Ihrem Wissen und Phantasie.

Barbara Strauch / 19.01.2025

Wenn Sie als Biodeutscher so unglücklich sind, einfach nach Grönland gehen und sich mit einer Inuit-Dame zusammentun, dann kriegen Sie vielleicht demnächst auch noch die Identität als eingeborener Amerikaner (Mohikaner? Hurone?) dazu. Nur zu! In diesen Zeiten kann man gar nicht genug Identitäten sammeln, wenn man einigermaßen durchkommen will.

Dieter Ehrlich / 19.01.2025

Ist “Bio”-Deutsch gleichbedeutend wie “Haltungsform 4”???

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