Henryk M. Broder / 15.06.2025 / 13:00 / Foto: Achgut.com / 14 / Seite ausdrucken

Was Sie schon immer über den Antizionismus wissen wollten ...

An diesem Wochenende findet in Wien der erste jüdisch-antizionistische Kongress statt. Das Ereignis wird seit Wochen in den sozialen Medien konspirativ beworben. Der Veranstaltungsort wird geheim gehalten, die Liste der Teilnehmer ebenso.

Man könnte meinen, es handle sich  um eine Tagung von Vegetariern, die von einem Schinkenfabrikanten gefördert wird. Dabei ist jüdischer Antizionismus – ein Synonym für koscheren Antisemitismus – mitnichten ein neues Phönomen, schon gar nicht in Wien. Der bekannteste Vertreter diese Gattung war der Philosoph und Schriftsteller ("Geschlecht und Charakter") Otto Weininger, der im Alter von 23 Jahren Selbstmord beging. 

Auch Karl Kraus hatte in seiner Jugend eine antizionistische Phase, die er mit einer bitterbösen Satire auf die zionistische Bewegung krönte: Eine Krone für Zion. Später zog er die Schrift zurück und untersagte eine Wiederveröffentlichung.

Möglich, dass die Teilnehmer des ersten Wiener jüdisch-antizioniistischen Kongresses versuchen werden, in die Fußstapfen von Kraus und Weininger zu treten. Wahrscheinlicher scheint jedoch, dass ihr Guru und Vorbild ein selbsternannter "Rabbiner" namens Moishe Arye Friedman sein könnte, der vor über 25 Jahren eine "Antizionitische Orthodoxe Jüdische Gemeinde" in Wien gründete, mit ihm, seiner Frau Lea und den gemeinsamen acht Kindern als Stammgästen. 

Worum es bei dem ersten jüdisch-antizionistische Kongress an diesem Wochenende geht – oder bereits gegangen ist – hat die in Israel geborene und in Berlin lebende Psychotherapeutin Iris Hefets der "jungen Welt" in einem Interview erklärt: Die jüdische Welt und Geschichte sind reich und vielfältig, und der Zionismus ist nicht mehr als ein winziger Teil davon. Das Ziel dieser Konferenz ist es, antizionistischen Juden, die in westlichen Ländern unsichtbar gemacht werden, eine Stimme zu geben. Es geht darum, eine Dekolonisierung vom Zionismus durchzuführen und wieder zu Juden zu werden.

Das klingt nach einem noblen Anliegen, wenn da nicht zwischen den Zeilen eine Botschaft stecken würde, die Dieter Bohlen mit einem Satz auf den Punkt gebracht hat: "Das Problem ist: Mach einem Bekloppten klar, dass er bekloppt ist!"

 

Henryk M. Broder ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 15.06.2025

Der Zionismus ist ja keine Ursache, sondern bereits die Antwort darauf, die damalige Vertreibung der Juden aus ihrem Heimatterritorium wieder endgültig rückgängig zu machen. Also in etwa so, wie eine Räumungsklage vor Gericht abzuwehren oder einen Diebstahl rückgängig zu machen und dem Eigentümer sein ursprüngliches Eigentum zurückzugeben. Wie kann man als selbst davon Betroffener bitte dagegen sein? Verstehe ich nicht. Dass es im Nahen Osten andauernd rumpelt, ist ja nicht die Schuld Israels oder der Juden. Ich sage jetzt einfach mal wie es ist: Gäbe es die Massen von radikalen Islamisten dort nicht, es wäre im Nahen Osten absolut ruhig. In New York hat die jüdische Gemeinde üblicherweise nicht etwa deswegen ihre Ruhe, weil sie sich selbst verleugnen würde, sondern weil der Anteil an radikalen Moslems in den USA verschwindend gering ist. Das ist alles. Sieht man ja gerade an Europa: Je höher der stetig steigende Anteil an radikalen Moslems, desto höher die Sicherheitsmaßnahmen. Und zwar nicht nur für jüdische Einrichtungen, sondern auch für christliche. Man denke an die Weihnachtsmärkte. Der Islam hat, wenn man ihn wörtlich auslegt, ein Problem mit allen anderen Religionen. Was daran liegt, dass der Islam eigentlich keine Religion im üblichen Sinne ist, sondern gleich eine ganze Staatsform mit eigener Rechtsprechung, von der allgemein verlangt wird, dass man sich daran hält. Der Islam denkt also global und zeitgleich staatlich. Was in einer Welt voller verschiedener Staaten natürlich unweigerlich zu Konflikten führt. Was Israel als jüdische Insel in der islamischen Welt abbekommt, hat da seinen Hauptgrund. Und der zweite Grund ist die damalige Ansteckung der Moslems mit dem Judenhass aus dem Dritten Reich über Hitler an al Husseini persönlich. Aber dafür kann der Zionismus und Israel nichts. Im Endeffekt ist es beides in Gesamtwirkung, was dem gesamten Westen zu schaffen macht, Nicht nur Israel. Das ist vor der Massenmigration bloß noch nie aufgefallen.

Bertram Scharpf / 15.06.2025

Es gibt so viele antideutsch-rassistische Deutsche, daß ich antisemitische Juden nur als Teilphänomen am Rand wahrnehme.

Marc Greiner / 15.06.2025

Da haben die Juden sich umsonst jahrhunderte lang mit dem Gruss verabschiedet “nächstes Jahr in Jerusalem”. Die Frau Hefets ist lieber in Berlin wo man selten Kippa-Träger sieht. Weiss sie, dass man auch als Nicht-Jude Zionist sein kann? Ich bins, aber die grösste Gruppe lebt in den USA unter den Evangelikalen. Einer von ihnen ist gerade US-Botschafter in Israel geworden: Mike Huckabee. Danke Hr. Broder für diesen Bericht. Hätte es sonst nicht mitbekommen. Es muss ja auch Bekloppte geben, aber es werden immer mehr.

Ilona Grimm / 15.06.2025

Finanziert Teheran die Versammlung? Ohne Zionismus gäbe es keinen Staat Israel. Ziel dieses Kongresses ist wohl: „From the river to sea, Palestine will be free“.

Boris Kotchoubey / 15.06.2025

“Möglich, dass die Teilnehmer des ersten Wiener jüdisch-antizioniistischen Kongresses versuchen werden, in die Fußstapfen von Kraus und Weininger zu treten” - sind sie alle unter 23?

Gerhard Schmidt / 15.06.2025

Hitler schätzte den hier erwähnten Weininger sehr, und zitierte ihn sogar in seinen Reden, s. “Hitlers Wien” (1995) von Brigitte Hamann, S. 325 ff.

dr. gerhard giesemann / 15.06.2025

Hier muss es rein: In Wien scheint es besonders viel Schwachsinn zu geben, ein offenbar guter Nährboden. Geh heern’s. Muss mal wieder hin, ist besser als Ballin.

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