Um das Klima zu schützen, fordern Autoren einer neuen Studie die Einschränkung von Werbung, um die Bevölkerung zum Kauf klimafreundlicher Produkte zu erziehen. Es ist ein Dokument deutschen Durchgeknalltseins.
Es gibt Fragen, die die Antworten bereits in sich tragen. Wenn unsere Lateinlehrerin früher nach dem Lesen eines lateinischen Satzes fragte: „Was ist das für eine Konstruktion?“, lautete die richtige Antwort fast immer: „Ein ACI!“ Selbst wer nicht gewusst hätte, was ein ACI ist, hätte sie geben können. Wenn im Deutschland des Jahres 2024 die Frage gestellt wird, ob der Staat dieses oder jenes reglementieren müsse, dann sagt, wer auf der Seite der Sieger stehen will, immer: Ja, selbstverständlich! – Längst wird nicht mehr gefragt: „Was müssen wir verbieten?“, sondern: „Was können wir noch verbieten?“ Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht; es gibt für die Regierung und ihre Sykophanten immer etwas zu tun.
Das zeigt eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall mit dem Titel: „Reklame für Klimakiller. Wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt“. Welchem Bürger brennt nicht die Frage auf den Nägeln, wann die Regierung endlich Werbung für Pampers verbietet? Oder für Reisen mit dem Flugzeug? Oder für Deos, so sie nicht im „kompostierbaren Nachfüllpack“ gehandelt werden? Flüssige Shampoos gehören ohnehin geächtet, da es ja, wie jeder weiß, mit „festem Shampoo in Pappverpackungen klimafreundlichere Alternativen“ gibt. Damenbinden bzw. Slipeinlagen? Auch sie tragen zu einer „zunehmenden Frequenz von Extremwetterereignissen und anderen Katastrophen“ bei, da sie den „menschengemachten Klimawandel“ mitverursachen. An den kritischen Tagen sollten Frauen darum lieber die einschlägigen „Alternativen“ nutzen: „Stoffbinden bzw. Stoffslipeinlagen aus Bio-Baumwolle oder Menstruationstassen sparen sehr viel Müll, der durch die Wegwerfprodukte anfällt.“
Freundlicherweise geben die Autoren der Otto-Brenner-Stiftung gleich eine Online-Bezugsquelle an. Dass wir, heißt es in der Studie weiter, „unsere bisherigen Lebens-, Konsum- und Produktionsweisen radikal ändern“ müssten, sei doch „längst bekannt, weitgehend Konsens und inzwischen eine Art von unstrittigem Gemeinplatz“. Ähnlich anderen unstrittigen Gemeinplätzen wie: „Gut Ding will Weile haben“ oder: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Ein „Szenario zum Erreichen eines 1,5-Grad-kompatiblen Lebensstils“ sei, dass „jeder Mensch bis 2030 auf ein Jahresbudget von 2,5 Tonnen CO2-Äquivalenten heruntergeht, bis 2040 weiter auf 1,4 Tonnen reduziert und 2050 bei 0,7 Tonnen ankommt.“ Wem das zu abstrakt ist: Verächtlich sind laut der Studie: „Rindfleisch-Burger, Käse, Kaffee, Schokolade und Tiefkühlpizza“. Löblich sind: „Mineralwasser, Bier, Sekt, Milch, Joghurt oder Kekse“. So sieht vollwertige Ernährung aus. Wenn man die Kekse lutscht, braucht man nicht einmal mehr Zähne.
Gemütliches Postwachstum
Wie kann man uns davon abzuhalten, mit unserer Gier nach Kaffee und Käse und dem hemmungslosen Verbrauch von Windeln das Klima zu ruinieren? Die Autoren haben da eine Idee: Wir sollen gar nicht erst wissen, dass es Dinge wie Autos, Slipeinlagen, Pampers, Rindfleisch, Kaffee, Schokolade oder ein Land wie Costa Rica überhaupt gibt. Wenn nicht dafür geworben wird, meinen sie, haben wir kein Verlangen danach. Wer würde Schokolade essen oder Auto fahren, wenn die Werbung ihn nicht darauf konditioniert hätte wie Pawlow seinen Hund? Wer hätte ohne Fernsehwerbung geglaubt, dass Costa Rica existiert oder würde gar dort Urlaub machen wollen? Niemand, genau. Nicht nur Costa Rica, auch die „Türkei-Reise“ wird in der Studie als klimaschädlich angeprangert. Die Botschafter beider Länder waren für eine Stellungnahme für Achgut bislang nicht zu erreichen.
Besonders hoch ist der Anteil klimaschädlicher Güter übrigens bei den Werbeclips für Süßigkeiten (86 Prozent), Autos (78 Prozent) und Hygieneprodukte (72 Prozent), schreiben die Autoren. „Eindeutig zu viel“, finden sie. „Wenn weiterhin klimaschädliche Produkte hergestellt werden“, dann würden diese „auch beworben – und was beworben wird, wird oft vermehrt gekauft“. „Ist es also angebracht, Werbung für klimaschädliche Produkte sehr viel stärker zu regulieren als bisher um die notwendige sozial-ökologische Transformation zu unterstützen?“
Klar, Digga! Werbung, so die Studie, führe zudem zu etwas völlig Unerwünschtem: zu Wirtschaftswachstum. Das hat die Bundesregierung in Deutschland bekanntlich erfolgreich eingedämmt, aber das geht noch nicht weit genug: „Soll eine solche Nachhaltigkeitstransformation gelingen, muss auch die Produktion und der Konsum klimaschädlicher Güter drastisch verringert werden. Werbung für solche Produkte steht zu diesem Ziel offensichtlich im Widerspruch; in der Debatte um einen Übergang zur Postwachstumsgesellschaft gilt Werbung als ‚Wachstumstreiber‘.“ Und wir wollen schließlich kein Bruttoinlandsprodukt auf Steroiden, sondern gemütliches Postwachstum wie in der DDR.
Wer kommt auf solche Ideen?
Dies sind die Autoren:
- „Uwe Krüger ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Er lehrt im dortigen Masterstudiengang Journalismus.“ – Er beherrscht also die Kunst des schlechten Schreibens und bringt sie anderen bei.
- „Katharina Forstmair ist Datenjournalistin beim SWR.“ – Sie wird also von Ihren Gebühren bezahlt.
- „Alexandra Hilpert arbeitet als Journalistin bei der taz.“ Das erklärt sich selbst.
- „Laurie Stührenberg ist freiberufliche Journalistin und Regisseurin. Sie studierte Germanistik, Sozialwissenschaften und Journalismus in Berlin, Helsinki, Leipzig und Madrid. Anschließend absolvierte sie ein Volontariat beim WDR. Sie arbeitet und forscht hauptsächlich zu gesellschaftlichen Themen, sozialer Ungleichheit und Menschenrechten.“ Gerne würde man wissen, was bei dieser Arbeit und Forschung herausgekommen ist.
Die vier machen darauf aufmerksam, dass es ja glücklicherweise schon eine Verbotskultur gibt, an die man anknüpfen könne. Werbung für Tabakwaren etwa sei bereits verboten, „Reklame für Alkohol stark eingeschränkt“ und „das Thema Junkfood“ werde „nun immerhin von der Politik angegangen“. Was fehle, sei „eine breite öffentliche Debatte darüber, ob Werbung für Urlaubsflüge, Kreuzfahrten, Autos und Steaks vom Discounter dem Sinn und Geist dieser Regelung entspricht oder im Interesse der Allgemeinheit beschränkt werden müsste“. Warum noch mal drängt sich diese Frage geradezu auf? „Diese Frage drängt sich in Anbetracht der laufenden Auseinandersetzungen um Erderwärmung, Klimaschutz und eine Nachhaltigkeitstransformation von Wirtschaft und Gesellschaft geradezu auf.“ Ach so, ja.
„Der Ausstoß von Treibhausgasen durch menschliche Wirtschaftsaktivitäten sorgt erwiesenermaßen für einen Anstieg der globalen Oberflächentemperatur, für einen Anstieg von Extremwettereignissen, das Abschmelzen von Gletschern, den Anstieg des Meeresspiegels und die Verschiebung von Klimazonen.“ Die Bundesregierung ist also gehalten, die Gletscher kälter zu machen und den Meeresspiegel zu senken. Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht Scholz? Denn: „Eine Umfrage der IG Metall unter ihren Betriebsrät*innen“ habe „sehr deutlich“ gemacht, dass „die Entscheider*innen in der Wirtschaft“ „wenig Weitblick“ hätten: „In mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen hatte das Management keine tragfähige Zukunftsstrategie für die längst laufende Energie- und Mobilitätswende vorzuweisen.“
Natürliche Grenzen?
Ganz anders als die Bundesregierung, die ja für ihre tragfähige Zukunftsstrategie bekannt ist. „Das Festhalten an bestehenden, meist klimaschädlichen Produktionsweisen und Produkten wird sich absehbar zu gravierenden wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Problemen auswachsen – spätestens dann, wenn alte Jobs entfallen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten nicht aktiv vorbereitet wurden.“ Wenn Sie noch einen der „alten Jobs“ haben, seien sie darauf gefasst, dass die Regierung ihn bald „entfallen“ lassen wird. Das ist aber nicht tragisch. Es ist ja nicht so, als müssten wir Waren anbieten, nach denen eine Nachfrage besteht; pure „Beschäftigungsmöglichkeiten“ reichen aus. Etwa Pyramiden bauen. Hauptsache, wir tun so, als würden wir etwas tun – so machen es die Autoren der Otto-Brenner-Stiftung ja auch.
Sie preisen „Forscher*innengruppen“ wie den „Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU), der eine „Große Transformation“ zur Nachhaltigkeit fordere. Notwendig sei nicht weniger als eine zentrale Weltregierung; wir brauchen „einen neuen Weltgesellschaftsvertrag für eine klimaverträgliche und nachhaltige Weltwirtschaftsordnung“ und „die Schaffung eines nachhaltigen Ordnungsrahmens, der dafür sorgt, dass Wohlstand, Demokratie und Sicherheit mit Blick auf die natürlichen Grenzen des Erdsystems gestaltet“ werden. Im Klartext: Wohlstand, Demokratie und Sicherheit sollen dort enden, wo die Verfasser der Studie die „natürlichen Grenzen des Erdsystems“ ziehen.
„Entwicklungspfade“ müssten „verschoben“ werden. Die Autoren preisen eine Petition an den Deutschen Bundestag, in der es heißt, „Bürger*innen“ dürften nicht mehr länger „durch Werbung zu umweltunfreundlichen Konsumentscheidungen angeregt werden“. Bestimmte Konsumentscheidungen, mittlerweile haben wir das kapiert, sind also unmoralisch und falsch. Das Verbot der Werbung ist gewiss nur ein erster Schritt. Wer Werbung verbietet, der wird früher oder später den Konsum der Güter selbst verbieten. Artikel 2, Grundgesetz – „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ – ist eben mit dem Klimaschutz nicht vereinbar.
Produktionsverbot für „Nonsens-Waren“
Was wir brauchen, ist eine Weltrevolution im Namen des Klimas. Neben Werbebeschränkungen und -verboten müssten „systemüberwindende Perspektiven“ debattiert werden, heißt es weiter. Die Autoren wünschen sich „eine Reduktion der Warenmenge“ und die „Etablierung von Suffizienz und Subsistenz“ – auf Deutsch: Mangel und Armut – „als Ziel von Wirtschaftsaktivität“. Sie fordern „Produktionsverbote“ für „Nonsens-Waren“. Was Nonsens-Waren sind? Nach dem Lesen der Studie fällt mir mindestens ein Beispiel ein. Mehr Planwirtschaft wagen: „Angesichts von Erderwärmung und galoppierendem Artensterben“ müsse gefragt werden, ob man wirklich „kurzfristigen Produktions- und Konsumfreiheiten“ den „Vorrang“ geben vor den „Menschenrechten“ und der „intertemporalen Freiheitssicherung“. Damit ist der Schutz des ungezeugten Lebens gemeint, die „Grundrechte nachfolgender Generationen“.
O-Ton: „Die Freiheit zu CO2-Budgetüberschreitender Automobilität, Kreuzfahrt oder Flugreise kollidiert offenbar zunehmend mit der Bleibefreiheit unserer Kinder, Enkelkinder und Urenkel*innen – also deren Möglichkeit, in der habitablen Zone der Erde, in der die menschliche Zivilisation entstand, unter erträglichen klimatischen Bedingungen zu verweilen. Dieser intergenerationale Interessenkonflikt muss klar benannt, demokratisch ausgehandelt und politisch entschieden werden. Die Regulierung von Werbung für klimaschädliche Güter ist in diesem Prozess ein kleiner, aber angesichts der Vorgaben des Medienstaatsvertrags folgerichtiger Schritt.“
Auch an der Sprache muss etwas getan werden. Verbote sollen nicht so genannt werden. Das Wort „Verbot“ taucht in der Studie 59-mal auf. Und doch klagen die Autoren: „Immer wieder werden politische Gestaltungsvorschläge als Verbote und Einschränkungen von Handlungsfreiheit gerahmt, um so den Status Quo rechtfertigen und verteidigen zu können.“ Was jetzt? „Das Werbeverbot muss also umfassend ausfallen.“ Ach, ja. Die Zeit drängt: „Die jüngste Forschung zum Thema Klimagerechtigkeit und verbleibendes CO2-Budget fällt für Deutschland äußerst kritisch aus: Wenn man das Paris-Ziel von maximal 1,5 Grad setzt und mit den Emissionen seit 1960 rechnet, haben die Deutschen bereits Anfang der 1980er-Jahre ihren fairen Anteil am CO2-Budget verbraucht – also vor 40 Jahren.“
„Straf-Abgaben“ für Werbung
Statt Werbung gänzlich zu verbieten, überlegen die Autoren, sie einstweilen erst einmal unerschwinglich teuer zu machen: „Werbung für klimaschädliche Güter wird mit Straf-Abgaben verteuert, während Werbung für besonders umweltfreundliche Güter oder klimaschonende Praktiken verbilligt oder sogar in einem bestimmten Umfang kostenfrei gemacht wird. Die Klimasünder unter den Werbenden würden so die Werbung für ökologische Güter mitfinanzieren, die Medienhäuser trügen keinen finanziellen Schaden durch die Regulierung davon.“ Genial. Das sei „Nutzen, den man durch aktives Handeln für das Klima stiftet.“ Auf diese Weise „könnten nicht nur müllvermeidende Stoffwindeln, vegane Ersatzprodukte, öffentlicher Verkehr oder CO2-neutrale Urlaubsmöglichkeiten, sondern auch Klima-Initiativen und Umwelt-NGOs in den Genuss von Werbe-Vergünstigungen kommen.“ Vielleicht können wir als Gesellschaft uns dann sogar noch mehr falsche Bindestriche leisten.
Die Studie der Otto-Brenner-Stiftung bietet eine Ahnung, wie das Fernsehen der Zukunft aussehen wird: Nur noch Werbung für Ersatzprodukte, Menstruationstassen, Stoffwindeln und die Deutsche Umwelthilfe. Wir lümmeln auf der veganen Couch, trinken Mineralwasser, Bier, Sekt und Milch, essen Joghurt mit Keksen und planen unsere, Zitat: „CO2-neutrale Urlaubsmöglichkeit“. Ein Vorschlag: Am besten ganz schnell sterben gehen. Denn menschliches Leben ist klimaschädlich. Jedes Kind schadet dem Klima mehr als 24 Autos, haben schwedische Forscher herausgefunden. CO2-neutral ist darum nur die Kreuzfahrt auf dem Acheron, und auch dies erst nach abgeschlossener Kremierung.
Man fragt sich, warum die IG Metall jedes Jahr Lohnsteigerungen fordert, wo sie doch will, dass alle weniger haben. Wo bleibt die anvisierte „Etablierung von Suffizienz und Subsistenz“ samt „Reduktion der Warenmenge“? Lohnsenkungen würden weniger Konsum nach sich ziehen und somit weniger CO2-Ausstoß. Warum nicht durch Beispiel führen? Damit halten es die Autoren nicht so. Zwar wollen sie Werbung für Kaffee am liebsten verbieten, weil sie den Türkentrank für klimaschädlich halten – aber was liest man auf der WDR-Website im Steckbrief der Studienautorin Laurie Stührenberg? „Was mich antreibt: Kaffee, Kaffee.“ Die alte Doppelmoral: Wasser predigen, Kaffee trinken.
Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno“. „Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).