Ramin Peymani, Gastautor / 24.07.2018 / 12:00 / Foto: T Chu / 10 / Seite ausdrucken

Was Parteien und Abgeordnete des Bundestags kosten 

Im Bundestag regnet es Geld. Schon wieder greift die Berufspolitik dem Steuerzahler tief in die Tasche. Nachdem die Große Koalition mit ihrer Stimmenmehrheit gerade erst dafür gesorgt hatte, den Parteien zusätzliche Millionenbeträge in die Kassen zu spülen, haben sich die Bundestagsfraktionen kurz vor der parlamentarischen Sommerpause, nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, auch ihre eigenen Gelder kräftig erhöht. Der auf 709 Abgeordnete aufgeblähte Bundestag ist uns Wählern nunmehr satte 112 Millionen Euro im Jahr wert, weil die Abgeordneten beschlossen haben, dass ein dreiprozentiger Aufschlag auf ihre Fraktionsgelder bei einer Inflationsrate von rund 2 Prozent gerade recht ist.

Dazu kommen weitere drei Millionen Euro für die Große Koalition zur Finanzierung des “Nachrüstungsbedarfs bei der Digitalisierung und IT-Sicherheit”. Insgesamt erhöhen sich die Zahlungen an die Bundestagsfraktionen damit auf einen Schlag um mehr als 30 Prozent. Rechnet man die auf 190 Millionen Euro angewachsenen Zuweisungen aus der staatlichen Parteienfinanzierung hinzu, die nur zu einem geringen Teil an Parteien und Wählergruppen außerhalb des höchsten deutschen Parlaments fließen, bekommen die sieben im Bundestag vertretenen Parteien und die sechs dazugehörigen Fraktionen 2018 rund 300 Millionen Euro für ihre politische Arbeit. Doch das ist nicht alles. Zusammen mit den Diäten und Kostenpauschalen für die Abgeordneten und den staatlichen Geldern für die Parteistiftungen fließen den Bundestagsparteien und ihren Abgeordneten 2018 erstmals mehr als eine Milliarde Euro zu.

Nervenaufreibende Debatten, wie sie bei den Erhöhungen der Abgeordnetendiäten früher regelmäßig stattfanden, gibt es heute kaum mehr, weil schnell und diskret gehandelt wird. Apropos Diäten: Hier sorgt seit vielen Jahren eine Steigerungsdynamik dafür, dass Jahr für Jahr mehr Geld in die Taschen der Parlamentarier wandert. Kein lästiges Aushandeln mehr, das zu viele schlafende Hunde wecken könnte. Nicht ganz so geräuschlos verliefen die Diskussionen zu den Anhebungen für Parteien und Fraktionen. Doch der in Windeseile auf die Tagesordnung gesetzte und eisern durchgepeitschte Millionenregen war Gesetz, bevor sich größerer öffentlicher Protest erhob.

Auch die gekonnt zur Schau gestellte Empörung der Oppositionsparteien verpuffte schnell wieder, weil jeder wusste, dass diese keinesfalls über Nacht ihre Liebe zum deutschen Steuerzahler entdeckt hatten, sondern ausschließlich damit haderten, dass ihr finanzieller Abstand zu den beiden großen Parteien und deren Fraktionen immer größer wird. Zwar wurde inzwischen eine Normenkontrollklage angestrengt, doch dürften nur die kühnsten Optimisten davon ausgehen, dass die geschaffenen Fakten noch einmal revidiert werden. Und selbst im Falle des Einkassierens wird es nicht lange dauern, bis sich die findigen Trüffelsucher der Großen Koalition neue Finanzierungsquellen auf Kosten der Steuerzahler erschließen. Es ist bezeichnend für den Zustand der Demokratie, dass wir Bürger nur noch zusehen können, wie sich die Berufspolitik immer ungenierter am Gemeinwohl vergreift.

Der Bundestag hat sich verselbstständigt

Politische Entscheidungen, die regelmäßig in kleinsten Zirkeln außerhalb legitimierter Gremien fallen, allzu gerne in Brüsseler Nacht-und-Nebel-Aktionen, aber auch ansonsten so oft wie möglich ohne direkte Beteiligung des Bundestages, sind nur eines der vielen Symptome einer erodierenden Demokratie. Da muss es niemanden wundern, wenn längst auch der Zugriff auf die Steuerkasse nicht mehr nur zum Kauf von Wählerstimmen erfolgt. In Zeiten ausbleibender Wähler verschafft man sich das Geld durch die fortlaufende Änderung der Berechnungsgrundlage – oder eben durch eine unappetitliche Erhöhung.

Der Bundestag hat sich verselbstständigt. Nur noch die Interessen der Parteien und das Machtkalkül ihrer Fraktionen entscheiden heute darüber, was wann wie beschlossen wird. Waren die Parteien einmal mit dem verfassungsmäßigen Auftrag zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes betraut, so fühlen sie sich heute nur noch der Durchsetzung ihrer ureigenen Interessen verpflichtet. Der treue Michel und das naive Lieschen durchschauen das unselige Treiben zwar zunehmend, trauen sich aber nicht, ihrer Obrigkeit entschlossen entgegenzutreten. Vor allem fürchten sie den Streit, den sie daher keinesfalls anzetteln wollen. Statt den Parteienstaat endlich an die Kandare zu nehmen, schauen sie zu, wie er sich immer weiter abschottet und sich das in Infrakstruktur und Bildung so dringend benötigte Geld milliardenweise in den Rachen wirft. Wahrscheinlich verdienen Lieschen und Michel es aber auch gar nicht anders. Wer sich nicht traut, seine demokratischen Rechte auszuüben, ist selbst schuld.

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Leserpost

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Wulfrad Schmid / 24.07.2018

Die Selbstbedienungsmentalität der Politiker ist zum Erbrechen. Das Pack gehört abgewählt und ohne Bezüge auf die Straße gesetzt!

Sabine Schönfelder / 24.07.2018

Es fließen für die Parteien und Abgeordneten 2018 mehr als eine Milliarde? Nun, was haben Sie denn dagegen unternommen? Ich für meinen Teil wähle, bin in BI’s tätig und auch politisch nicht uninteressiert und dennoch könnte auch ich es nicht verhindern. Muß ich mich jetzt Lieschen nennen?

Bernhard Maxara / 24.07.2018

Also kein Wort mehr über die Verschwendungssucht des Adels in der Feudalzeit; zumal diesem nach seinerzeitigem Staatsrecht das verscherbelte Geld auch noch selber gehörte. Im heutigen Fall ist das nicht anders als Betrug, Diebstahl und Veruntreuung zu nennen.

Martin Landvoigt / 24.07.2018

Mir geht es weniger um die absolute Höhe der Kosten oder die relative Erhöhung: Wenn das Paralament seine Aufgabe der Legislative gut erledigen würde, dann würde man vielleicht auch höhere Beträge akzeptieren. Das Problem ist m.E. das Fehlen einer Leistungserbringung im Sinne der Demokratie. Unsinnige Gesetze, handwerklich schlecht gemacht, und das Verlieren jeglichen Augenmaßes müsste auch bei der Vergütung - oder soll man besser Alimentierung sagen? - Auswirkungen haben.  Nicht dass man jeden einzelnen MdB Vorwürfe machen könnte, aber das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend. Das Parlament ist doch eher der Abnick-Verein der Kanzlerin, mit einem Feigenblatt, das man auch lieber wieder los werden möchte.

Horst Jungsbluth / 24.07.2018

Das Fazit dieses Beitrages ist deutlich: Parteien und ihre Funktionäre missachten das Grundgesetz, wo Artikel 20 (2) eindeutig bestimmt, dass “alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht” und Artikel 21 den Parteien lediglich eine Mitwirkung bei der Willensbildung des Volkes zubilligt. Dass unsere Verfassungsschützer das partout nicht bemerken wollen, ist kaum fassbar, aber bittere Realität. Unsere aufgeblähte “Volkskammer” sorgt vor allem für sich selbst und hält das bloße, oft kontraproduktive “Geldausgeben”  für Politik und verkennt damit die eigentlichen Aufgaben. Hinzu kommt die traurige Tatsache, dass Personen ohne jeden Berufsabschluss und ohne jegliche berufliche Erfahrung in das Parlament entsandt werden, denen dann jedes Verantwortungsgefühl völlig abgeht. Man hat auch nichts daraus gelernt, dass Parteien reine Lobbyisten als Abgeordnete gewähren lassen und auch nicht, dass es der Stasi vor dem Mauerfall gelang, Fraktionsstärke zu erreichen und nicht selten den Alterspräsidenten installierte.  Der unglaubliche Fall Stefan Heym, der für Geld zu allem bereit war, sogar für die zig Mal umbenannte SED als Abgeordneter zu kandidieren, eine hetzerische Rede als Alterspräsident zu halten, um dann zu verschwinden, aber zuvor noch ankündigte, dass er sich für jedes Interview bezahlen lässt, ist an Dreistigkeit nicht überbieten.Und unsere Medien bejubelten dieses Mann sogar, obwohl er sich mit Sicherheit nicht einen einzigen Tag um seinen Wahlkreis gekümmert hat.

Karla Kuhn / 24.07.2018

“Der auf 709 Abgeordnete aufgeblähte Bundestag ist uns Wählern nunmehr satte 112 Millionen Euro im Jahr wert, weil die Abgeordneten beschlossen haben, dass ein dreiprozentiger Aufschlag auf ihre Fraktionsgelder bei einer Inflationsrate von rund 2 Prozent gerade recht ist.”  Diese Ausuferung gehört DRINGEND !! auf den Prüfstand. 8,6 Millionen (ACHT KOMMA SECHS !!) Millionen Rentner sollen UNTER 800 EURO Rente beziehen. Wer regelmäßig einkauft und auch kocht, merkt deutlich, daß sehr viele Lebensmittel teurer geworden sind. Viele Rentner und Alleinerziehende müssen sich an der Tafel bedienen, es langt bei vielen Menschen vorne und hinten nicht. Neulich sagte mir eine ältere Frau,: “Entweder ich leiste mir einen Friseurbesuch oder ich kaufe mir etwas zu essen, beides geht nicht. ” Ich habe ihr geantwortet, daß ich mir seit Jahren die Haare selber schneide, eine Friseuse, die früher meine Haare geschnitten hat, hat mir gezeigt wie das geht und mir eine dementsprechende Schere dafür empfohlen. Klappt wunderbar. Ich komme aus der DDR, da mußte man sehr kreativ sein um nicht altbacken auszusehen. Das ist die beste Errungenschaft, die ich aus diesem Land mitgenommen habe.  Wenn ich lese, daß Abgeordnete (viele )den aufgeblähten Bundestag anscheinend als Selbstbedienungsladen benutzen und sich auf KOSTEN der STEUERZAHLER bedienen kommt mir das gro ko. Nicht nur Merkel muß weg, nein es müssen viele neue, kompetente Politiker her, die für ihre Fehlentscheidungen mit ihrem Privatvermögen haften müssen, bzw. eine Versicherung ähnlich einer Arzthaftpflichtversicherung abschließen müssen. Auch müssen ALLE politischen Ämter auf zweimal vier Jahre begrenz werden und die Pensionen dürfen nicht über EINTAUSEND Euro liegen !! Mit welchen Recht bekommen Menschen eine derart hohe Rente und ein richtiger Arbeiter, der Jahrzehnte malocht hat muß vielleicht am Ende sehen wie er zurechtkommt ?  

Siering Christian / 24.07.2018

“Wer sich nicht traut, seine demokratischen Rechte auszuüben, ist selbst schuld.” Also mit anderen Worten, AfD wählen. Wäre vielleicht auch hilfreich, wenn sich wenigstens die Alternativen Medien langsam dazu bekennen würden. Schließlich ist der angesichts der Ereignisse im Grunde doch sehr gemäßigte Erfolg der AfD vor allem auf die Verteufelung durch die politische Konkurrenz und die Mainstreammedien zurück zu führen.

Martin Stumpp / 24.07.2018

Es gibt eine Objektive Größe für die Erhöhung von Diäten und Parteienfinanzierung. Denn, dass Erhöhungen grundsätzlich statthaft sind, versteht sich von selbst. Strittig allein ist Größenordnung. Da die Abgeordneten aber nunmal darüber befinden, muss es eine Richtschnur dafür geben. Und das kann im Grunde nur die gesetzliche Rente (ggf. unter Berücksichtigung anderer Faktoren über die die Abgeordneten ebenfalls befinden) sein deren Anpassung von den Abgeordneten ebenfalls beschlossen wird. Erhöhungen von Diäten, Freibeträgen und Parteienfinanzierung, die über der der gesetzlichen Rente liegen sind m. E. rechtswidrig und erfüllen den Tatbestand der Untreue.

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