Dirk Maxeiner / 07.06.2020 / 11:00 / 23 / Seite ausdrucken

Was noch gesagt werden muss…

Halbwegs faire Berichte über die ehemalige Bürgerrechtlerin, einstige Bundestagsabgeordnete – erst für Bündnis 90/ Die Grünen, dann für die CDU – und Autorin Vera Lengsfeld sind selten. Oder, noch genauer gesagt: Nicht unfaire Berichte über sie fallen echt auf. Eines der wenigen nicht voreingenommenen Portraits, das ich mir deshalb aufgehoben habe, schrieb vor einiger Zeit Philipp Bovermann in der Süddeutschen Zeitung

Es gibt wenige Persönlichkeiten, die das Juste Milieu der Gutmeinenden so auf die Palme bringen wie Vera. Das liegt einerseits an ihrer Biografie, die man ihr nicht nehmen kann, und andererseits an ihrer Eigenschaft, auch dann zu sagen, was sie denkt, wenn das politisch nicht opportun scheint. 

Hätte sie öfter mal den Mund gehalten, säße sie heute sicherlich auf einem gehobenen Posten innerhalb der CDU-Nomenklatura oder würde als moralische Instanz herumgereicht, könnte hier eine mahnende Rede halten und dort mutig und unter allgemeinem Beifall Gesicht zeigen. Sie hat den Mund aber nicht gehalten und gedenkt offensichtlich auch nicht, damit anzufangen. 

Wäre jetzt auch zu spät. Lengsfeld, Ehrenmitglied im Verein für direkte Ansprache, ist längst ein beliebtes Angriffsziel bei Linken, Linksradikalen und Linksextremen geworden, die nicht davor zurückschrecken vor ihrem Haus Steckbriefe mit der Aufschrift „Lengsfeld, halt‘s Maul!“ anzubringen. Sie ist umstellt von einer ganzen Armada an Sitten- und Gesinnungswächtern, deren Lebensinhalt offenbar darin besteht, sie rechter Umtriebe zu überführen. Und wenn sie mal einen Fehler macht und ihren Gegnern im Eifer des Gefechtes eine Steilvorlage liefert, dann bricht zuweilen ein Jubel aus, als habe man die Dart-Weltmeisterschaft in der Circus Tavern in Purfleet gewonnen. 

Staatsfeindliche Umtriebe der Delinquentin Lengsfeld

Bei manchen sieht es nach enttäuschter Liebe aus, ganz nach dem Motto: Wir lassen nichts auf unsere Bürgerrechtler kommen, es sei denn, sie sind anderer Meinung als wir. Manch einer vergisst dann sehr schnell, dass die Meinungsfreiheit nicht nur zu einem der elementaren Menschenrechte gehört, sondern – frei nach Orwell – vor allem für jene gilt, deren Meinung man nicht unbedingt hören will. Mitunter gerät Vera Lengsfeld sogar in eine Art Zeitschleife, wenn beispielsweise die ehemalige Stasi-IM Anetta Kahane staatsfeindliche Umtriebe der Delinquentin Lengsfeld meldet.

Sehr hübsch ist auch eine Episode aus den letzten Wochen. Da war CDU-Mitglied Vera Lengsfeld als Kandidatin für das Kuratorium des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) vorgeschlagen worden – allerdings von der falschen Partei, der AfD. Das Vorschlagsrecht haben die einzelnen Parteien und andere Institutionen, und die AfD war diesmal dran. Nun sollte man meinen, dass man angesichts von Lengsfelds unbestrittenem Eintreten für Menschenrechte einmal ohne den Versuch auskommen könnte, die AfD mittels Teufelsaustreibung aus den Parlamenten zu ekeln und stattdessen ihre Kompetenz für eine solche Aufgabe zu bewerten.

Genau das tat man aber nicht. Vera Lengsfeld hatte keine Chance. Dass sie in Diskussionen über die AfD immer klar gegen die Flügel-Rechtsausleger um Björn Höcke Position bezogen hatte, nützte ihr nicht. Sie wurde von allen anderen Fraktionen geschlossen abgelehnt (es gab nur eine Enthaltung), auch von ihren CDU-Parteifreunden. Mehr als zwei Dutzend dieser Bundestagsabgeordneten aus der CDU/CSU-Fraktion hatten ihr noch wenige Tage zuvor schriftlich und herzlich alles Gute zum 68. Geburtstag gewünscht. Ein CDU-MdB hatte – gefragt nach seinem Abstimmungsverhalten – erklärt, es sei prinzipiell darum gegangen, keinem Vorschlag der AfD zuzustimmen, da hätte er über die Eignung der Kandidatin nicht nachdenken müssen.

Die CDU-Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern plagten solche Gedanken im Umgang mit der mehrfach umbenannten SED nicht. Sie wählten wenig später mit Barbara Borchardt einen SED-Altkader zur Richterin am Landesverfassungsgericht. Das nennt man Gesicht zeigen im Jahr 2020.

Das ist ein Stück Wahnsinn, das man sich auch schon im vergangenen Jahr hätte vorstellen können  – im Gegensatz zum Corona-Ausnahmezustand. Aber heute sind wir schon einen Schritt weiter und der Wahnsinn des vergangenen Jahres wirkt aus der gegenwärtigen Situation schon wie ein Stück Zeitgeschichte. Deshalb ist Vera Lengsfelds Buch „Was noch gesagt werden muss“ eine auf ganz eigene Weise spannende Chronik. Sie hat dort ihre die Aufzeichnungen des Jahres 2019 von ihrer Webseite „Freedom is not for free“ zusammengetragen.

„Das werden wir wieder zu spüren kriegen“

In dieser ebenso kleinen wie historisch wertvollen Jahreschronik gibt es natürlich auch weitere passende Rückblicke in die vergangenen Jahrzehnte. So erinnert sich Vera Lengsfeld unter anderem an den 2. Januar 1992. An diesem Tag durften namhafte DDR-Oppositionelle als erste frühere Bewohner des SED-Staats ihre Stasi-Akten einsehen. Ein Gespräch ist ihr im Gedächtnis geblieben: „Bärbel Bohley und ich, standen, entsetzt über die Zersetzungspläne gegen ‚Zielpersonen‘, die wir in den Akten gefunden hatten, vor den Toren der Stasiunterlagenbehörde. ‚Sie werden sich auf die Akten stürzen und studieren, wie die Stasi das gemacht hat. Das werden wir wieder zu spüren kriegen.‘ Leider hat Bohley mit dieser Einschätzung recht behalten.“ 

Etliche Aussagen von Vera Lengsfeld sind mit Sicherheit streitbar. Zu diesem Streit lädt auch das Buch ein. Nur leider – das hat sie in den vergangenen Jahren hinlänglich erfahren – gibt es kaum noch eine funktionierende Streitkultur: „Ich hatte nach dem Verschwinden der DDR nicht geglaubt, dass ich heute, fast wie in der DDR, die Freiheit der Andersdenkenden verteidigen und mich dafür denunzieren und diskreditieren lassen muss“. Dass sie sich davon nicht beeindrucken lassen will, macht sie mehr als deutlich. Man sollte ihr Buch als eine zeitgenössische Chronik aus ganz eigener Perspektive gut aufheben.

Da ist mit Sicherheit eine Menge festgehalten, was so mancher bei späteren Rückblicken gern vergessen würde – und was dann nochmal gesagt werden muss.

Vera Lengsfeld: Was noch gesagt werden muss: Meine Kommentare 2019 (Deutsch) Taschenbuch, Euro 19,89 

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Wolfgang Richter / 07.06.2020

Ich hoffe, ““die AfD”” kann dem Drang (Zwang) widerstehen, dem Druck der verschiedenen “Alt-/Linksparteien” nachzugeben, sich dem Zeitgeist anzunähern, denn dann könnte sie auch gleich mit den C-Parteien/FdP (zurück-) fusionieren, wäre für viele der vormaligen Wahlverweigerer auch nicht mehr wählbar. Ich hoffe auf Standhaftigkeit der AfD als Ganzes. Bei anderen Parteien finden es deren Sympathisanten auch ok,  irgendwelche Flügelleute” akzeptieren zu müssen. “Ecken und Kanten” sind doch erst das “Salz in der Suppe”. Angepaßte Aparatschicks und Zeitgeist angepaßte Schön-(Dumm-)schwätzer gibts bei den sog. etablierten Parteien schon genug.

herbert binder / 07.06.2020

Es bringt sie nicht nur auf die Palme, lieber Herr Maxeiner, Frau Lengsfeld wird ihre Biographie wohl auch (jetzt mache ich eine “Anleihe”:) ...nicht verziehen. Eine wichtige und vor allem kompetente, aber leider, leider auch äußerst seltene Stimme. “A rose is a rose is a rose is a rose /  Not only because of its colour / And not only because of it fragrance /  A rose is a rose is a rose is a rose /  Also because of the thorns /  It holds very close //  [Bashyam Narayanan]

Henri Brunner / 07.06.2020

Hätte sie öfter mal den Mund gehalten .... - könnte sie heute vielleicht mehr in ihrem Sinne ausrichten? - oder das System hätte sie geschluckt? Schwer zu sagen und es hat auch keinen Sinn, über solche Dinge zu räsonieren. Es ist wie es ist. Auf einer anderen Diskussions-Plattform jedenfalls habe ich erfahren (müssen), wie angepasst, wie Obrigkeitshörig die Deutschen denken, und mit welcher Vehemenz, ja sogar Wut sie andere Meinungen verfolgen - und es war durchaus ein Schock. Nie hätte ich gedacht, dass das gemeinsame Blöcken zum Mond in Deutschland tatsächlich noch immer so verbreitet ist. Ist es aber. Und es öffnet den Blick (zurück) auf besorgniserregende Eigenschaften der Deutschen.

Markus Knust / 07.06.2020

In einer normalen BRD wohnte diese Frau im Schloss Bellevue und ich würde sie mit Freuden “meine Präsidentin” nennen.

Karla Kuhn / 07.06.2020

“Hätte sie öfter mal den Mund gehalten,.....”  Wäre sie vielleicht an einem Herzinfarkt gestorben.  WER alles in sich reinfrißt, so sehen ziemlich viele Politiker auch aus, (Merkel aber auch Leyen, Esken sind für mich das Paradebeispiel, auch wenn Frau Leyen dünn ist aber sie hat sich äußerlich bis zur Häßlichkeit verändert, jedenfalls sehe ich das so)  unzufrieden, unbefriedigt, figürlich verdickt usw.,  wird KRANK, bis hin zu KREBS. Nachgewiesen mit der PSYCHO-NEURO-IMMUNOLOGIE ! Nicht umsonst heißt es doch. “Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. ” Frau Lengsfeld stand in der DDR unter Beobachtung, Ihre Geschichte ist besonders pervers, WARUM soll so ein kluge FRAU nicht ihren Mund aufmachen ?? Sie hat WIRKLICH etwas zu sagen und schwafelt nicht bloß rum. Sie verdient damit wesentlich MEHR RESPEKT,  als all die Schleimer und Heuchler, von denen   sich viele in der Politik eingenistet haben. Oder viele, die in irgendwelchen überflüssigen Organisationen ebenfalls vom Steuerzahler leben. DEUTSCHLAND BRAUCHT EIN GANZES HEER von Menschen wie VERA LENGSFELD.  “Ehrenmitglied im Verein für direkte Ansprache”  TOLL! Die meisten , die Frau Lengsfeld anfeinden,  könne dieser Frau das Wasser sicher nicht reichen. Wie heißt es doch so schön ?  “GROßE Geister stört es nicht und KLEINE (Würmchen) geht`s nichts an.”  Frau Lengsfeld, bleiben Sie wie Sie sind, SIE sind absolut richtig.  Diejenigen, die Sie anfeinden sind wahrscheinlich nur neidisch und wahrscheinlich auch nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. DIE sind die GETRIEBENEN. Angepeitscht von Merkel und Co, denn sonst ist es “nicht mehr ihr Land.”  Was für eine GRAUSIGE ALTERNATIVE,  teils nur wegen einem festen SESSEL und mehr Geld ? Denn Macht bekommen die erst gar nicht, die gibt Merkel nicht aus der Hand ! Die Macht ist wahrscheinlich ihre KRÜCKE, auf die sie sich stützen muß.  Ich könnte mich nicht mehr anschauen im Spiegel, Das ist so armselig.

Hanno Schmidt / 07.06.2020

Frau Lengsfeld ist eine weiße Rose.

T. Merkens / 07.06.2020

Dieser Artiekl ist eine gute Gelegenheit, der Frau Lengsfeld ein herzliches “DANKE” auszusprechen: für ihre klugen Kommentare und Hinweise und auch für die oft guten Buchtipps, z. B. von Petra Riemann. Zu der Zeit des gemeinsamen “Busenplakats” mit A. M. hätte ich niemals (!) für möglich gehalten, dass ich diese Frau einmal so schätzen würde.

Barbara Mann / 07.06.2020

Die “Halt’s Maul”-Plakate, die Schändung des Grabes ihrer Eltern und all die unsäglichen Gemeinheiten gegen Frau Lengsfeld haben meines Erachtens nur einen einzigen Grund: Neid. Ihre Feinde beneiden sie um die Freiheit ihres Denkens, Sagens und Schreibens - etwas, von dem sie wissen, dass sie es selbst nie, nie erreichen werden. Danke, Herr Maxeiner, für diesen wunderbaren Artikel. Für alle Lengsfeld-Fans: In ihrem Blog steht heute ein Text über Bad Lauchstädt, eine Perle nahe meiner Heimatstadt Halle.

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