Claudio Casula / 13.02.2014 / 17:06 / 7 / Seite ausdrucken

Was Martin Schulz wirklich in Jerusalem gesagt hat

Liebe Schutzbefohlene,

bevor ich als Erziehungsberechtigter an dieser Stelle einige Ratschläge erteile, wie Sie mit Ihrer möglicherweise nicht ganz unkomplizierten Nachbarschaft umzugehen haben, eines vorweg: Ich muss das tun. Erstens, weil ich die Europäische Union vertrete, die eine klare Haltung zu Ihrem Land hat; eine Institution, die den Holocaust nachweislich für eine schlimme Sache hält, ohne jetzt im Einzelnen erwähnen zu müssen, wer genau davon betroffen war. Zweitens, weil ich demnächst EU-Kommissionspräsident werden möchte und mir dabei ein bisschen Israel-Bashing sicher nicht schaden wird. Vor allem aber, weil ich – gerade als Deutscher – am besten wissen muss, was gut für den jüdischen Staat ist.

Ich spreche zu Ihnen in der Sprache Goethes und Schillers und Heines. Die Hardliner unter Ihnen werden jetzt sagen: auch in der Sprache Goebbels’ und Kaltenbrunners, aber über diesen Verdacht bin ich erhaben. Ich bin u.a. Vizepräsident der Sozialistischen Internationale und würde heute, wie mich die FAZ im April vergangenen Jahres zitierte, in vergleichbarer Lage gegen die Nazis zur Waffe greifen. Jawohl, ich mag zwar aussehen wie ein Sparkassenfilialleiter aus Bad Oeynhausen oder wie der Ex-Bürgermeister von Würselen, aber innerlich bin ich ein ganz harter Hund. Und gerade als Deutscher fühle ich mich berufen, Ihnen hier mal so richtig die Leviten zu lesen, und zwar –  ich betone das – als Freund. Nur für den Fall, dass Sie aus meinen Worten etwas anderes heraushören sollten.

Wissen Sie, gestern war ich bei Palästinenserpräsident Abbas. Einem Mann, dem mitunter aus Ihren Reihen vorgeworfen wird, er habe keine demokratische Legitimation, nur weil er seit fünf Jahren, äh, über seine Amtszeit hinaus regiert. Aber wer wäre ich, würfe ich ihm ausgerechnet den Umstand vor, nicht von den Menschen da draußen gewählt worden zu sein?

Nein, auf irgendwelche Dinge, die da drüben nicht in Ordnung sein könnten, bin ich jetzt nicht extra eingegangen, das war in der Kürze der Zeit auch gar nicht möglich. Aber lassen Sie mich sagen: Herr Abbas muss ja auch gar nicht Ihr Freund sein, Frieden schließt man ja mit seinen Feinden. Also möglicherweise auch mit solchen, die sich weiterhin vornehmen, Sie zu bekämpfen. Das mag ein Risiko sein, aber bedenken Sie das Schicksal des Warschauer Ghettos: Gerade weil die militanten Zionisten dort zur Gewalt griffen, wurde das Ghetto am Ende total zerstört. Wollen Sie es so weit kommen lassen? Oder sind Sie bereit, für den Frieden auch ein Risiko einzugehen?

Vielleicht sind hier und da beunruhigende Töne von Hisbollah-, Fatah- oder Hamas-Aktivisten zu vernehmen, aber das muss nichts bedeuten. Lassen Sie mich das ruhig so deutlich sagen: Als Bürgermeister von Würselen habe ich auch keine übertriebenen Ängste vor unseren niederländischen Nachbarn geschürt!

Müssen Sie wirklich derart militant ausgerechnet in dieser Weltregion auftreten, wo schon ein kleiner Funke genügt, um einen Flächenbrand auszulösen? Es mag ja sein, dass manche Gruppierungen es nicht gut mit Ihrem Staat meinen, aber in Europa macht Ihre fortdauernde Demonstration der Stärke, das muss ich leider sagen, einen ganz schlechten Eindruck. Wir haben ein Herz für die Schwachen! Dieses Zurückfeuern bringt nur Ärger und macht Ihre Gegner erst recht aggressiv. Hingegen: Wenn Sie sich – wie damals, 1991 – dazu entschließen könnten, sich mal einige Wochen ohne reflexhafte Reaktion mit Raketen beschießen zu lassen, brächte Ihnen das einen ungeheuren Sympathiebonus in Europa ein. Darauf gebe ich Ihnen hier und heute mein Wort! Ja, ich selbst wäre dann der Erste, der eine wohlwollende Geste der Israel-Solidarität anregen und eine geharnischte Protestnote an die Adresse der Störenfriede aufsetzen würde!

Es wäre wirklich wünschenswert, wenn das Prinzip „Ich bin okay, du bist okay“ sich auch hier langsam mal durchsetzen würde, denn kein Mensch ist durch und durch schlecht. Selbst der Führer hat den Juden damals eine Stadt gebaut, aber Ihr Zionisten musstet ja unbedingt in Jerusalem und Hebron wohnen. Ganz ehrlich: Ich traue auch Scheich Nasrallah, Ayatollah Khamenei oder Khalad Meschaal zu, ihre harte Haltung zu lockern, wenn Sie endlich mal mit gutem Beispiel vorangehen. Insofern tut mir das sehr weh, wenn ich von einem palästinensischen Jugendlichen erfahren muss, dass Sie offenbar weiterhin in der Westbank Brunnen vergiften. Ich habe das jetzt nicht im Detail nachgeprüft, aber trotzdem: Das ist furchtbar – so wie das Apartheid-Regime, das mein Parteifreund Sigmar Gabriel in Hebron erlebt hat.

Ich freue mich, dass die arabischen Abgeordneten an dieser Stelle so ausdauernd Beifall geklatscht haben. Danke sehr.

Dank an Sie alle, dass Sie – von einer ganz kleinen Clique von ultrarechtsnationalreligösextremistischen Hardlinern abgesehen – bereit sind, mir zuzuhören. Ich mag zwar mit dem Bau des Spaßbades den Stadtsäckel von Würselen überstrapaziert haben, aber Lokalpolitik war mir eh immer drei Nummern zu klein; wirklich berufen bin ich zum Weltpolitiker. Wenn Sie jetzt nicht den auserwählten shlomo sapiens spielen, der bockbeinig seinen eigenen Weg geht, sondern im Gegenteil umsetzen, was ich Ihnen rate, wird es mir eine Ehre sein, zur Endlösung der Judenfrage in Nahost beigetragen zu haben.

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Leserpost

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Marion Schulze / 15.02.2014

Das Thema Wasserversorgung im israelisch-arabischen Konflikt ist bekanntlich nicht erst seit gestern ein Mittel, um die israelische Bestialität endlich wieder zu kritisieren. Das alte Muster der Brunnenvergiftung liegt da nicht fern. Alex Feuerherdt hierzu: “Amnesie bei Amnesty”

Richard Belzer / 15.02.2014

@Guido Franz Sie müssen also an die Fernsehserie denken? Kennt denn hier keiner Lubitsch? Ich sag nur K. Schulz.

Gerhard Sponsel Lemvig / 14.02.2014

Essen, Trinken, Schlafen, Sprechen- und Gehenlernen! Das reicht um im Leben Erfolg zu haben. Der Kämmerer aus Würselen hat es uns bewiesen.  Und danke, dass sie es verständlich übersetzt haben, was der EU-Führer den Israelis alles sagen wollte.

Daniel Anderson / 14.02.2014

Sehr geehrter Herr Martin Schulz, mit großer Bestürzung, ja, mit einem eiskalten Schauer, den ich mit dem vergleichen möchte, der mir über den Rücken lief, als ich ich eines Tages antisemitische Schmierereien in Form von Hakenkreuzen an meiner Wohnungstür vorfand. Das eröffnete Ermittlungsverfahren wurde übrigens nach 3 Monaten eingestellt. Auch ich spreche die Sprache Goethes und Heines, Kleists und Büchners, aber Sie, Herr Schulz, und ich sprechen sie nicht. Das vorweg, es geht nicht um die Details Ihrer Rede in der Knesset, die Sie, wie ich finde, zurecht in der Sprache Goethes gehalten haben. Avi Prior, der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland hat schon öffentlich zugegeben, dass die Aussagen über die Wasserversorgung zutreffen. Nebenbei gesagt, existieren im ‘KZ GAZA’ Villen mit Swimmingpools, gefüllt mit reinstem Trinkwasser, die von der EU, also auch von meinen Steuergeldern, finanziert worden sind. Aber auch darum geht es nicht im Kern. Ich empfinde Ihren Populismus als unerträglich, er ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die mit gesundem Menschenverstand und einigermaßen Intelligenz ausgestattet sind. Ihre Rede spiegelt genau jene Haltung wieder, die Claudia Roth sich mit einem iranischen Massenmörder ‘high 5’ begrüßen lässt. Es ist jene Haltung, die unterschwellig einen Devotismus vor hemmungsloser Gewalt begrüßt, in der Hoffnung, einem schlimmeren Schicksal zu entgehen. Chamberlain hätte dem Gröfaz 1938 ruhig mal eins in die Schnauze hauen sollen, vielleicht wäre uns dann die Shoa erspart geblieben. Es ist jene Haltung, die Parallelgesellschaften von Terrornetzwerken, die über Kindergeld finanziert werden, zulässt. Es ist genau jene Haltung, derer, die 1933 gedacht und gesagt haben, dass das schon alles nicht so schlimm werden wird und die auch danach gehandelt haben. Oder, um eine andere Konstruktion zu bemühen und zu verdeutlichen, was ich meine, haben Sie schon einmal versucht, Frieden mit dem Nachbarn zu schließen, der Ihnen nach dem Leben trachtet, ja, der Ihr Recht auf Existenz leugnet und in jede ausgestreckte Hand eine entsicherte Handgranate legt? Israel war in der Vergangenheit sehr oft bereit, eine sogenannte “Zwei-Staaten-Lösung” zu akzeptieren. Erinnern Sie sich an die Doktrin “Land gegen Frieden” beispielsweise? Erinnern Sie sich daran, dass hunderte von verurteilten Terroristen aus israelischen Gefängnissen freigelassen wurden als Geste des ‘Guten Willens’? Ist Ihnen vielleicht entgangen, dass in israelischen Krankenhäusern Bürgerkriegsopfer aus Syrien ohne Gegenleistung behandelt werden? Haben Sie einen Blick in die Geschichte geworfen und dabei vielleicht festgestellt, dass der Großmufti von Jerusalem 1948 alle Araber aufgefordert hat, das Staatsgebiet Israels zu verlassen und denjenigen, die dem nicht Folge leisten wollten, unter der Beratung ehemaliger Gestapo-Leute ordentlich Beine gemacht hat? Was fordern Sie vom jüdischen Staat? Lasst Euch ein bisschen mit Raketen beschießen, lasst ein paar vollbesetzte Busse in die Luft sprengen, damit es den Terroristen langweilig wird und sie Ruhe geben? Habe ich Sie da richtig verstanden? Würden Sie das auch Herrn Putin raten, der auch gerade ein ähnliches Problem im Süden seines Landes hat? Hätten Sie dem amerikanischen Präsidenten empfohlen, Timothy James McVeigh noch ein paar mehr Waffen und Bomben und die entsprechende Infrastruktur in die Hand zu geben, in der Hoffnung, er werde sich schon irgendwann ausgetobt haben? Kostet es eben noch ein paar Kindern in Kindertagesstätten das Leben - man muss bereit sein, Opfer für den Frieden zu bringen, nicht wahr? Welche Opfer bringen Sie, Herr Schulz, für den Frieden? Na gut, Sie müssen keine bringen, Sie haben ihn ja schon! In der Hoffnung, dass Sie, Herr Schulz, niemals EU-Kommissionsprässident werden - oder vielleicht sollte ich Ihnen das doch wünschen und sie irgendwann Opfer ihrer eigenen, islamistisch freundlichen Politik werden müssen? Ich weiß es nicht. Falls Sie einmal ein paar freie Minuten haben, empfehle ich Ihnen einen Artikel: DANIEL ANDERSON - “GÖSE VS. BUT ODER POLITISCHE SCHIZOPHRENIE ODER TREIBT DIE JUDEN INS MEER” Mit allem Respekt!

Marc Rausch / 13.02.2014

Wie kann es aber auch ein Angehöriger des Tätervolks wagen gegen die einzig Gerechten in der Welt Kritik zu üben. Unverschämt. Da kann man als rechtschaffener Siedler ja auch nur aufstehen, den Raum verlassen und noch ein wenig die Antisemitismus-Totschlag-Klatsche auspacken. Dieser Beißreflex ist echt abtörnend.

Guido Franz / 13.02.2014

Wenn ich Schulz sehen oder etwas über ihm lese, muss ich umgehend an Oberst Wilhelm Klink aus der Serie >Ein Käfig voller Helden< denken. Merkwürdig.

Martin Lahnstein / 13.02.2014

So hätte er sich gewiß ausgedrückt, wenn er die begnadete Eloquenz von C.C. besäße.

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