Das Fazit vorweg: Es gibt keine flächendeckende Mietenexplosion in Deutschland, nur regionale Schwerpunkte, an denen die Mietkosten schneller gestiegen sind als anderswo. Aber andere Belastungen sind schneller gewachsen. Zum Beispiel für Strom, Sprit und Immobilien.
Nimmt man das Jahr 2000 als Basisjahr, so ist der Verbraucherpreisindex in Deutschland bis 2018 um 29,9 Prozent gestiegen, der Mietindex dagegen nur um 24,1 Prozent. In den Jahren 2015 bis 2019 kletterten die allgemeinen Preise um 3,8 Prozent und die Mieten um 4,1 Prozent. Das waren die Jahre, in denen der öffentliche Zorn über die Mieten überschäumte.
Am heftigsten war der Mietpreisboom in Berlin. Die Kosten für’s Wohnen haben sich in der deutschen Hauptstadt in zehn Jahren annähernd verdoppelt. Aber Berlin ist einzigartig. Um 2000 lagen die Mieten dort sogar noch niedriger als im Bundesdurchschnitt. Am stabilsten waren sie in den letzten zehn Jahren im Kreis Höxter in Niedersachsen mit 4,54 Euro pro Quadratmeter. In der Ruhrpott-Metropole Essen zogen die Preise in zehn Jahren nur um 21 Prozent auf 6,80 Euro an. Und zwar im Einklang mit der Inflationsrate für denselben Zeitraum.
Das Mietkostenhoch, von dem die Gazetten ständig fabulieren, ist Populistenlatein. Im internationalen Vergleich schneiden die Berliner Mieten sogar günstig ab. Sie sind nur halb so hoch wie in Paris, Oslo und London. In einem Vergleich von zwölf europäischen Hauptstädten schnitten Anfang des Jahres nur Brüssel und Lissabon günstiger ab.
Wenn der Deckel fällt
Mit Hilfe eines fünf Jahre gültigen Mietpreisdeckels will die rotrotgrüne Berliner Landesregierung die Mieten jetzt einfrieren. Der Deckel fällt aber denen auf den Kopf, denen er nützen soll. Die Vermieter investieren nicht mehr, weil die Renditen nicht mehr stimmen. Das fördert den Verfall, mit dem die Berliner Mieter dann leben müssen. Alte Häuser kehren dann mangels Instandsetzung wieder in den Zustand von vor 1989 zurück, als die DDR unterging.
Es geht ja nicht nur um fünf Jahre. So, wie der Senat tickt, wird er den Stillstand nach Ablauf der Frist fortschreiben. Die Obergrenzen richten sich nach Baujahr, Lage und Ausstattung und werden auf Basis des Mietspiegels von 2013 berechnet.
Der Kampf mit Zwangsmaßnahmen gegen die Marktmieten ist ein Kampf gegen die Marktwirtschaft. Linke, Grüne und Teile der SPD wollen die neuen Regelungen auf den Bund ausweiten. Als nächste Maßnahme hat die Linkspartei die Enteignung der großen Baugesellschaften auf dem Zettel. Langfristig wird es gegen die privaten Wohnungsvermieter gehen. Das trifft dann vor allem die Immobilienbesitzer, die sich eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus für die Altersversorgung angeschafft haben.
Berlin ist ein Sonderfall
Der Ausdruck „Wohnungsnot“ ist überzogen. 650.000 Bürger in Deutschland sind zwar obdachlos. Aber mindestens fünfmal so viele Wohnungen stehen leer, die meisten in den neuen Bundesländern.
Berlin ist ein Sonderfall. Hier ist die Nachfrage am größten. Nur, die Mietpreispolitik des Senats hat die Bautätigkeit gebremst. Von 2017 bis 2019 wurden deutlich weniger Baugenehmigungen beantragt als in den Vorjahren. Was man verstehen kann, weil mit Immobilien in Spree-Athen kein Geld mehr zu verdienen ist.
Während Altmieter im Durchschnitt noch traumhaft günstige 6,72 Euro pro Quadratmeter bezahlen, sind die Neumieten vor allem in den bevorzugten Wohnvierteln deutlich gestiegen. Im feinen Zehlendorf etwa auf 19,72 Euro.
Mieten für Studentenbuden, so schreibt der „Spiegel“, seien auf ein Rekordniveau gestiegen. Das stimmt in nur wenigen Städten. In Bochum und Leipzig können Studenten Zimmer mit 30 Quadratmetern für durchschnittlich 344 Euro warm mieten. In kleinen Universitätsstädten zahlen Studenten unter zehn Euro pro Quadratmeter. Die liegen meist natürlich nicht in den schicken Szenevierteln.
Wohin es die Jungen zieht
Am knappsten sind die Quartiere in den Schwarmstädten, wie sie im Maklerjargon heißen. Das sind Wohnorte, in die es vor allem junge Leute schwarmweise zieht, die ihre Jugend genießen wollen. Die meisten Leerstände haben die Lokalitäten, aus denen die Schwärme aufgestiegen sind.
Wer es gewohnt ist, im Umfeld seiner Wohnung abends einen Kneipenbummel zu machen, muss auf die örtliche Durchschnittsmiete noch mal ein Drittel drauflegen. Aber die deutschen Großstädte sind im allgemeinen verkehrsmäßig so gut erschlossen, dass die wenigsten Studenten länger als eine Viertelstunden zur Uni – oder zur nächsten Bierschwemme – fahren müssen. Das gilt als zumutbar.
Die Berliner Linksparteien sagen, Wohnen sei ein Grundrecht, und das müsse gegebenenfalls obrigkeitlich reglementiert werden. Aber essen und trinken sind auch Grundrechte. Warum stehen die Lebensmittelpreise nicht auch unter staatlicher Kontrolle? So, wie in Venezuela?
Die zuständige Berliner Senatorin, Katrin Lompscher von den Linken, will künftig nicht nur überprüfen lassen, ob die Mieten zu hoch sind, sondern auch, ob die Mieter ihrer Ansicht nach zu viel Wohnfläche haben. So geht der Einstieg in die Kommandowirtschaft.
So wild treiben es die Miethaie
Besonders aufschlussreich ist eine Aufgliederung der Mietentwicklung nach dem Typ des Vermieters: Große Wohnungsunternehmen wie „Vonovia“ und „Deutsche Wohnen“ haben zwischen Mitte 2015 und Ende 2018 die Mieten durchschnittlich um etwas mehr als sechs Prozent erhöht, öffentliche und genossenschaftliche Träger nur um knapp fünf Prozent. Private Kleinvermieter, die zwei Drittel aller Mietwohnungen in Deutschland besitzen, haben 4,3 Prozent in drei Jahren aufgeschlagen.
Soviel ist sicher: Die Politik der Senatsmehrheit wird keine Entlastung schaffen. Im Gegenteil. Seit einem Jahrzehnt wächst die Wirtschaft in Berlin schneller als im Bundesdurchschnitt. In den letzten drei Jahren kamen 170.000 Arbeitsplätze dazu. Die Hauptstadt ist nicht mehr ein verschlafenes Riesendorf im märkischen Sand. Sie hat inzwischen tüchtig Fahrt aufgenommen.
Steigende Mieten sind nicht ausschließlich auf die Gier der Vermieter zurückzuführen, wie auf Demo-Postern zu lesen ist. Es liegt auch an den gestiegenen Ansprüchen. Um die Jahrhundertwende wurden noch zwischen 20 und 25 Prozent des Familieneinkommens für die Miete ausgegeben. Heute sind es 30 bis 40 Prozent.
Die durchschnittliche Wohnfläche ist seither ständig gestiegen. Ebenso wie die übrigen Lebenshaltungsansprüche. Anno 2000 fuhr man einmal im Jahr in Urlaub, heute fährt man zwei- oder dreimal. Das geht ins Geld. Und das Geld fehlt dann im Familienbudget. Außerdem leisten sich jedes Jahr mehr Singles einen Ein-Personen-Haushalt, der natürlich teurer ist als eine Wohnung mit vier bis fünf Personen.
Die Mieten stagnieren
Wenn sie nicht eh grundverkehrt wäre, käme die Preisbremse sowieso zu spät. Denn letztes Jahr haben die Mieten in Berlin stagniert, in manchen Stadtteilen sind sie sogar leicht gesunken. Für eine Standard-Neubauwohnung mit 60 bis 80 Quadratmetern wurden in der Hauptstadt im dritten Quartal 2019 im Durchschnitt 12,32 Euro pro Quadratmeter verlangt, für eine Bestandswohnung 9,91 Euro. Das sind 45 Cent beziehungsweise 36 Cent weniger als ein Jahr zuvor. Auch in anderen hochpreisigen Großstädten wie München und Stuttgart geben die Mietpreise nach. Allerdings sehr zögerlich.
Rechnerisch ist das Problem lösbar. In Berlin sind 20.000 Menschen in Wohnheimen untergebracht. Noch einmal halb so viele leben im Tiergarten und unter den Brücken. Aber rund doppelt so viele Wohnungen stehen leer.
Das Grundgesetz, Artikel 14, Absatz 2, bestimmt: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Die Spekulation mit leerstehenden Häusern dient diesem Zweck nicht. Warum werden neunmalclevere Vermieter nicht zwangsverpflichtet? Das Gesetz erlaubt die Beschlagnahme einer Immobilie, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht.
Brauchen wir nun noch eine Stabsabteilung der Polizei, die die Sozialpflichtigkeit des Wohnungseigentums überwacht?