Richard Wagner / 29.03.2008 / 11:15 / 0 / Seite ausdrucken

Was haben die 68er bloß gelesen? Aus der Handbibliothek des Rudi Dutschke

Jürgen Horlemann und Peter Gäng, Vietnam. Genesis eines Konflikts (Suhrkamp 1966)
(Dieses Buch, nach Ansicht von Rudi Dutschke, eines der drei Bücher, die der Student gelesen haben sollte, ist für den Schlachtruf „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh!“ verantwortlich.)

Erich Fried, und Vietnam und. Gedichte (Wagenbach 1966)
(Lyrik? Brecht hätte sich im Grab umgedreht.) …

Mao Tse-tung, Theorie des Guerillakrieges oder Strategie der Dritten Welt. Einleitender
Essay von Sebastian Haffner (Rowohlt 1966)
(Haffner? Ja, Haffner)

Tilemann Grimm (Hrsg.), Das rote Buch – Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung (Fischer 1967)
(Das zweite Buch, das Dutschke für unentbehrlich hielt)

Bahman Nirumand, Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt. Nacherinnerung von Hans Magnus Enzensberger (Rowohlt 1967)
( Dieses Buch, das auf Anregung von Enzensberger entstand, agitierte die Studenten für den Protest gegen den Schah-Besuch in West-Berlin. Es wurde zum Bestseller, innerhalb eines Jahres zählte man 180.000 Exemplare. Es ist das dritte und letzte Buch auf der Shortlist von Rudi Dutschke.)

Daniel und Gabriel Cohn-Bendit, Linksradikalismus – Gewaltkur gegen die Alterskrankheit des Kommunismus (Rowohlt 1968)
(Das Manifest der revolutionären Selbstlegitimation, nachgereicht vom Chef-Revoluzzer aus dem Quartier Latin.)

Erika Runge, Bottroper Protokolle. Vorwort von Martin Walser (Suhrkamp 1968)
(Der Beitrag der DKP zur bundesdeutschen Kulturrevolution. Persönliche Empfehlung des „nützlichen Idioten“ Walser.)

Urs Jaeggi, Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik (Fischer 1969)
(Der Megabestseller jener Jahre. Bis 1974 wurden 205.000 Exemplare verkauft. Sein Anliegen: Die Verteufelung der Bundesrepublik mit dem Instrumentarium der Soziologie.)

Herbert Marcuse, Versuch über die Befreiung (Suhrkamp 1969)
(Der Philosoph der Bewegung, extra aus Kalifornien eingeflogen, rettet den marxistischen Revolutionsbegriff mit ein bisschen Freud.)

Hans Magnus Enzensberger, Das Verhör von Habana (Suhrkamp 1970)
( Ein Kuba-Besuch: Castro siegt über Enzensberger.)

Diese Titel sind, mit einer Ausnahme, in großen bürgerlichen Verlagen erschienen. Sie wurden dort von Salonlinken gefördert, die man sich, wie Raddatz im Fall Rowohlt, zu diesem Zweck geholt hat. Man partizipierte am Zeitgeist und – siehe die Verkaufszahlen – auch am Geschäft. Was mit den einschlägigen Produkten in der Öffentlichkeit und in den Köpfen angerichtet wurde, wird nicht diskutiert. Bis heute nicht. Und auch über die Manuskripte, die man damals abgelehnt hat, schweigt man. Zwei im Haus Rowohlt abgelehnte Manuskripte: Raul Hilbergs „Die Vernichtung der europäischen Juden“ und die Autobiographie des Renegaten und Teilnehmers am Budapester Aufstand von 1956, Julius Hay.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Richard Wagner / 19.07.2016 / 09:13 / 6

Aus dem Zeitalter der Dummheit

Dass wir im Zeitalter der Dummheit leben, wird uns beinahe täglich vor Augen geführt. So, wenn wir glauben, einen feinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus…/ mehr

Richard Wagner / 09.03.2016 / 20:00 / 1

Femme Fatal und Landtagswahl

Noch nie war die Politik in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs so weichenverstellt. Es ist das späte Ergebnis des langen Aufstiegs und noch…/ mehr

Richard Wagner / 19.11.2014 / 10:51 / 0

Krieg um die Fifth Avenue?

“Für das Individuum mit seinen Wünschen nach Unversehrtheit und Glück ist der Krieg immer sinnlos.  Aber während er das individuelle Leben zerstört, kann er das…/ mehr

Richard Wagner / 12.09.2014 / 11:33 / 4

Von allen guten Geistern

Früher, als die Kirche noch für die öffentliche Moral zuständig war, und damit auch für die Identifikation des Bösen, war im Gegenzug auch die Zuständigkeit…/ mehr

Richard Wagner / 09.09.2014 / 11:45 / 6

Der Narr und die Barbarei

Wer am Morgen Radio hört, ist selber schuld, und wer am Morgen in Berlin Radio hört, muss den Verstand verloren haben. Wie ich, heute. Kaum…/ mehr

Richard Wagner / 24.07.2014 / 08:06 / 3

Die rechten Migranten formieren sich

Wenn Palästinenser in deutschen Städten demonstrieren, geht es immer öfter nicht nur gegen den Staat und die Staatsidee Israels, sondern gegen jüdisches Leben in Deutschland.…/ mehr

Richard Wagner / 30.05.2012 / 12:25 / 0

Die Israel-Predigt

An dem neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck wird in der Regel sein dem Diplomatenjargon konträres Pathos gelobt. So, wenn er in Israel dem dortigen Staatsoberhaupt und…/ mehr

Richard Wagner / 29.04.2012 / 05:45 / 0

Holocaust, Ölpreis, Vermischtes

Vor drei Tagen erschrieb sich Elisabeth Kiderlen in der Süddeutschen Zeitung einen Vergleich zwischen Israel und dem Iran, aus ihrer Sicht sogar eine Gemeinsamkeit, die…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com