Roger Letsch / 02.04.2017 / 13:28 / Foto: Stefan Klinkigt / 17 / Seite ausdrucken

Was erlauben Constantin Schreiber? Kein Diskurs ohne Frau Kaddor!

Expertise ist etwas, um das in Deutschland gern und hitzig gestritten wird. Schließlich sind wir ein Land von 80 Millionen Bundestrainern. Doch in alltäglichen Dingen hören wir gern auf den Rat von selbsternannten Experten. Die Wetterfee erklärt uns den Wind von morgen, die Wirtschaftsweisen sagen uns, wie gut es uns gehen wird und wenn Bundespräsident und Kanzlerin zu Weihnachten und zum Jahreswechsel zu uns sprechen, wissen wir, worauf wir stolz sein dürfen. Nahostexperten, Nahverkehrsexperten, Technikexperten, Finanzexperten, Energiewendeexperten…egal. Experten werden kommen und Pflaster auflegen, wenn dumme Normalbürger zweifeln oder Nachrichten aus Quellen beziehen, die einfach nicht zur allgemeinen Doktrinen passen wollen.

Aber manchmal ist man echt gekniffen, wenn man sich von Experten in ein Thema führen lässt. Man bekommt keinen Überblick, hält die Thematik für irrelevant und wendet sich gelangweilt ab. Jeder Physiker, dem zu einem bahnbrechenden Experiment in der Quantenmechanik ein paar Millionen Euro zum Glück fehlen, wird ein Lied davon singen können. „Sex sells“ und Grundlagenforschung ist für Lieschen Müller so gar nicht sexy! Praktiker in Soziologie oder Religion kennen dieses Problem eher nicht, die Empathie fliegt ihnen förmlich zu. Dafür müssen sie ihr Terrain umso stärker gegen Quereinsteiger verteidigen, die sich weniger um das heiliges Expertentum und dessen Abgrenzungen zum Pöbel sorgen, als vielmehr um die tatsächlichen Gegebenheiten im menschlichen Zusammenleben kümmern und sich fragen: Was hat das alles zu bedeuten?

Tief in ihrer Expertenehre verletzt fühlt sich denn auch Lamya Kaddor, als sie über die ARD-Reportage „Moscheereport“ auf Facebook schreibt:

Wieso kann ein bisher geschätzter Journalist nicht 13 Moscheen besuchen und von seinen Eindrücken berichten und die Analyse dieser Ergebnisse Fachleuten überlassen? Soweit mir bekannt, ist Herr Schreiber kein Islamwissenschaftler, kein Sozialforscher und kein Islamischer Religionspädagoge. Mit welcher Expertise bewertet er diese Ergebnisse? Aus seinen Erfahrungen, das reicht zumindest für eine narrative Reportage. Aber es reicht nicht, um zu wissen, wie Moscheedidaktik funktioniert, es reicht nicht, um Islamische Strömungen zu kennen, es reicht nicht, um soziologische Prozesse zu beurteilen. Wieso hat man keinen einzigen muslimischen Theologen, Religionspädagogen, Soziologen befragt, der für eine sachliche Herangehensweise an dieses wichtige Thema steht?

Was erlauben Constantin Schreiber?

Na was haben wir denn da? Eine selbsternannte Islamwissenschaftlerin moniert, dass ein Journalist ihr den Schneid abkauft?  Oder ist es die Tatsache, dass ein deutscher Journalist, der ausschaut wie Ken aus der Barbie-Werbung und dummerweise perfekt Arabisch spricht, Milljöh-Berichte abliefert, wie man sie in Deutschland eher von Günter Wallraff kennt? Zur Erinnerung: Constantin Schreiber ist in Syrien aufgewachsen, spricht also fließend Arabisch und hat bereits für arabische TV-Sender gearbeitet, bevor er bei der ARD anheuerte. Für seinen „Moscheereport“ und sein aktuelles Buch besuchte er verschiedene Moscheen in Deutschland sprach mit Besuchern und Imamen und stellte fest, dass sein bekanntes Gesicht dafür sorgte, dass der Zuckerguss aus Harmonie und Frieden noch ein wenig dicker wurde, als er angenommen hatte. Bis er in cognito kam oder Mitarbeiter schickte. Dann war die Rede der Imame nicht mehr so harmoniebesoffen, dann war Integration plötzlich Sünde, westlicher Lebensstil abzulehnen und der Islam erschien plötzlich sehr viel weniger um Frieden bemüht.

Was Frau Kaddor jedoch so zornig macht ist die Tatsache, dass sie nicht konsultiert wurde. Niemand wollte wissen, wie sie als Pädagogin und Islamkennerin über das denkt, was Constantin Schreiber in seinen Recherchen herausgefunden hat. Niemand fragte sie, welchen Filter man einsetzen solle, um das gesehene und erlebte richtig und möglichst positiv zu interpretieren. Kaddor spricht Schreiber „Moscheedidaktik“ ab und man möchte aufspringen und fragen, was diese Didaktik taugt, wenn selbst fünf Schüler von Frau Kaddor sich dem IS in Syrien und Irak angeschlossen haben.

Man möchte fragen, was Frau Kaddor all die Jahre getan hat und wie es sein kann, dass in Moscheen in Deutschland heute noch solche Botschaften verbreitet werden und wir von ihr nie dergleichen erfahren haben und wozu es all die Dialogforen und Islamkonferenzen eigentlich gibt. Wo war all die Expertise von Frau Kaddor, ihre Islamwissenschaft, ihr Pädagogischer Weitblick und Sozialforschung, wenn es eines arabisch-sprachigen deutschen Journalisten bedurfte, um ans Licht zu bringen, was bisher als rassistisches Vorurteil galt: die gigantischen Anpassungsprobleme des Islam in Bezug auf eine freiheitliche westliche Demokratie.

Stolzierender kaiserlichen Gockel der Nacktheit

Schreiber ist wie das Kind aus Andersens „Des Kaisers neue Kleider“, dass den stolzierenden kaiserlichen Gockel der Nacktheit zeiht, während sich dessen Lakaien bemühen, die Eleganz des Gewands zu preisen, das den Kaiser gar vorzüglich kleide. Allesamt Experten. Experten der Beschwichtigung und der Lüge, des Schmeichelns und der vorteilhaften Prophezeiung, des „Später, später…wird schon, wird schon“ und „Islam heißt Frieden“ – wenn da nicht solche Leute wie Schneider wären, die einfach das machen, was sie als Journalisten eigentlich auch tun sollten: Genau hinschauen, mitschreiben, berichten – auch voller Empathie aber nicht von ihr getrieben.

Ich möchte auch in Zukunft nicht erst einen Koran-Exegeten konsultieren müssen, um mir ein Urteil über eine Sache bilden zu dürfen, die mich direkt und unmittelbar betrifft. Deshalb halte ich mich auch zukünftig im Zweifel eher an die Beobachtungen von Menschen, deren Urteil und Sozialisierung eher der meinen entspricht, als einer selbsternannten Expertin zu vertrauen, deren Absichten mir so suspekt und zutiefst egoistisch erscheinen wie die von Frau Kaddor. Denn wenn der Islam, der in deutschen Moscheen gepredigt wird, von wohlmeidenden Exegeten vom Schlage Kaddors weichgewaschen und übersetzt werden muss, bevor ich von diesen Worten Kenntnis erhalten darf, ist er wohl kaum vereinbar mit der heiligen Schrift, die hierzulande für alle gilt: dem Grundgesetz.

Und als Antwort auf ihre Frage, Frau Kaddor, warum man die Beantwortung der Frage nach der Gefährlichkeit einer Moschee nicht den Experten überlässt, möchte ich ihnen eine einfache Gegenfrage stellen: Welchen Experten denn?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt hier.

Foto: Stefan Klinkigt

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Leane Kamari / 02.04.2017

Super, vielen Dank für ihre offenen Worte. Davon ist in den üblichen Medien leider nichts zu vernehmen.

Paul Franke / 02.04.2017

Danke für diesen Text. Ich habe es nicht im TV gesehen, aber ich habe das Buch gelesen. Es ist fair geschrieben und kann gut differenzieren. Auf das Buch wurde ich aufmerksam durch einen Artikel im "Stern" - in dem 2 Journalisten Herrn Schreiber dauernd so kritisch hinterfragten bezüglich den Inhaltes, dass ich dachte: Wenn jemand über die AfD so schreiben würe, würde er wohl kaum so kritisch dauernd hinterfragt werden!

Karla Kuhn / 02.04.2017

" Die selbsternannte Islam-Expertin Lamya Kaddor hyperventiliert mächtig, weil Schreiber einfach recherchierte statt sich von ihr vorher astrein wissenschaftlich und ideologisch briefen zu lassen." So hätte es die Dame wohl gerne. Die Moscheen sind öffentlich, so wie die Kirchen, da hat jeder das Recht sie zu besuchen und darüber zu schreiben. Wenn es Frau Kaddor nicht paßt, dann ist es ihr Problem. Was zeichnet diese Frau übrigens als "Islam Expertin " aus ? In Deutschland gibt es an jeder Ecke "Experten" ich muß jedesmal lachen, wenn ich das Wort höre. Ich kenne Herrn Schreiber nicht. Aber es ist gut und war nötig, daß er recherchiert hat.

Ines Parthum / 02.04.2017

Hallo, liebes Achse-Team,toller Artikel von Roger Letsch!Einen Kritikpunkt muss ich leider äußern: Die Karikatur/das Foto stammt von Stefan KLINKIGT! ;)Liebe Grüße und einen schönen Sonntag wünsche ich.Ines Parthum

Ulla Smielowski / 02.04.2017

Dank des Links konnte ich das lesen, was Frau Kaddor schrieb... Ich hätte es sonst nicht glauben können, dass jemand soetwas schreibt... Jedenfalls sind einige Journalisten unterwegs, die immer wieder das schreiben, was den "Eliten" guttut, aber strikt gegen das Volk sind. So gibt es auch für andere Gebiete Journalisten wie z.B. Julia Friedrichs "Wir Erben", die z.B. schreibt, Erben zahlten keine Steuern... Jedoch wird ab 78.000 € 20% Steuern gezahlt, vorher nur 15 %, Freisumme von 20.000 €. Eine Stimmungsmache gegen die Erben kleinerer Summen. Die Gesetze sind dann so ausgelegt, dass dann auch noch höher veranlagt wird, z.B. für Immobilien und es unmöglich ist dagegen etas zu machen, weil das dann mal eben nochmals zusätzlich 1.000 € mehr sind, der Gutachter aber mal eben 2.000 € kostet.Der Spiegel schreibt in einer Ausgabe der letzten Zeit etwas davon, wie überholt die Ehe doch ist und der Mensch allgemein doch eher zur Vielfalt in der Beziehung neigt, zieht hier als Beispiel eine Scarlett Johannson, Schauspielerin heran. Dieser neuen Denkweise widmet der Spiegel einen ganzen Artikel.Müsste da die Kirche nicht protestieren... Ich habe die Lust verloren derartige Blättchen zu lesen.Aber dann werden Journalisten wie Julia Friedrichs auch noch hoch geehrt mit Preisen, weil sie sich an ihren Schreibtisch setzte und mal eben aus dem hohlen Bauch heraus schrieb.... Bei ihr und anderen geht es auch ohne Recherche, dafür bekommen diese Journalisten auch noch höchstes Lob..

Frank Stricker / 02.04.2017

Toller Beitrag Herr Letsch !Genauso stelle ich mir Islamkritik vor, witzig, aber in der Sache unerbittlich.Ich gehe mal davon aus, dass der Begriff "Moscheedidaktik" in die engere Wahl zum Wort des Jahres gewählt wird......Herrlich zu sehen wie eine staatlich geprüfte "Islam-Besserwisserin" Amok läuft wenn sie mit der Realität konfrontiert wird.Fehlt jetzt nur noch der Kommentar von Fachfrau Özoguz,, die betreffenden Imame mit Samthandschuhen anfassen.

peter luetgendorf / 02.04.2017

Sehr geehrter Herr Letsch,Constantin Schreiber ist ein Gewinn für die Diskussion. Frau Kaddor ist ein trauriger Fall. GrußPeter Lütgendorf

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