Wer Schulden aufnimmt, muss Zinsen zahlen. Wenn der Staat Schulden aufnimmt, muss der Steuerzahler die Zinsen zahlen. Mit steigender Verschuldung steigen auch die Zinsen. Eine kleine Rechnung, was das für Sie persönlich bedeutet.
Derzeit wiederholt sich die Geschichte. US-Präsident Donald Trump ist, wie wir kürzlich gezeigt haben, in der Rolle seines Amtsvorgängers Herbert Hoover, der im November 1928 gewählt wurde und mit seiner Zollpolitik erst die Börsen abschmieren ließ und dann die Wirtschaft in die Krise stürzte. Eine interessante Parallele ist übrigens auch, dass der Dow Jones noch im September 1929 mit 381 Punkten ein Allzeithoch erreichte; offenbar glaubten damals noch viele, das mit den Zöllen — ein Versprechen, mit dem Hoover 1928 Wahlkampf gemacht hatte – werde schon nicht so schlimm werden.
Friedrich Merz wiederum steht für das Deutschland von 1914 bis 1923, also das von Staatsverschuldung und Hyperinflation. Um seine zerstörerische Rolle wirklich zu würdigen, sollte man sich vor Augen führen, wie Merz selbst noch vor kurzem redete.
Dezember 2024:
„Wir können mit Schuldenbremse – ich will Ihnen einfach nur mal die Zahlen für die Jahre 2024 und 2025 sagen – wir können mit Schuldenbremse in jedem dieser beiden Jahre nochmal zusätzlich 50 Milliarden Euro Schulden machen. In zwei Jahren 100 Milliarden. Das ist so viel wie der Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen. (…) Frau Maischberger, ich will Ihnen mal sagen, warum ich bei der Schuldenbremse so klar bin. Die spart oder die schützt, sagen wir es besser so, die schützt das Geld und die Steuerzahlungen der jungen Generation. Und jetzt sitzen hier einige aus der jüngeren Generation. Sollen wir deren Geld heute schon ausgeben, weil wir mit dem, was wir haben, nicht auskommen? Wir nehmen 1000 Milliarden Euro Steuern ein pro Jahr – eine Billion. Und damit sollen wir nicht auskommen?"
Juli 2024:
„Die Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz angelegt ist, ist richtig. Sie hat bis heute dafür gesorgt, dass wir eben nicht zu hohe Schulden machen. Sie gibt viele Spielräume."
Man habe aktuell keine Notlage, so Merz im Dezember 2023, "die so groß ist, dass wir nun noch mehr Schulden machen müssen“. Für die bereits vorhandenen Schulden werde der Bund 2024 40 Milliarden Euro Zinsen zahlen. „Das ist mehr als der ganze Landeshaushalt des Landes Hessen.“
Im August 2023 schrieb der CDU-Politiker in einer „MerzMail“ an die Bürger:
„Nach mehr als 500 Milliarden Euro neuen Schulden, die allein der Bund seit 2022 angehäuft hat, muss jetzt Schluss sein mit dieser hemmungslosen Staatsverschuldung. Der Kapitaldienst für die bestehende Verschuldung des Bundes beläuft sich schon heute auf 40 Milliarden Euro. Und diejenigen, die in der Umwelt- und Klimapolitik so gern über Nachhaltigkeit sprechen, haben offenbar überhaupt kein Problem damit, den nächsten Generationen in Deutschland einen Schuldenberg zu hinterlassen, den sie ohne Wohlstands- und Einkommensverluste kaum noch abtragen können. Gut also, dass das Grundgesetz wenigstens an dieser Stelle die junge Generation vor noch höheren Schulden schützt., Beste Grüße, Ihr Friedrich Merz“
Und im November 2024 versprach er, eine Aufweichung der Schuldenbremse werde seine Fraktion nicht mitmachen: „Vergesst es.“
7,85 Billionen Euro Zinszahlungen
Bund, Länder und Gemeinden sowie ihre Extrahaushalte waren Ende 2023 mit knapp 2.500 Milliarden Euro verschuldet. Bei einem Zinssatz von vier Prozent müssen darauf pro Jahr 100 Milliarden Euro Zinsen gezahlt werden. Reicht das Geld – etwa bei einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage – nicht aus, um die Zinsen zurückzuzahlen, so dass auch für die Zinszahlung neue Schulden aufgenommen werden müssten, ergäbe sich ein Zinseszinseffekt: Bei einem Zinssatz von vier Prozent pro Jahr würden daraus innerhalb von 30 Jahren Schulden in Höhe von 8,1 Billionen Euro. Davon wären 5,6 Billionen Euro Zinszahlungen.
Friedrich Merz, noch nicht im Amt, hat beschlossen, die Schulden auf einen Schlag um eine weitere Billion zu erhöhen. Wir gehen nun also nicht mehr von 2,5 Billionen aus, sondern von 3,5 Billionen.
Daraus würden in 30 Jahren 11,35 Billionen Euro, wieder mit einem konservativen Zinssatz von vier Prozent gerechnet. Die Zinszahlungen belaufen sich in diesem Zeitraum auf 7,85 Billionen Euro oder 261 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Der Verteidigungshaushalt hat ein Volumen von 51,95 Milliarden Euro beziehungsweise 72 Milliarden inklusive „Sondervermögen“. Nur die Zinszahlungen verschlingen also pro Jahr mehr als dreimal so viel wie die Bundeswehr.
4.000 Euro pro Jahr oder 333 Euro pro Monat für jeden Erwerbstätigen
Nun haben Länder wie Griechenland die Erfahrung gemacht, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass Zinsen unverändert bleiben. Wenn die Verschuldung steigt, verlangen die Gläubiger höhere Zinsen für das höhere Risiko, das sie eingehen. Außerdem ist Deutschland ja nicht das einzige Land der Welt, das gerade seine Verschuldung nach oben schraubt. Überall auf der Welt wetteifern Regierungen darin, befinden sich in einer Art Wettlauf um knappes Kapital. Auch das treibt die Zinsen in die Höhe. Bei einem Zinssatz von 4,8 Prozent, wie ihn deutsche Bundesanleihen im Jahr 2008 erreichten — das ist also nicht so lange her — würden aus 3,5 Billionen innerhalb von 30 Jahren 14,3 Billionen. Davon wären 10,8 Billionen Euro Zinszahlungen. Das sind 360 Milliarden Euro pro Jahr. So viel gaben die USA im Jahr 2002 für ihr Militär aus. Auch diese Rechnung wieder mit Zinseszins.
Wie viel zahlt davon der einzelne Steuerzahler? In Deutschland gibt es etwa 46 Millionen Erwerbstätige. Nehmen wir die Rechnung mit einem Zinssatz von vier Prozent und Zinsen von 5,6 Billionen in 30 Jahren, dann muss jeder Erwerbstätige also 121.000 Euro Zinsen zahlen. Das sind 4.000 Euro pro Jahr oder 333 Euro pro Monat.
Nun könnten die Staatsoptimisten die Behauptung einwenden, die Zinsen würden der eskalierenden Staatsverschuldung zum Trotz in Zukunft so niedrig bleiben, wie sie derzeit sind. Das widerspräche der Logik und der historischen Erfahrung, aber machen wir die Rechnung mit der aktuellen Bundesanleihenrendite von 2,9 Prozent (für 30-jährige Anleihen). Dann würde die Schulden nur auf einen Stand von 8,25 Billionen steigen, davon wären 4,75 Billionen Euro Zinsen. Gerechnet auf 46 Millionen Erwerbstätige wären das rund 100.000 Euro oder 3.333 pro Jahr. Pro Monat 277,75 Euro für Zinsen.
Wir haben hier, wie gesagt, mit einem Zinseszinseffekt gerechnet, also angenommen, dass die Zinsen durch neue Schulden „bezahlt“ werden. Werden in jedem Jahr die Zinsen aus dem Haushalt bezahlt, ohne dass dies die Verschuldung erhöht, sieht die Rechnung anders aus. Auf 3,5 Billionen werden dann pro Jahr bei vier Prozent Zinsen jedes Jahr nur 140 Milliarden Euro Zinszahlungen fällig. Mal 30 macht 4,2 Billionen. Das ist etwas günstiger, aber immer noch ein Betrag, für den eine alte Frau lange stricken muss.
Inflation und Staatsbankrott
Wir haben oben ferner angenommen, dass die Belastungen nur von Erwerbstätigen aufgebracht werden. Realistischerweise könnte es aber auch Transfer- und Rentenempfänger erwischen – durch Kürzungen.
Ein anderer Effekt der Staatsschulden ist die Inflation: Das neue Geld treibt die Preise in die Höhe, angefangen dort, wo es in das Wirtschaftssystem eintritt. Zuerst verteuern sich Artilleriegranaten und Windräder, aber da das Geld durch die ganze Wirtschaft sickert, treibt es nach und nach überall die Preise nach oben.
Eine drastische Erhöhung der Verschuldung kann die Währung eines Landes zerstören. In seinem Buch The Economic Consequences of Peace (Die wirtschaftlichen Folgen des Friedens) von 1919 schreibt John Maynard Keynes, Lenin habe erklärt, der „beste Weg zur Vernichtung des kapitalistischen Systems“ sei die „Zerstörung der Währung“. Durch einen „kontinuierlichen Prozess der Inflation“ könnten Regierungen „insgeheim und unbeobachtet einen großen Teil des Reichtums ihrer Bürger konfiszieren“. Auf diese Weise „konfiszieren sie nicht nur, sondern sie konfiszieren willkürlich und während dieser Prozess viele verarmen lässt, macht er andere reicher“. Diejenigen, denen dieses System einen Gewinn bringe, der weit über ihren Erwartungen liege, würden zu „Profiteuren“ und für die „Bourgeoisie, die durch die Inflation ebenso verarmt ist wie das Proletariat“ zum Gegenstand des Hasses. Keynes schreibt:
„Indem die Inflation voranschreitet und der Wert der Währung von Monat zu Monat wild hin- und herschwankt, werden alle permanenten Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger, welche letztlich die Basis des Kapitalismus bilden, so in Unordnung gebracht, dass sie beinahe bedeutungslos werden und der Prozess der Vermögensbildung zu Glücksspiel und Lotterie degeneriert. … Der Prozess bringt alle versteckten Kräfte der ökonomischen Gesetze auf die Seite der Zerstörung und tut dies auf eine Weise, die nicht einer unter einer Million zu diagnostizieren in der Lage ist.“
Und folgert: „Lenin hat sicherlich Recht: Es gibt keinen subtileren, sichereren Weg, die Basis der Gesellschaft umzustülpen, als die Währung zu zerstören.“
Durch die Merzschulden steigt die Staatsverschuldung Deutschlands auf 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, weit über den 60 Prozent, die der – völkerrechtlich bindende –Maastrichtvertrag erlaubt. Wo sind die, die sonst immer damit argumentieren, das Deutschland sich an europäisches Recht halten müsse?
Das Kriterium der 60 Prozent wurde nicht willkürlich gewählt. Dies ist eine Schwelle, ab der das Risiko eines Staatsbankrotts deutlich ansteigt – wobei man, wie die Ökonomen Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff in ihrem Buch "Dieses Mal ist alles anders" gezeigt haben, auch Fälle gibt, in denen ein Bankrott bei einer niedrigeren Verschuldung stattfindet. Grundsätzlich aber gilt, dass ein Land umso anfälliger für eine Krise und Staatsbankrott ist, je höher die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft. Deutschland gibt anderen EU-Ländern ein sehr schlechtes Beispiel, die alten Wege, die in die Krise geführt haben, erneut zu beschreiten.
Reinhart und Rogoff schreiben: „Hoch verschuldete Ökonomien, vor allem solche, bei denen eine kontinuierliche Prolongierung kurzfristiger Schulden nur von Marktvertrauen gestützt wird, überleben solche Schuldentürme nur selten langfristig, insbesondere wenn die Schulden unkontrolliert weiter anwachsen. Dieses Mal mag zwar alles anders erscheinen, meistens wird bei einer eingehenden Betrachtung jedoch deutlich, dass nichts anders ist als sonst.“
In seinem Buch 1923. Ein deutsches Trauma schreibt der Historiker Mark Jones, auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 habe die Reichsbank bis zu 30 Papiermühlen, 130 Druckereien und 7.500 Arbeiter beschäftigt, „die allesamt rund um die Uhr arbeiteten, um immer mehr Geld zu drucken“. Was für ein Aufwand. Jetzt wissen wir, was die Vorteile des elektronischen Geldes sind. Die Merzflation wird nicht so viel Papier verschlingen.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).