Gastautor / 24.09.2017 / 16:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 5 / Seite ausdrucken

Was die Jusos über die Zukunft der SPD verraten

Von David Knappe.

Wer wissen will, welche politischen Themen in naher Zukunft en vogue sein könnten, sollte einen Blick auf die Jugendorganisationen unserer Parteienlandschaft wagen. Die rebellischen Ableger bringen ihre Mutterparteien oft genug zur Verzweiflung – seien es absurde Forderung wie das Wahlrecht ab Null Jahren (Jusos Bayern) oder  Provokationen à la Urinbesprenkeln der Deutschlandfahne (Grüne Jugend). Nichtsdestotrotz sind Quereinsteiger in der deutschen Politik selten und so muss man suchen, wo sich der Nachwuchs rekrutiert, um später den Marsch durch die Institutionen anzutreten.

Die Jusos sind wahrscheinlich die bekannteste Jugendorganisation im Land. Laut Eigenbeschreibung sind sie „sozialistisch und internationalistisch“ eingestellt und ein „feministischer Richtungsverband“. Ihre Hauptthemen sind Antirassismus, (Queer-) Feminismus, soziale Gerechtigkeit, sowie Flucht und Migration.

Klar, gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Chauvinismus zu sein, gehört zum Grundrepertoire eines Sozialisten. Erweitert wird dieses mit dem Kampf gegen die AfD und Kritiker ungebremster Einwanderung.  Wie die Jusos den Widerspruch von Antisemitismusbekämpfung und Massenzuwanderung aus dem islamischen Kulturraum auflösen, bleiben sie allerdings schuldig.

Der zweite Punkt befasst sich mit (Queer-) Feminismus. Kein Unsinn wird ausgelassen, ob Gender-Pay-Gap oder die „gläsernen Decken”, die Frauen von Spitzenpositionen fernhalten, Frauenquote, Intersektionalismus, Kampf dem Patriarchat, Sexismus, gendergerechte Sprache - die ganze Palette Third-Wave-Feminism wird komprimiert geliefert. Das nächste Highlight ist Transphobie.

Verwerflich ist nicht der Einsatz für bessere Lebensbedingungen von Transgendern, sondern die politische Instrumentalisierung im Namen dubioser, pseudowissenschaftlicher Gender-”Theorien”. Dass der Großteil der Bevölkerung noch nie einen Transgender bewusst auf der Straße gesehen hat, die Einstellungen ihnen gegenüber nie ermittelt wurde, scheint unerheblich. Pauschale Unterstellungen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft kommen erfahrungsgemäß immer gut an.

Das Juso-Milieu sind die Seminarräume der Geistes- und Sozialwissenschaften

Wie verhält es sich mit dem Markenkern der SPD, der sozialen Gerechtigkeit? Nie würden die Jusos diesen Punkt als unwichtig erachten, allerdings lohnt ein Blick auf den Bildungsgrad der Landesvorstände aller Juso-Landesverbände und siehe da, ungefähr 85 Prozent  von ihnen lassen sich in die Kategorie Gymnasiast/Student/akademischer Titel einordnen. Damit wird das Dilemma des SPD-Nachwuchses klar. Sie sind nicht mehr im sozialen Milieu der Arbeiter verhaftet, im Gegenteil, ihr Milieu sind die Seminarräume der Geistes- und Sozialwissenschaften.

So lässt sich nahtlos an das letzte große Themengebiet anschließen: Flucht- und Migration. Dieses wird gerne mit Punkt Nummer eins kombiniert. Es wird klar, dass der Flüchtling/Migrant den Arbeiter trotz Gerechtigkeitsrhetorik ersetzt hat. Die Substituierung des Arbeiters als revolutionäres Subjekt durch den “edlen Wilden” ist im vollen Gange. Somit unterscheiden sich die SPD-Jünglinge mit ihrer Themenwahl bestenfalls marginal von der Grünen Jugend oder Linksjugend Solid, was bei zukünftigen Wahlkämpfen problematisch sein dürfte.

Fassen wir zusammen und stellen fest, dass die Jusos mit ihren Themen nicht verstanden haben, welche Dynamik immer mehr Arbeiter Afd wählen lässt und warum die Mehrheit der Arbeiter für den Front National, den Brexit und Donald Trump gestimmt hat. Die postmoderne Linke ist gefangen im Netz der Identitätspolitik.

Stellt sich die Frage, ob die Jusos nach einer möglichen Wahlniederlage der Mutterpartei den Arbeiter wiederentdecken, postmoderne Ideen verwerfen oder weiter auf der Welle der Identitätspolitik reiten. Ob Migranten, Mittelstandsfrauen oder sexuelle Minderheiten: Wer nur Klientelpolitik betreibt, darf sich nicht beschweren, wenn er auch prozentual in die Nähe der Klientelparteien rückt.

David Knappe ist Student der Geschichts-/Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Klaus Reichert / 24.09.2017

Da die letzten Konservativen, oder besser Realisten, in der SPD - Führung schon weg sind (Schröder, Müntefering, Steinbrück), oder so langsam aussortiert oder weggelobt werden (Steinmeier, vielleicht Gabriel), sehe ich eine Besinnung der SPD auf die “hart arbeitenden” Bürger in weiter Ferne. Erstmal ist Schulz da. Der will mehr Umverteilung nach Südeuropa und strebt Rot-Rot-Grün an. Das ist ganz im Sinne der im Artikel beschriebenen Jungpolitiker und der Lafontaine - geschulten Funktionärsschicht (600 von 600 Delegiertenstimmen dafür). Nur der Wähler will das nicht. Und was, bzw. wer kommt dann? Und auch: kann man gegen die 600 Delegierten regieren? Wenn man sich an die Kanzlerschaften Schröder und Schmidt erinnert, dann haben die immer gegen ihre Partei regiert und sind am Ende von ihr besiegt worden. Rosige Aussichten für die Roten sehe ich nicht.

Wilfried Cremer / 24.09.2017

Die Seife, aus der der ganze Genderschaum geschlagen wird, ist Männerhass bzw. Männerselbsthass. Das ist hinter all dem Sprühnebel natürlich absichtlich nicht mehr zu erkennen.

Dr. Klaus Rocholl / 24.09.2017

... “Sozial”- Wissenschaften - na meinetwegen. Das steht ja bei denen im Namen und ist Programm. Aber Jusos und Geist? Doch wohl eher eingeschränkt! (... was leider auch auf einen nicht kleinen Teil dessen zutrifft, was man früher mal als Geisteswissenschaften bezeichnete.)

Thomas Nuszkowski / 24.09.2017

ZITAT: “Stellt sich die Frage, ob die Jusos nach einer möglichen Wahlniederlage der Mutterpartei den Arbeiter wiederentdecken, postmoderne Ideen verwerfen oder weiter auf der Welle der Identitätspolitik reiten.” Unwahrscheinlich. Die haben zwar studiert, aber wer sich mit dem ganzen Gendergedöns beschäftigt, so als gäbe es nichts wichtigeres, der hat - Studium hin oder her - sowieso nicht alle Tassen im Schrank und checkt nichts. Das ist eine verlorene Generation. Stimmen für die SPD sind verlorene Stimmen. Die SPD ist nicht länger eine Volkspartei sondern auf dem Weg zur Nischenpartei.

Karla Kuhn / 24.09.2017

“... ihr Milieu sind die Seminarräume der Geistes- und Sozialwissenschaften.” Da sollen sie bleiben, von mir aus 50 Semester. Hauptsache sie verschonen uns.

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