Gastautor / 01.10.2024 / 14:00 / Foto: Imago / 26 / Seite ausdrucken

Was die israelische Bodeninvasion im Libanon bezweckt

Von Gregg Roman.

Die ausgedehnte israelische Bodeninvasion im Südlibanon ist Bestandteil einer umfassenden Kriegsführung zur Zerschlagung der Hisbollah und ihres gesamten Systems. Die kommenden Tage werden entscheidend sein.

Israel hat eine umfangreiche Bodeninvasion im Südlibanon gestartet und damit eine dramatische Eskalation des Konflikts mit der Hisbollah eingeleitet. Dieser Schritt, der vom israelischen Sicherheitskabinett genehmigt wurde, stellt eine wesentliche Änderung der israelischen Kriegsstrategie dar.

Die Invasion folgt auf eine Reihe äußerst wirksamer Operationen, die die Fähigkeiten der Hisbollah erheblich geschwächt haben. In einer bahnbrechenden Aktion brachte Israel Tausende von Kommunikationsgeräten der Hisbollah, darunter Pager und Funkgeräte, in einem einzigen koordinierten Schlag zur Explosion. Durch diese Operation wurden die Kommando- und Kontrollstrukturen der Hisbollah gestört, so dass 1.500 Kämpfer außer Gefecht gesetzt wurden.

Danach führten die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) einen Präzisionsangriff durch, bei dem Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere 31 hochrangige Kommandeure, also die Führung ausgeschaltet und damit die Organisation enthauptet wurde. Diese Präventivmaßnahmen bilden die Grundlage für die jetzige Bodeninvasion und schränken die Möglichkeiten der Hisbollah, eine wirksame Verteidigung oder einen Gegenangriff zu starten, erheblich ein.

Die IDF bestätigten, dass sie „mit ‚begrenzten, lokalisierten und gezielten‘ Angriffen gegen Terrorziele der Hisbollah im Grenzgebiet des Südlibanon begonnen haben“. Ausmaß und Intensität der Operation lassen jedoch auf eine umfangreichere Kampagne schließen, als zunächst angenommen. Der Befehlshaber des IDF-Nordkommandos, Generalmajor Ori Gordin, ist mit den Kommandeuren der 98., 91. und 36. Division zusammengetroffen, um Pläne für eine Ausweitung der Kämpfe im Norden zu genehmigen, was auf eine gut koordinierte und möglicherweise länger andauernde Operation hindeutet.

Konflikt bereits über die Grenzen des Libanon hinaus ausgeweitet

Israelische Spezialkräfte und andere Einheiten sind in den Südlibanon eingedrungen und haben dabei sowohl Tunnel als auch Landwege benutzt. Diese Angriffe zielen darauf ab, das Gebiet auf eine groß angelegte Invasion vorzubereiten und die militärische Infrastruktur der Hisbollah entlang der Grenze ins Visier zu nehmen. Die IDF haben 155-mm-Panzerhaubitzen des Typs M109A5 „Dohar“ in der Region Obergaliläa stationiert, um die vorrückenden Truppen nachhaltig mit Artillerie zu unterstützen. Ziel dieses mehrgleisigen Angriffs ist es, die Raketenwerfer, Waffenlager und unterirdischen Einrichtungen der Hisbollah zu zerstören.

Die Invasion hat bereits zu bedeutenden Ergebnissen geführt. Die IDF gaben bekannt, dass Eid Hassan Nashar, der Kommandeur der Mittelstreckenraketen der Hisbollah, bei einem Präzisionsangriff in den südlichen Vororten von Beirut ausgeschaltet wurde. Israel hat alle hochrangigen Führungskräfte der Hisbollah-Raketenstreitkräfte ausgeschaltet, darunter mehrere regionale Kommandeure und Offiziere.

Der Konflikt hat sich über die Grenzen des Libanon hinaus ausgeweitet. Israelische Luftangriffe zielten auf den Stadtteil Mezzeh im Südwesten von Damaskus, wahrscheinlich ein gezieltes Attentat. Syrische Staatsmedien behaupteten, die Luftabwehr habe mindestens drei Wellen israelischer Luftangriffe auf die Hauptstadt abgewehrt. Diese grenzüberschreitende Operation zeigt, dass Israel entschlossen ist, die Unterstützungsnetzwerke der Hisbollah in der gesamten Region zu unterbrechen.

Israels technologische Fähigkeiten haben bei der Operation eine entscheidende Rolle gespielt. Die IDF haben mehrere Raketenstarts aus dem Libanon erfolgreich abgefangen, darunter die ballistische Kurzstreckenrakete „Noor“ der Hisbollah, die auf die Stadt Kfar Giladi abgefeuert wurde. Darüber hinaus neutralisierte die israelische Luftwaffe ein unbemanntes Luftfahrzeug Dutzende von Kilometern vor der israelischen Zentralküste in der Nähe von Tel Aviv und stellte damit ihre erweiterten Verteidigungsfähigkeiten unter Beweis.

Ehrgeizige Ziele der Operation

Die Invasion hat unmittelbare Auswirkungen vor Ort gezeigt. Die libanesische Armee hat sich aus mehreren Stellungen entlang der Grenze zurückgezogen und sich in die Nähe des Litani-Flusses verlagert. Auch die UNIFIL-Truppen (United Nations Interim Force in Lebanon) haben mit der Evakuierung ihrer Stellungen in Grenznähe begonnen. Durch diesen Rückzug entsteht ein Machtvakuum, das Israel zu füllen versucht, um seine Sicherheitsziele zu erreichen.

Die Eskalation hat direkte Auswirkungen auf die israelische Zivilbevölkerung. Die IDF hat ein militärisches Sperrgebiet in der Nähe der Gemeinden Metula, Meshgav Am und Kfar Giladi in der Region Obergaliläa ausgerufen. Die Bewohner von Kiryat Shmona und anderen nördlichen Gemeinden müssen sich bis auf weiteres in der Nähe von Schutzgebieten aufhalten. An verschiedenen Orten, darunter Meron, Shatula und Zarit, wurden Sirenen der Alarmstufe Rot ausgelöst, da die Hisbollah weiterhin Raketen auf den Norden Israels abfeuert.

Die internationale Gemeinschaft hat rasch auf diese bedeutende Entwicklung reagiert. Das Pentagon verlegt mehrere Tausend zusätzliche amerikanische Truppen und Kampfflugzeuge in den Nahen Osten, was die potenziell weitreichenden regionalen Auswirkungen unterstreicht. Die deutsche Botschaft in Beirut hat die Evakuierung von nicht benötigtem Personal und gefährdeten deutschen Staatsangehörigen aus dem Libanon angekündigt.

Die diplomatischen Bemühungen Israels waren ebenso nachdrücklich. Außenminister Israel Katz hat seine Amtskollegen in mehreren Ländern, darunter die Vereinigten Staaten und Deutschland, darüber informiert, dass es im Libanon keinen Waffenstillstand geben wird und dass die Kampagne erst mit der Auflösung der Hisbollah enden wird. Diese Haltung unterstreicht die ehrgeizigen Ziele der Operation und das Potenzial für einen langwierigen Konflikt.

Zahl der zivilen Opfer so gering wie möglich halten

Die wirtschaftliche Dimension dieses Konflikts ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung. Israel nimmt weiterhin die Finanznetze, den Drogenhandel und die Bankverbindungen der Hisbollah im Libanon ins Visier, um der Organisation ihre wirtschaftlichen Lebensgrundlagen zu entziehen. Dieser vielschichtige Ansatz kombiniert militärische Maßnahmen mit einer aggressiven Wirtschaftskriegführung, um die Fähigkeiten der Hisbollah zu schwächen.

Im Verlauf der Invasion steht Israel vor der Herausforderung, militärische Ziele mit der internationalen öffentlichen Meinung und dem Risiko eines größeren regionalen Konflikts in Einklang zu bringen. Die Bemühungen der IDF, die Zahl der zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten, wie zum Beispiel die Evakuierungswarnungen für die Bewohner des Beiruter Vororts Dahieh zeigen, dass sie sich dieser Bedenken bewusst sind. Die Intensität des Angriffs, einschließlich der Angriffe in der Nähe des internationalen Flughafens Rafic Hariri, zeigt jedoch die Entschlossenheit Israels, seine strategischen Ziele ungeachtet des internationalen Drucks zu erreichen.

Diese umfassende Kriegsführung gegen die Hisbollah stellt einen Paradigmenwechsel im Kampf gegen nichtstaatliche Akteure dar. Durch den gleichzeitigen Einsatz an militärischen, technologischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Fronten bekämpft Israel nicht nur die derzeitigen Fähigkeiten der Hisbollah, sondern zerschlägt ihr gesamtes Ökosystem. Der Erfolg oder Misserfolg der Operation wird wahrscheinlich die globalen Strategien zur Terrorismusbekämpfung auf Jahre hinaus beeinflussen und möglicherweise neu definieren, wie Nationen mit Bedrohungen durch nichtstaatliche Akteure mit staatsähnlichen militärischen Fähigkeiten umgehen.

Angesichts der raschen Entwicklung der Lage richten sich alle Augen auf den Südlibanon und die Nordgrenze Israels. Die kommenden Tage werden entscheidend sein für den Umfang und die Dauer dieser Operation und ihre Auswirkungen auf die gesamte Nahostlandschaft. Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Vereinigten Staaten, müssen sich mit den Auswirkungen dieser Eskalation und ihrem Potenzial, die regionale Machtdynamik neu zu gestalten, auseinandersetzen.

Dieser Beitrag erschien im Middle East Forum.

Gregg Roman ist der Direktor des Middle East Forums.

Foto: Imago

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Leserpost

netiquette:

Ulla Schneider / 01.10.2024

Israel wird gerade massiv beschossen! Shalom Israel, ich bete für Euch. Der Herr segne und behüte euch!

Markus Weber / 01.10.2024

Wenn man mal vermuten wollte, dass sich “Verhältnisse” besonders dann “normalisieren” lassen, wenn es sich bei den Konfliktparteien um “normale” oder “normalisierte” Nationen handelt, dann ist den notorisch mit Sonderrechten ausgestatteten Nationen wie z.B. Israel oder den USA eine möglichst baldige und gründliche Gesundung durch Normalisierung zu wünschen. Vor Ihrer “Freundschaft” und ihrem “Frieden” ist weltweit niemand sicher. Zum Heer der normalisierten Nationen gehören aber nur die, die schon mal durch eine empfindliche militärische Niederlagegegangen sind. Das scheint bei beiden noch auszustehen. Könnte aber sein, dass dieses Sich-Tode-Siegen der USA in Vietnam, Afghanistan und anderswo irgendwann später mal als eben diese Niederlage erkannt wird und bei der politischen Führung einen Sinneswandel in Gang setzt. Ähnliches könnte für Israels glorreiche Bombenkämpfe gegen Unbewaffnete gelten: Irgendwann dämmert dem israelischen Normalbürger und später sogar den Führern, dass das Niederlagen sind. Wer sich Terrormethoden bedient, wird früher oder später als Terrorstaat gesehen. Es reicht ein Waffenembargo, und es könnte Gesundung eintreten.

Sam Lowry / 01.10.2024

Plus Attentäter, die zeitgleich zuschlagen… es ist nur noch zum Weinen!

Dr. Markus Hahn / 01.10.2024

Man kann ein Land militärisch “enthaupten”, aber wenn es den Hass von Abermillionen anfeuert, die um einen herum leben, ist es eine Frage des strategischen Nutzens. Aber eins steht fest, bald auch in unserem Kino.

Lutz Herrmann / 01.10.2024

“Ist aber schon ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, oder?” Nö, stimmt nicht. Genau so wenig wie die unpassenden Ukraine-Russland-Vergleiche.

Franz Klar / 01.10.2024

@Volker Kleinophorst : “Ist aber schon ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, oder” ? Ausgeschlossen , alles vom Völkerrecht gedeckt !

Peter Fischer / 01.10.2024

Very well done IDF, move on till the end. Hier ist auch die excellente Vorbereitung durch die Infiltration in jede Befehls-Ebene und die weitgehende Zerstörung der Kommunikationslinen zu sehen z.B. Pager, Funkgeräte und deren ““Bediener”. Neben dem Verlust an Gerät und den zugeordneten Mördern bedeutet dies eben auch, jedes Gerät kann und wird “verdächtig” sein - vor allem ALLES was zugeordnet ist, aber eben auch jedes TV und jede Microwelle. Ohne konkrete und korrekte Infomation über WO und WANN ist kein Unternehmen zur Tötung von mehr als 30 hochrangigsten Mördern in einem Bunker 50m unter der Erdoberfläche möglich. Allein dadurch daß die Informanten unbekannt und offensichtlich zuverlässig sind und liefern ist die Kommandostruktur schon nur noch Schrott. Wem kann ich vertrauen? Informationen der gleichen Aktualität und Qualität über ALLE anderen Feinde sind ebenfalls vorhanden, und jeder Gegner könnte “on the moments notice” pulverisiert werden - und das wissen die auch. Gegner natürlich auch in allen “befreundeten” Ländern und Regierungen - kein Zweifel daran. Die IDF sollte und muss jetzt, jetzt sofort und in den folgenden Tagen und Wochen, den Gegner mit “Stumpf und Stiehl” endgültig ausrotten, ohne Rücksicht auf die Meinung und den Protest von “Freunden” und “Verbündeten”, schon gar nicht von “nicht befreundeten Staaten”. No Retreat. “Außenminister Israel Katz hat seine Amtskollegen in mehreren Ländern, darunter die Vereinigten Staaten und Deutschland, darüber informiert, daß es im Libanon keinen Waffenstillstand geben wird und daß die Kampagne erst mit der Auflösung der Hisbollah enden wird.” Genau so muss und soll es sein, nur daß die Auflösung nicht das Ziel sein darf, die AusLÖSCHUNG muss das Ziel sein. . Peter Fischer

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