Thomas Rietzschel / 19.12.2020 / 16:00 / 19 / Seite ausdrucken

Was der Russe nicht kennt, sollte er nicht trinken

Gysi, der alte Wortverdreher, bleibt sich treu. Von der Sowjetunion lernen, heißt für den Advokaten seiner Partei noch immer: Siegen lernen. Nein, sagt er jetzt, nicht Putins Russen wollten Nawalny vergiften, auch dem Gärtner ist der versuchte Mord diesmal nicht zuzuschreiben. Das Opfer selbst hat sich in die Gefahr begeben, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Warum musste er sich auch in Tomsk, schon am Westrand Sibiriens, einen Negroni bestellen.

Kaum, dass er einen Schluck von diesem bitteren Cocktail der Italiener getrunken hatte, schwanden ihm die Sinne. Wäre der Quälgeist Putins bei dem gewohnten „Wässerchen“ des Ostens geblieben, statt sich von dem dekadenten Gesöff des Westens verlocken zu lassen, nichts hätte ihm geschehen können. Mit anderen Worten: Was der Russe nicht kennt, sollte er nicht trinken. 

Doch damit nicht genug. Weiter erinnert der Mann, der nie IM Notar gewesen sein will, da sich noch kein Führungsoffizier fand, der bereit gewesen wäre, die Verpflichtung zu beeiden – weiter erinnert Gysi laut Spiegel jetzt daran, dass die Rezeptur des Nervengifts Nowitschok „längst auch im Westen bekannt sei“.  

Alle Fragen offen

Allein Gysi wäre nicht so schlau, wie er erscheint, würde er die Tat kurzerhand dem MI5, der CIA oder dem Bundesnachrichtendienst anlasten. Ihm genügt es, Zweifel zu wecken. Das Einzige, worauf er beharrt, ist die Feststellung: Es könne sich so verhalten, wie es nach den Erkenntnissen mehrerer westlicher Geheimdienste war, es könnte „aber auch anders gewesen sein“. Kurzum: Alle Fragen offen. Kein Grund, Putin als Strippenzieher zu verdächtigen, nicht für den Advokaten der post-sowjetischen Diktatur. Schließlich habe er „als Rechtsanwalt häufig erlebt, dass alles gegen A sprach, es war dann aber doch B.“ 

Wo er recht hat, hat sogar ein Gysi recht. Natürlich ist die Verdrehung des Rechts ein wesentlicher Teil anwaltlicher Tätigkeit. Und dass Gysi da zu den Besseren seiner Zunft gehört, steht außer Frage. Der einfachen Frage, ob die DDR ein Rechts- oder ein Unrechtsstaat war, weicht er durch Flucht in die Wortklauberei aus: „Es stimmt eben nicht, dass, wenn man kein Rechtsstaat ist, dass man dann automatisch ein Unrechtsstaat ist.“ Kann er sich doch darauf verlassen, dass man den Schießbefehl, dem Hunderte zum Opfer fielen, nie finden wird.

So dumm, ihn schriftlich zu fixieren, in einem Dokument, das irgendwann in die Hände des „Klassenfeindes“ fallen könnte, so unbedarft waren nicht einmal die regierenden Hilfsschüler im kommunistischen Weltreich. Von ihrem Zögling Putin anzunehmen, er würde diese Grundregel der Konspiration nicht verinnerlicht haben, er wäre blöd genug, seine Auftragsmörder mit schriftlichen Befehlen in Marsch zu setzen, nach Berlin, London oder Tomsk, wäre eine Beleidigung seiner Intelligenz, ein plumper Versuch, ihn für dümmer zu halten, als es ein gelernter KGB-Mann sein kann. 

Immer gut für eine Schmonzette

Dass sich Gysi jetzt bemüßigt fühlt, dem neuen Zaren mit einer albernen Geschichte beizuspringen, könnte ihm selbst am Ende übel bekommen Das gilt erst recht im Fall Nawalnys, der sogar in den Kreisen der russischen Opposition nicht so unumstritten ist, wie es uns vorkommen will, eines „Anwalts“, von dem niemand weiß, wo er studiert und welche Examina er abgelegt haben mag. Nicht einmal bei Wikipedia findet man etwas zu seiner „Ausbildung“ oder „beruflichen Laufbahn“. 

Dass sich Gysi mit seiner Negroni-Story gleichwohl auf ein Glatteis locken ließ, auf dem er nur ausrutschen oder einbrechen kann, zeigt lediglich, dass er selbst mitunter mehr saufen mag, als er im fortgeschrittenen Alter verträgt, obwohl auch dabei zutrifft, dass es so oder so sein könnte.

Für eine Schmonzette ist der Genosse noch immer gut. Sogar seine eigene Demontage nimmt er selbst in die Hand, indem er phantasiert, was ihm kaum jemand abnehmen dürfte. Mit der verbissenen Loyalität gegenüber den Mandanten von gestern macht sich der Anwalt lächerlich, tauglich für die Besetzung der Witzfigur in den Talkshows.

Darauf einen Negroni, Gysi, alter Wortverdreher, Oder doch lieber ein Wässerchen, so rein wie die russische Seele?  

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Leserpost

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Alex Kaufmann / 19.12.2020

Würden Putins Diener die Art der Cancel Culture besser beherrschen, etwa auf dem Niveau ihrer hiesigen Berufskollegen, bräuchten sie ihren Giftschrank nicht mehr.

Gerd Heinzelmann / 19.12.2020

Gysi würde selbst über einen Virus stolpern.

sybille eden / 19.12.2020

Das dieser aalglatte,kommunistische Schleimer immernoch irgendwo herumgeistert, ist schon an sich ekelhaft ! Herr Rietzschel, es gibt doch nun wirklich andere Themen und Personen über die sie schreiben könnten. Muss es dieser nasse Fisch sein ?

Jörg Themlitz / 19.12.2020

“Natürlich ist die Verdrehung des Rechts ein wesentlicher Teil anwaltlicher Tätigkeit. Und dass Gysi da zu den Besseren seiner Zunft gehört, steht außer Frage.” Genial !!!

Stefan Riedel / 19.12.2020

@Stefan Trunte, da ist ein kleiner aber feiner Unterschied zwischen Propaganda-Zweifeln und berechtigten (durch Tatsachen gestützen) Zweifeln.

Thomas Kache / 19.12.2020

Zu dem Mann, der kein IM gewesen sein will, aber wohl immer noch eine Anwaltszulassung hat, fällt mir eigentlich nur diese sehr alte Weisheit ein: “Was ist der Unterschied zwischen einem Anwalt und einer Laborratte? Die Ratte lässt nicht alles mit sich machen.” Ich wünsche dem Rinderzüchter, und seinesgleichen, seinen Fans und Apologeten, noch ein gaaanz langes, sorgenfreies Gesundheitsstrozendes Leben in einer herrschaftlichen Villa im Grunewald, allwo er im Alter von 111 Jahren friedlich im Kreise seiner ihn abgöttisch liebenden Satelliten als stinkreicher Mann das Zeitliche segnen soll. Vielleicht gelingt es bis dahin, eine Herde Homunkuli zu züchten, welche genauso wie der Herr Nicht- IM von Nichts wissend, Nichts gesehen habend, und überhaupt völlig Ahnungslos durch die Welt stolpern, nichts desto trotzt aber im Parlament “Kohle abgreifen” ohne Ende. Und diese Gedankenspielerei macht es mir unheimlich leicht, meinem Vaterland den Rücken zu kehren. Gute Nacht Deutschland

Stefan Trute / 19.12.2020

Selten so gelacht! “Ihm genügt es, Zweifel zu wecken.” So ein Satz ausgerechnet auf der “Achse des Guten”, die trotz mittlerweile dutzender Gerichtsurteile Zweifel weckt, ob ein Biden die Wahl in den USA wohl korrekt gewonnen habe. (Hätten die Ermittler mal bei Herrn Frank angerufen, er hätte ihnen bestimmt die Beweise geliefert oder?) Nun ja, jeder blamiert sich eben selber, so gut er kann.

Jochen Lindt / 19.12.2020

Olaf Scholz ist Rechtsanwalt. Gregor Gysi ist Rechtsanwalt.  Soweit so klar. Aber wenn ich (Kaufmann und Kapitalist, der ich bin) , eine Prozess gewinnen will,  und mich zwischen einem entscheiden müsste, dann würde ich natürlich Gysi nehmen. Ich will ja nicht die Welt verbessern, ich will nur meinen Prozess gewinnen.  Politisch sieht es ehrlich gesagt auch kaum anders aus.  Wenn Scholz -oder ein anderer Vertreter des Merkelregimes- im Fernsehen quatscht, dann drücke ich reflexartig die Ton-AUS Taste.  Bei Gysi nicht. Da habe ich wenigstens was zu lachen. Und sei es nur aus Schadenfreude.

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