Gunnar Heinsohn / 31.01.2019 / 06:29 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Was bringt ein Glücksministerium?

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro verkündet am 24. Oktober 2013 den Aufbau eines Viceministerio para la Suprema Felicidad Social del Pueblo: „Ich habe es nach unserem Kommandanten [Hugo] Chávez [1954-2013] und unserem [Simon] Bolivar [1783-1830] benannt.“ Es soll alle Behörden zur Beseitigung der Armut koordinieren und schafft dafür begehrte Positionen in der längst überdehnten Bürokratie.

Witzbolde lassen nicht auf sich warten: „Es sind kaum 24 Stunden her seit der Gründung des ‚Vizeministeriums für das Höchste Soziale Glück des Volkes‘ und schon fühle ich mich glücklich“, kommentiert der Komiker Luis Chátaing. „Ich hoffe, dass Maduro eines Tages ein Vizeministerium für Bier gründet, um mich und alle Säufer glücklich zu machen“, träumt der Bananenverkäufer Victor Rey. „Erst dachte ich, dass Maduro einen Scherz gemacht hat (...), heute aber sah ich, dass es wahr ist, er hat ein Amt für das Glück geschaffen.“

Seit 2013 ist Venezuelas Pro-Kopf-Einkommen von knapp 8.000 auf gut 3.000 US-Dollar gefallen. Was das für die zu beglückenden Armen bedeutet, lässt sich besser über Kaufkraft (Dollar pro Kopf) einschätzen. Bei ihnen geht es von knapp 19.000 auf gut 11.000 herunter. Dieser Niedergang trifft eine Bevölkerung, die seit der neuen Behörde von gut 30 auf knapp 33 Millionen Einwohner zulegt, von denen aber bald 2,5 Millionen im Exil leben. 

Der junge Gegenpräsident Juan Guaidó (*1983) dürfte sich hüten, den verzweifelten Landsleuten Glück in Aussicht zu stellen. Das Land wird die dafür erforderlichen Mittel nicht mehr verdienen können. Die heimischen Ölreserven sind zwar groß, aber schon Maduro scheitert 2017 mit seinen Appellen an die OPEC, die Weltölpreise hochzutreiben. Jeder neue Regierungschef wird es noch schwerer haben, weil Russland und Saudi-Arabien – als größte Energie-Exporteure der Welt – soeben beschlossen haben, das Kaputtkonkurrieren der US-Shale-Fracker durch Preisunterbietung einzustellen.

Die USA kommen als zuvor größter Abnehmer nie mehr zurück. Gerade sie aber verfügten über die Spezialraffinerien für Venezuelas schwefelreiches Petroleum, das nach jüngsten globalen Regelungen etwa für das Betreiben von Schiffen nicht mehr erlaubt ist. Alternativen zu Rohstoffen gibt es kaum. Die Automobilproduktion liegt seit 2014 still. Für einen Hightech-Sektor, in den man gegen weiteres Absinken doch aufsteigen müsste, gibt es kein Personal. Auch weniger bizarr regierte Nachbarn geben diesbezüglich keine Hoffnung. So führt etwa Brasilien beim Pro-Kopf-Einkommen gegen China im Jahre 1980 mit 4:1. Heute nähert man sich einem 5:1 für das Reich der Mitte (errechnet). Das setzt eine durchschnittliche Cognitive Ability von rund 100 gegen 80 in Lateinamerika (1). 

Eine politische Wende würde schon viel erreichen, wenn sie die Regierungskriminalität beendet und die Stimmung in der Karibik aufhellt; denn Venezuela steht mindestens so repräsentativ für die Gesamtmalaise Lateinamerikas wie für seine lange Reihe an Operetten-Diktatoren.

Gunnar Heinsohn (*1943) lehrt seit 2010 Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom. Am 23. Oktober 2018 hat er in Stavanger die Grundsatzrede zum 15. Geburtstag des Joint Warfare Center (JWC) der NATO gehalten.

(1) Gunnar Heinsohn, “Security Implications of Demographic Trends”, NATO Defense College (NDC), course 133, 16-01-2019

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U. Unger / 31.01.2019

Danke Herr Heinsohn, für Ihren Beitrag, der mir hilft die aktuelle Lage in Venezuela im Koordinatensystem realistisch einzuordnen. Wie immer dürfte ich in meinem Denken, wie durch Ihren Kriegsindex zu grundlegenden Einschätzungen kommen, die die persönliche Lagebeurteilung drastisch verschärfen.  Ich gehöre auch zu denen, die sich nach dem Fall des eisernen Vorhangs einem trügerischen Sicherheitsgefühl hingegeben haben.  Erst, seit 2015 sehe ich klar, dass es Sicherheit nie wirklich gab und, dass es Sie nur für naive Erwachsene dauerhaft gibt. Erst durch Ihre Beiträge hier, ist mir klar geworden, dass die Zeit angebrochen ist, wo der Bürger sich wieder ernsthaft mit dem Thema Krieg und der eigenen Verteidigungsbereitschaft befassen muss. Der zeitliche Korridor für geeignete Debatten dürfte m. E. für ganz Europa langsam enden. Gerade vor dem Hintergrund, dass man im aktuellen US Präsidenten nicht mehr den sieht, der er qua Amt ist, nämlich einer der bestinformierten Menschen auf dem Planeten. “Mr Gorbatschow tear down this wall!” lässt permanent grüßen. Aber es ist wie im Sport, die meisten Zuschauer hören und kapieren nicht, was auf dem Spielfeld neben den ganz offensichtlichen Aktionen geschieht. War die Ansage von Präsident Bush wirklich so anders, als zwischen einem Freistoßschützen, der beim Fußball dem Torwart vorher zuruft, wo der Ball einschlägt? Ja, Äpfel und Birnen, man muss Sie halt doch häufiger vergleichen, mindestens der Unterschiede wegen.

Matthias Kaufmann / 31.01.2019

Wieso sollten die USA nicht wieder Partner in der Erdöl-Verwertung werden? Wenn es zu einem grundlegenden Regimewechsel in Venezuela kommt, dann ist eine strategische Umorientierung durchaus möglich. Aus den USA kamen ja entsprechende Signale.

Peter Wachter / 31.01.2019

Die Gegenwart Venezuelas, die Zukunft Deutschlands !?

Gabriele Kremmel / 31.01.2019

Der Blick nach Venezuela ist für uns wie ein Blick in die Glaskugel. Unsere wohlstandstragenden Industrien werden gerade sukzessive abgewickelt, und auch das Glücksministerium ist nicht mehr in weiter Ferne. Man hat bereits begonnen, den politischen Focus auf das Glück bzw. Unglück der zu Regierenden zu lenken indem man die Einsamkeit hervorhebt, die es zu bekämpfen gibt. Die Lösung wird aller Erfahrung nach in ungefähr so aussehen, dass man die Einsamen in geeigneten Wohnformen mit geselligem Charakter zusammen bringt, um mit dem frei gewordenen Wohnraum das Wohnungsproblem für die weniger Einsamen zu lösen. Klingt zu abstrus? Nicht abstruser als Vieles, das die Regierung Merkel in den letzten Jahren angestoßen und durchgepresst hat. Und noch sehr harmlos gegen das, was manchen Grünen und Linken so vorschwebt.

Andreas Rühl / 31.01.2019

So witzig ein gluecksministerium erscheint, so bezeichnend ist es. Die Vorstellung, dass der Staat glueck erzeugen kann, ist das Grunduebel auch unseres staatsverstaendnisses. Genau darin liegt das eigentliche Problem verborgen. Denn, um auf staatlichem Weg glueck zu erzeugen, muß der Staat entscheiden, was glueck ist. Genau diese Vorstellung eint alle rousseauisten aller Zeiten: Sozis, gruene, Nazis. Allein, was glueck ist, ist dann Gegenstand der Auseinandersetzung. Da es keine allgemeingültige Antwort auf eine solche Frage gibt, gewinnt der Streit manichäische Züge und die vernunft tritt ab. Folge ist notwendig, dass die Wirtschaft ruiniert wird. Schaut auf Venezuela und ihr schaut in die Zukunft des merkelschen und macronschen Europas.

Bernhard Freiling / 31.01.2019

“Deshalb wollen wir erreichen, dass der übergroße Wohlstand unseres Landes, die großartige wirtschaftliche Entwicklung, die unser Land seit 2005 genommen hat, allen zugutekommen kann und allen zugutekommen wird.”  Aus der Regierungserklärung Merkel vom 21.3.18. Wenn ich jetzt noch an ihre Äusserung denke: “unser Wohlstand wird sich ändern, aber so, daß wir dies nicht als Verlust erleben werden” - dann wurde bei uns doch das Glücksministerium schon längst eingeführt. Schwarze, rote, grüne, gelbe Sozen scheinen doch alle den gleichen Sockenschuß zu haben. Und nein, es ist nicht nur einfach Pech, von solchen Leuten regiert zu werden. Erlebe das höchste Glück, indem du deinen Wohlstand mit der ganzen Welt zu teilen bereit bist. Fehlt nur doch der Zusatz, da der Islam ja zu Deutschland gehört: Und auf den Teil der sich nicht als Frau fühlenden Bevölkerung warten im Jenseits gewiß überirdische körperliche Freuden, die ihn für Alles entschädigen werden.

Bernd Ackermann / 31.01.2019

Wie gut, dass wir so etwas in Deutschland nicht brauchen. Hier ist jedes Ministerium und jeder Abgeordnete für das Glück der schon länger und noch nicht so lange hier Lebenden verantwortlich. Die Grünen kümmern sich zusätzlich noch um das Glück von Biene und Blume (eine heftige Mehrbelastung). Dazu dann noch die Glücksritter in Brüssel, manchmal ist es kaum auszuhalten. Der “World Happiness Report 2018” (den gibt es tatsächlich!) zieht die Schlussfolgerung “je zufriedener die Einheimischen sind, umso glücklicher sind auch die Zuwanderer”. Wenn also mal wieder einer mit dem LKW in einen Menschengruppe fährt liegt es nur an uns, wir haben ihn einfach nicht glücklich genug gemacht.

Matthias Braun / 31.01.2019

Ein “Amt für leere Versprechen” muss geschaffen werden- da ist der Erfolg leicht zu überprüfen. Nicht nur in Venezuela!

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