„Titel thesen temperamente“, nach eigenem Verständnis ein Kulturmagazin, hat sich erfolgreich als eines der übelsten Propagandaformate im öffentlich-rechtlichen Fernsehen etabliert. Spätestens mit dem hetzerischen Beitrag über die „Gemeinsame Erklärung 2018“ und ihre Unterzeichner musste auch dem letzten Zuschauer klarwerden, dass es bei „ttt“ längst nicht mehr um Volksbildung und Aufklärung geht. Im Gegenteil.
Moderiert wird der institutionalisierte Manipulationsversuch vom Schweizer Dieter Moor, der sich aus ästhetischen Gründen den Künstlervornamen Max im Pass eintragen ließ und sich für die Kunst (oder Quote) auch schon mal nackig macht. Am späten Sonntagabend war es wieder so weit. Nach sorgsam ausgewählten Introbildern – tatsächlich, es gibt auch ein paar Frauen und Kinder in den Schlauchbooten! – tritt der Mann mit dem Radiogesicht pünktlich zur Geisterstunde vor die Kamera:
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ So steht es in den Menschenrechten, und so ist es auch im Grundgesetz verankert. Herzlich willkommen, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, bei ttt. „Jeder“ steht da, nicht „jeder Deutsche“ oder „jeder Europäer“, „jeder Christ“ oder „jeder Weiße“ – „jeder“!
Jeder, der sich dieser Rechte beraubt sieht, hat folglich auch das Recht auf Hilfe, denn weiter steht im Gesetz: „Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.“ Immer mehr Menschen fragen sich, wann endlich Europa sich an diese einfachen und klaren Gesetze halten wird. Sie wollen nicht länger hinnehmen, dass Recht von Staats wegen gebrochen wird. Und sie fürchten eine Zukunft, in der plötzlich politische Parteien oder staatliche Institutionen willkürlich bestimmen, wen das Gesetz schützt und wen nicht.
Und immer mehr Menschen stellen sich nicht nur Fragen, sie werden auch aktiv – im Sinne des Gesetzes.
Der „No borders, no nations“-Ton ist gesetzt, der Gebührenzahler gebührend auf den nachfolgenden Agitprop-Beitrag eingestimmt. „Jeder“, also auch jeder Afrikaner, hat das unverbrüchliche Menschenrecht, Schutz oder Schatz in Europa zu suchen.
Für die gute Sache denkt „ttt“ kolonial
Dass die UN-Menschenrechtscharta kein Gesetz ist, schon gar nicht ein von jedermann einklagbares, nicht einmal ein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine Selbstverpflichtungserklärung von Staaten, innerhalb ihres eigenen Hoheitsgebietes für menschenwürdige Lebensumstände zu sorgen, kümmert die „ttt“-Macher nicht – ebenso wenig wie der Umstand, dass das deutsche Grundgesetz weder in Libyen noch in Nigeria noch sonstwo außerhalb Deutschlands gilt. Ist doch egal, wir sind hier schließlich bei „ttt“, da sieht man die lästige Sache mit den Fakten nicht so eng. Was andere Fake News nennen, ist bei „ttt“ Kultur.
Das Magazin steigt in den Beitrag mit Bildern ein, die Schwarzafrikaner in libyschen Sammellagern zeigen. Mit der Frage, wie und warum diese Menschen nach Libyen und in die Lager gelangten – nämlich als illegale Zuwanderer auf geplanter Durchreise nach Europa –, hält sich das Kulturmagazin nicht auf. So mag sich dem geneigten Zuschauer der Eindruck aufdrängen, es würden libysche Sklavenhändler Schwarzafrika durchkämmen und Menschen von der Straße fangen. Und schwupps verwandeln sich Wirtschaftsmigranten in Flüchtlinge:
In einem libyschen Flüchtlingslager zu landen bedeutet ein Tod auf Raten. Zehntausende Menschen werden hier misshandelt, gefoltert, vergewaltigt und teilweise als Sklaven verkauft. Die Lager werden von der EU mitfinanziert, die Zustände in Kauf genommen. Hauptsache, das Leid kommt Europa nicht nah. Doch wer irgendwie fliehen kann, der flieht.
Sie kennen das Meer nicht, können oft nicht schwimmen und ahnen auch nicht, dass den Booten der nötige Treibstoff für die Überfahrt fehlt. Werden die Flüchtlinge nicht von Schiffen wie der Lifeline gerettet, ist ihnen der Tod sicher.
Hossa. Um der guten Sache willen schreckt das Magazin nicht einmal davor zurück, seinen Zusehern klassisch koloniales Mind-Set zu vermitteln: Klar, der dumme Neger glaubt, mit einem Außenborder und einem Kännchen Sprit komme man locker übers Mittelmeer. Er „ahnt nicht“, dass er mit der Gummischüssel nur auf die kurze Überfahrt zum nächsten Gutmenschendampfer geschickt wird, der als letztes Glied in der Schlepperkette die Reise perfekt macht. Woher soll er es auch besser wissen, der edle Wilde, der bisher nur nackt in seinem Kral ums Feuer tanzte und nicht mit den Übeln der Zivilisation in Berührung kam (außer mit seinem Smartphone)?
Der Experte und seine „fettige Moral“
Zur Überleitung vom Leiden Afrikas ins Land von Milch und Honig dient die abgefilmte „Zeit“ mit ihrer Schlagzeile „Oder soll man es lassen?“.
Wer das Leid nicht spürt, kann theoretische Debatten führen, so wie es in Deutschland derzeit passiert.
Auftritt Josef Vogl, dessen menschenwürdiges Auskommen durch eine Professur für „Neuere deutsche Literatur: Literatur- und Kulturwissenschaft/Medien“ an der Humboldt-Universität Berlin gesichert ist – eine Hochschule, die bekannt dafür ist, zahlreichen bedürftigen Geistesgrößen eine sichere Zuflucht zu bieten.
Zwar ist Vogl weder Migrations- noch Rechts- noch Politik- noch Afrika- oder sonstwie sachnaher Experte. Aber, seien wir nachsichtig, irgendwie müssen die „ttt“-Macher ihre Politpropaganda ja in Richtung Kultur trimmen. Der Professor, der überwiegend in einer deutschen Schreibstube existiert, schwadroniert über eine „fettige Moral“, die es „in deutschen Schreibstuben“ gebe:
„Wenn man diese Debatte überhaupt in moralische Begriffe fassen möchte, gibt es hier im Zentrum Europas, innerhalb Deutschlands, in deutschen Schreibstuben so etwas wie eine fettige Moral oder eine Moral des Speckgürtels. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass bestimmte konkrete Erfahrungen, bestimmte konkrete Umstände nicht an den eigenen Muskeln, nicht an das eigene Nervensystem herangelassen werden. Deswegen sind Verlautbarungen von Leuten, die im Handgemenge auf hoher See mit Flüchtlingen arbeiten, völlig anders orientiert als diejenigen, die diesen Kontakt, wenn sie so wollen, fast anästhetisch fürchten.“
Während der verwirrte Zuschauer noch über Muskeln, Nervensysteme und darüber rätselt, wie wohl ein „fast anästhetisches“ Fürchten aussieht, versteigt sich „ttt“ zu einer sportlichen Behauptung:
Trotz anfänglicher Bedenken hat sich der Alltag der Deutschen durch die Präsenz der Geflüchteten kaum verändert. Und doch wächst seit 2015 der Hass auf Fremde beängstigend.
„Kaum“ verändert? Verschärfte Wohnungsknappheit in Ballungszentren, deutlich gestiegene Gewaltkriminalität, Terrorgefahr durch unkontrolliert zugereiste Islamisten, Verdrängungswettbewerb in Tafelschlangen, Belegung innerstädtischer Parks und Plätze durch gelangweilte Jungmigranten und und und – da scheint jemand beim Hessischen Rundfunk schon länger nicht mehr vor die Tür seiner „deutschen Schreibstube“ gekommen zu sein.
Fertig ist die braune Soße
Aber dafür haben wir keine Zeit, wir sind nämlich schon bei einer Pegida-Veranstaltung in Dresden:
„Absaufen!“ skandieren die Anhänger und meinen damit auch die Seenotretter von der „Lifeline“. – „Absaufen, Absaufen“ – „Nein, nein, nein! Nicht absaufen, wir brauchen das Schiff doch noch, um die alle wieder zurückzufahren“, heißt es da. Auch etablierte Parteien übernehmen immer mehr Positionen von rechts außen.
Endlich, der Klassiker: Man zitiere extreme Positionen oder Entgleisungen und setze jeden, der grenzenlose und unkontrollierte Zuwanderung kritisiert, damit in Zusammenhang. Alles in einen Topf, zweimal kräftig umrühren, und fertig ist die braune Soße. Nach einem sinnfreien Vogl-Statement über „ein Gutteil der Politik“, der darin bestehe „den Leuten einzureden, sie sollten endlich Sorgen und Ängste angesichts dessen, was hier passiert, haben“, kommt „ttt“ auf den Punkt.
Die Morallosigkeit der Politiker gegenüber den Schutzsuchenden stößt immer mehr Bürger ab. An die 50.000 Menschen kamen in München zur Anti-CSU-Großdemonstration „Ausgehetzt“. Tosender Applaus für Kapitän Reisch.
„Absaufen“ und CSU, das ist natürlich widerlich. Um die erfundene Verbindung weiter einzuhämmern, darf erneut der schräge Vogl ran:
„Es ist gut möglich, dass sich manche Parteien – und dazu gehört die CSU – verzockt haben. Allerdings darf man nicht auf Gesinnungswandel rechnen, sondern Wechsel der politischen Strategie.“
Zum Abschluss lässt es sich „ttt“ nicht nehmen, den Zuschauer noch einmal selbst zu bearbeiten, damit nur ja nichts schiefgeht beim betreuten Denken.
Währenddessen sterben Menschen. Es sind die privaten Retter, die sich an die Pflicht erinnern, in Not zu helfen, obwohl das eigentlich Aufgabe der europäischen Regierungen wäre. Dieses Engagement nun auch noch zu verhindern, ist mehr als zynisch […] Europa macht sich weiter schuldig.
Die einen sagen so, die andern sagen so. Wer sich auf jeden Fall weiter schuldig macht und konsequent zum Niedergang der Kultur beiträgt, ist „ttt“. Das Kulturmagazin.