Es geht nicht nur um Korruption. Es geht um systemischen Irrsinn: Wir werfen Geld in ein System, das darauf spezialisiert ist, genau diese Gelder umzuleiten – in die Hände jener, die den Konflikt am Leben halten
Man muss kein Geheimdienstchef sein, um es zu erkennen: Die islamischen Führer der nahöstlichen Region – ob sie sich Kalif, Präsident, Führer der Gläubigen oder schlicht Märtyrer-Kommandant nennen – sind nicht arm. Sie waren es nie. Sie sind schwerreich. Und das meiste ihres Reichtums stammt aus den Taschen derer, die sich selbst als „die Guten“ betrachten. Als Beispiel sei an dieser Stelle an Jassir Arafat (1929–2004) erinnert, der „allein in den Jahren zwischen 1995 und 2000 rund 900 Millionen Dollar aus den öffentlichen Kassen Palästinas“ abgeführt haben soll.
Westliche Hilfsgelder, Entwicklungshilfe, Waffenlieferungen, „strategische Partnerschaften“ – all das fließt seit Jahrzehnten in Regionen, die man wahlweise als Krisenherde oder als Schachbretter bezeichnet. Nur wird selten darüber gesprochen, dass diese Gelder auf Konten landen, die wenig mit Schulen, Krankenhäusern oder Ernährungssicherung zu tun haben – dafür viel mit Villen, Luxusautos und privaten Armeen.
Es gibt keinen „guten“ Islamismus, den man fördern könnte, keinen „bösen“ Terrorismus, den man getrennt davon bekämpfen könnte. Die Führungsstrukturen sind längst ineinander verwoben. Islamistische Bewegungen, die sich auf den ersten Blick bekämpfen, teilen oft dieselben Finanzströme, dieselben Waffenhändler, dieselben Schutznetzwerke. Wer glaubt, mit Geld „die Gemäßigten“ zu stärken, während man „die Radikalen“ bombardiert, führt ein absurdes Theater auf – eines, das vor allem auf den Bühnen westlicher Außenpolitik funktioniert, nicht aber in der Realität vor Ort.
Wir zahlen, sie töten
Schauen wir genauer hin: Warum haben so viele Terrorführer Villen in Dubai, Häuser in London, Bankkonten in der Schweiz? Warum verschwinden Millionen an Hilfsgeldern aus Europa und den USA regelmäßig spurlos? Warum tauchen westliche Waffen in den Händen genau jener Gruppen auf, gegen die sie angeblich geliefert wurden?
Die Antwort ist brutal einfach: Weil wir schlecht beraten sind. Weil unsere Strategien nicht auf Verständnis beruhen, sondern auf kurzsichtigen Allianzen. Weil wir lieber das kleinere Übel bezahlen, als uns zu fragen, warum wir überhaupt Teil dieses Spiels geworden sind.
Es geht hier nicht nur um Korruption. Es geht um einen systemischen Irrsinn: Wir werfen Geld in ein System, das darauf spezialisiert ist, genau diese Gelder umzuleiten – in die Hände jener, die den Konflikt am Leben halten. Wir nähren damit genau das Monstrum, das wir in unseren eigenen Reden bekämpfen.
Und das Volk? Es hungert weiter. Es stirbt weiter. Es glaubt weiter an Parolen, die von Männern gemacht werden, die nie einen Tag gelitten haben. Wir müssen endlich aufhören, zwischen „guten“ und „bösen“ islamischen Führern zu unterscheiden. Wir müssen aufhören, uns mit Scheinlösungen zu beruhigen. Wir müssen aufhören, unsere eigenen Fehler hinter den Bildern von verhüllten Frauen, maskierten Kämpfern oder brennenden Ölfeldern zu verstecken.
Der Terror lebt nicht in Höhlen oder auf den Schlachtfeldern. Er lebt in den Büros derer, die verhandeln, während sie gleichzeitig das nächste Schlachtfeld vorbereiten. Und ja – er lebt auch in uns, in unseren bequemen Vorstellungen davon, dass sich das Böse irgendwo „dort draußen“ befindet, weit weg von den westlichen Bankkonten, die es erst möglich machen. Wir zahlen, sie töten – und wir tun überrascht. Solange wir den Terror finanzieren, den wir bekämpfen, sind nicht sie das Problem – sondern wir.
Ahmet Refii Dener ist Türkei-Kenner, Unternehmensberater, Jugend-Coach aus Unterfranken, der gegen betreutes Denken ist und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite und bei Instagram.