Wolfgang Röhl / 08.03.2018 / 06:28 / Foto: Martin Gorman / 25 / Seite ausdrucken

Warum uns seit 144 Jahren bald das Öl ausgeht

Zu einer gut geölten Schrottpresse gehören die verlässlich wiederkehrenden Warnungen vor dem Weltuntergang. Oder wenigstens solche vom Untergang der Welt, wie wir sie kannten. Im zeitgenössischen Hausmärchenschatz nimmt der Eisbär, dem es nun aber endgültig an den flauschigen Kragen geht, dabei die Pole Position ein.

Als Kronzeuge für die Klimakatastrophe tapert er seit vielen Jahren in medialer Endlosschleife über schmelzende Schollen. Er ist der traurige Star der Symbolbilder aus dem Photoshop, Kategorie Erderwärmung. Eigentlich dürfte er längst nur mehr im Zoo zu finden sein. Zum Glück trotzt Meister Petz dem ihm zugeschriebenen Schicksal auf recht robuste Art. Was den Trauermarsch seiner Totsager natürlich nicht aufhalten kann. Stirbt ursus maritimus nicht heute, dann stirbt er eben morgen.

Mit dem sogenannten "Peak Oil" verhält es sich ähnlich. Die Botschaft, dass die Ölförderung demnächst ihr historisches Maximum erreichen werde, danach unumkehrbar zurückgehe und folglich die ölbasierte Wirtschaft zum Kollaps brächte, ist ein sogar noch betagterer Bär. 1956 hatte ein US-Geologe prophezeit, die amerikanische Ölproduktion werde in den frühen 1970ern an ihren Höhepunkt (Peak) gelangen und danach immer weiter sinken, wegen der Endlichkeit der Ressource.

1974 setzte er den Peak der weltweiten Ölförderung auf das Jahr 1995 an. Dieser Apostel generierte zahlreiche Jünger, etwa unter den Mitgliedern des für seine ökonomische Treffsicherheit berühmten „Club of Rome“.

Dabei war der Erdwissenschaftler keineswegs der erste Ölstandswarner. Schon 1874 hatte ein Kollege, Chefgeologe im US-Bundesstaat Pennsylvania, Alarm geschlagen. Würde Erdöl weiterhin rasant als Lampenbrennstoff verbraucht, wären die Vorräte der damaligen USA in vier Jahren erschöpft, hatte er errechnet. Sozusagen in der Tradition von Thomas R. Malthus, Begründer der Hochrechnung ohne lästiges Wenn und Aber.

Das Warnen & Raunen läuft wie bei Jehovas Zeugen

Vorhersagen über das nahe Ende der Öl-Flut gab es auch in den 1920ern. Von da an schafften sie es alle paar Jahre prominent in die Gazetten. Zwar blieb die befürchtete Öl-Ebbe regelmäßig aus (es gab allerdings kriegsbedingte Tiefstände), doch ging das Warnen & Raunen unverdrossen weiter. Es lief wie bei Jehovas Zeugen. Knallte es nicht am festgesetzten Doomsday, so wurde Armageddon einfach neu kalkuliert. Immer wieder spannend!

Die „Ölkrise“ von 1973, die Deutschland an einigen Sonntagen leere Autobahnen bescherte, aber nichts mit der Peak Oil-Theorie zu tun hatte (es handelte sich vielmehr um den Versuch des Ölkartells OPEC, den Westen durch ein teilweises Embargo von seiner ehedem noch soliden Unterstützung Israels abzubringen), dieses Krislein hat sich fest ins deutsche Gemüt gebuddelt. Es schuf einen Gründungsmythos der keimenden Öko-Partei.

Letztere wird niemals müde, dem Öl mittels diverser Auftragsstudien das Sterbeglöcklein zu bimmeln. Hängt doch das weiterhin üppige Gedeihen des ökologisch-industriellen Komplexes und seiner Subventionsabgreiferszene maßgeblich auch daran, dem Steuerzahler immerfort das angebliche Finale der Ölvorräte einzubläuen. Wenn schon das Satansgas CO2 manche Bürger*Innen vielleicht nicht mehr jede Nacht im Bett rotieren lässt – der dräuende Zusammenbruch der Ölversorgung müsste es doch schaffen, oder?

Vor genau einem Jahr machte Peak Oil mal wieder Schlagzeilen. Interessanterweise kam die Tatarenmeldung nicht aus dem Grünbereich, sondern von der Internationalen Energieagentur IEA. Sie wurde 1974 von 16 Industriestaaten als Reaktion auf die kurz zuvor stattgefundene OPEC-Erpressung gegründet.

Spätestens seit 2007 warnt die IEA regelmäßig vor „Engpässen“ bei der Ölversorgung, welche ebenso regelmäßig nicht eintreten. Höchstens schlägt der Preis mal Kapriolen, aus sehr unterschiedlichen Gründen. Im Finanzkrisensommer 2008 zum Beispiel schoss das Barrel der Sorte Brent auf 145 Dollar hoch, nur um sechs Monate später auf 34 Dollar abzustürzen. Versorgungstechnisch eng wurde es auf den Ölmärkten damals ebenso wenig wie in den Jahren 1861 bis 1877, einer frühen Hochpreisphase. Nur ungewohnt teuer war der Stoff geworden – für ein Weilchen.

Kein Peak Oil, sondern ein Peak Demand

Wie kam es, dass Ökos und supranationale Ölverweser scheinbar ins selbe Horn stießen? Möglicherweise aus einem simplen Grund. „Das globale Ölangebot wird es nach 2020 sehr schwer haben, mit der Nachfrage Schritt zu halten, wenn nicht neue Förderprojekte sofort genehmigt werden“, zitierte die „Welt“ den IEA-Chef Fatih Birol. Daher also wehte der Wind.

Die IEA-Prognose von 2017 besagte, ab 2022 könnte Öl teuer und knapp werden. Grund: In der vergangenen Niedrigpreisphase hätten die ölproduzierenden Länder zu wenig Geld eingenommen, um in die Erschließung neuer Förderfelder zu investieren. Dieser Umstand werde, bei vorausgesetzt steigendem Verbrauch etwa durch Länder wie China und Indien, den Ölnachschub verringern und folglich den Preis nach oben treiben - jedenfalls temporär.

Klingt zunächst mal logisch. Doch nur, wenn man die Rolle der höchst flexiblen amerikanischen Schieferölproduktion ignoriert, die letzthin immer wieder als Preisstabilisator auf den Ölmärkten fungierte. Rohstoffanalysten wie der Goldman Sachs-Experte Jeff Currie beziehen das Fracking ausdrücklich in ihre Betrachtungen ein. Doch auch aus anderen, ziemlich plausiblen, geopolitischen Gründen glaubt Currie nicht, dass sich der Ölpreis mittel- und langfristig auf ein hohes Niveau einpendeln werde.

Kommt hinzu, dass nicht wenige Beobachter der Ölmärkte davon ausgehen, es werde in voraussehbarer Zukunft keinen Peak Oil bei der Förderung geben, sondern einen Peak Demand, eine geringere Nachfrage. In westlichen Industriestaaten, ja sogar in China sinkt der Ölverbrauch allmählich. Im ersten Fall wegen neuer Technologien, im zweiten aufgrund konjunktureller Abkühlung. Chinas bislang enormer Ölverbrauch wird von manchen Ökonomen als „Anomalie“ betrachtet, geschuldet einem überhitzten, inzwischen durch den Pekinger Staatskapitalismus etwas gezügelten Wirtschaftswachstum.

Könnte also sein, dass uns noch sehr lange einigermaßen erschwingliches Öl angeboten wird. Was die Fans von schnittigen Elektroautos und preiswerten Holzschnitzelheizungen grämen mag. Den Rest der Welt wohl eher nicht.

Was nun den Peak Oil-Glauben betrifft, so haben sich seine Anhänger einen neuen Zeitpunkt ausgeguckt, an dem der allerletzte Tropfen aus der Pipeline rinnen wird. Anfang 2016, als das Barrel Brent bei lächerlichen 30 Dollar stand, schleuderte ein „Taz“-Redakteur den Ölisauriern diese Worte trotzig in ihre fossilen Fratzen: „Freut euch nicht zu früh“. Weil:

"So ist die Endlichkeit der Ressource Öl eine Tatsache, die der gegenwärtige Ölpreiskollaps zwar verdeckt, die aber ihre eigene Gesetzmäßigkeit entfalten wird. Die Förderung wird zurückgehen, auch wenn sich das ein halbes Jahrhundert hinziehen wird".

Ja, alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Pflegte meine liebe Mutter (*1906, vier Kinder, lebenslang Hausfrau) zu scherzen. Zugegeben, ihr Wissen um globale Ökonomiezusammenhänge war vielleicht limitiert. Aber für einen Job im Peak Oil-Alarmistenbiz hätte es gelangt.

PS: Anfang März 2018 stand Brent bei etwas über 65 Dollar. Ganz okay für die Beteiligten. Weshalb Sie alle Prognosen zum Öl und dessen Preisentwicklung sowieso vergessen können, erklärt dieses Stück.

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Hein Tiede / 08.03.2018

Julian Schreiber, warum sind Sie sicher, dass der Ölvorrat endlich ist? In kosmischen Dimensionen gewiss, aber die stets nachproduzierten Mengen sind in der Lage, die benötigten Mengen zu sichern. “Der Geologe J. F. Kenney schrieb 2002: „Öl stammt nicht von toten Pflanzen und Tieren, sondern wird in der Hydrierung von gemeinsamen Gesteinen produziert, unter den Druck- und Temperaturbedingungen, wie sie hundert Kilometer unter der Erdoberfläche herrschen (6).” Kenney und seine russischen Kollegen postulieren, dass sich alles Öl auf diese Weise bildet. Daraus ergibt sich, dass unerschöpfliche Vorräte darauf warten, entdeckt und produziert zu werden. Ölgeologen akzeptieren bereits jetzt, dass manches Öl auf diese Weise gebildet werden könnte: „Niemand hat jemals behauptet, dass es keine anorganischen Quellen für Öl gäbe“, sagte etwa Mike Lewan vom US Geological Survey.”

Ulli Drübbisch / 08.03.2018

Ist ja an sich so auch nicht korrekt, denn in der Tiefsee fallen ja immer noch 1000de Tonnen an fetthaltigen Plankton an und bilden eine neue Schicht “Rohöl”. Wer mal beim Fischen im Frühjahr Kokopoden an Deck erlebt hat, weiss, wie fettig die kleinen Bisterchen sind. Es ist nur noch nicht “durchgenetet” und abbaubereit. Das Problem, ist, dass wir mehr ausschlachten, als für die nächste Generation bereitsteht. In einem kritischen Artikel wurde sogar explizit daruf hingeweisen, dass die Natur turnusmässig diese Kohlen-, Gas- und Ölbestände abbrennen muss, weil unser kleiner Planet ein geschlossener Kreislauf ist, in dem jetzt schlichtweg CO² fehlt und diese ist für den Weschsel in der Evolution unerlässlich. Kein CO²-kein Leben. Der Klimawandel ist also ein turnusmäsiger Prozess, der durch unsere 7Mrd-fache Population ordentlich angetrieben wird.

Edgar Schmidt / 08.03.2018

Die Öl und Gasförderung in Europa hat ihre besten Zeiten hinter sich, die Reserven in Europa waren vergleichsweise klein und es wird seit langem gefördert.  Europa wird den grössten Teil seiner fossilen Energie importieren müssen, ähnlich wie Japan. Der Begriff peak oil Europe ist nicht fehl am Platz, und die Hubbart Kurve hilft die zukünftigen Fördermengen zu schätzen. Grosse Vorkommen sind leichter zu finden als kleine, Schieferöl ist in Wirklichkeit seit langem bekannt, aber die Förderung war bis vor einigen Jahren unrentabel. Europa ist ausserdem geologisch sehr gut untersucht.  Die IEA weist nur daraufhin, dass der Depletion der bekannten Vorkommen entsprechende Neufunde gegenüberstehen müssen. Daher der Ruf nach mehr Exploration.

Rüdiger Kuth / 08.03.2018

@Gunther Bartelt: Haben Sie das schon irgendwo in Stein gemeißelt?  Herrlich.

Karla Kuhn / 08.03.2018

“Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang, doch keiner weiß in welchem Jahr und das ist wunderbar.”  Der Wald ist auch schon zig mal gestorben.  Mit solchen Sorgen belaste ich mich nicht, denn die ganze Öl-Erdgasindustrie ist so mächtig, dagegen kommen wir nicht an. Und egal mit was wir heizen, gesund ist sicher gar nichts. Das sieht man doch auch an den E- Autos, die in Deutschland für “saubere” Luft sorgen sollen, der Rohstoff Kobalt aber im Kongo unter schlimmen gesundheitlichen Bedingungen abgebaut werden muß. Auch von Kindern aber das möchten viele nicht so gerne hören.

Dietmar Schmidt / 08.03.2018

Lieber Herr Röhl, erst mal danke für den Artikel. Ich bin Jahrgang 1949 und mir haben die Hiobsbotschaften früher auch Angst eingejagt. Aber da es nie eingetroffen ist hat sich Angst gegeben. Mir ist es allerdings unverständlich, dass sich solche Botschaften immer wieder verfangen. Aber ich glaube es wird immer weniger als bare Münze genommen. Gruß D.S.

Eberhard Knechtel / 08.03.2018

Wie jedes Kind weiss, endete die Steinzeit, weil die Steine ausgegangen sind. Ebenso verabschiedete sich die Eisenzeit und erst recht die Erdölepoche. Diskussionen führen immer zu der Frage „Ja wollen Sie denn Atomkraft?“

Hans-Peter Klein / 08.03.2018

Und was ist Ihre eigentliche Botschaft, Herr Röhl? Weiter auf Öl, Gas und Kohle setzen? Weiter ganze Regionen umpflügen und Dörfer samt Kirchen einreißen? Denn Deutscland brauch mehr Baggerseen? Den eigentlichen Fragen gehen Sie nicht auf den Grund.  

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