Donald Trumps politische Karriere ist vergleichbar mit der eines Meteors, der in rasender Geschwindigkeit aufgestiegen ist und plötzlich verglühte. Trump hat die Vorwahlen der Republikaner gewonnen, was niemand für möglich gehalten hätte. Er hat sich gegen Hillary Clinton und das professionell am besten vorbereitete Wahlkampfteam der US-Wahlgeschichte durchgesetzt und wurde US-Präsident. Trump hat mehr Wahlversprechen umgesetzt als die meisten anderen US-Präsidenten. Er hat die Liste seiner Ankündigungen regelrecht abgearbeitet. Er überlebte Skandalisierungen, Angriffe und Amtsenthebungsverfahren. Er gewann am Ende mehr Wählerstimmen als jeder amtierende Präsident vor ihm.
Dennoch hat er das Amt an einen mental nicht mehr völlig intakten Rivalen abgeben müssen und wurde im offiziellen Amerika zu einer Persona non grata, die nicht einmal mehr über einen eigenen Twitter-Account verfügen kann. Seine politischen Entscheidungen werden im Eiltempo zurückgenommen. In den USA sind nach der Ära Trump die Linken so stark wie nie zuvor in der Geschichte. Am Ende steht also aller überraschenden und dramatischen Triumphe über seine Gegner zum Trotz ein großes Scheitern.
Trump führt seine Wahlniederlage auf den Wahlbetrug der Demokraten zurück. Selbst wenn diese Erklärung zutrifft, stellt sich die Frage, was es über die tatsächliche Macht des US-Präsidenten aussagt, der immerhin über den Sicherheitsapparat einer globalen Supermacht verfügt, wenn er nicht einmal in der Lage ist, einen solchen gegen ihn gerichteten Wahlbetrug im eigenen Land zu verhindern? Was sagt es aus, dass am Ende alle seine juristischen Anstrengungen im Sande verliefen?
Diskurs in den USA ist heute linker als vor vier Jahren
Manipuliert normalerweise ein Amtsinhaber die Wahlen, um das Erstarken der schwachen Opposition zu verhindern, wäre doch die Manipulation von Wahlen durch die Opposition unter den Augen einer hilflosen Regierung ein ziemlich bemerkenswerter Umstand. Sprachen Historiker früher über die Phase der Nachkriegszeit, über die US-Regierung im Kalten Krieg als einer „imperialen Präsidentschaft“, zeigte sich Trumps Regierung zum Ende seiner Amtszeit als ohnmächtige Präsidentschaft. War es am Ende ein Wahlbetrug, durchgeführt direkt unter der Nase der US-Administration, dann wiegt das Scheitern sogar noch schwerer.
Während Trump sich, solange man ihn auf Twitter ließ, Narrenfreiheit herausnahm, sich selbst eine tabulose Kommunikation gewährte und ein globaler Stachel für alle Anhänger der Political Correctness war, setzte sich gleichzeitig diese Political Correctness in allen anderen Bereichen der US-Gesellschaft, Film und Kultur, Unternehmen und Universitäten, Wirtschaft und Wissenschaft fast vollständig durch. Der Diskurs in den Vereinigten Staaten ist heute linker und radikaler als vor vier Jahren, als Trump Präsident wurde.
Trumps Präsidentschaft führte nicht zu einer Wiederbelebung konservativer, rechtsliberaler oder christlicher Werte und Vorstellungen, sondern ging im Gegenteil mit einem massiven Erstarken der Identitäts-, Diversity-, und Genderpolitik und sozialistischen Ideen einher, wie sie in diesem Ausmaß bislang in den USA unbekannt waren. Auf kultureller Ebene waren die Trump-Jahre für die republikanisch wählende Mittelschicht und ihre Werte kein Erfolg, sondern ein veritables Desaster.
Auch auf kultureller Ebene wirkten die Reagan-Thatcher-Jahre nachhaltiger
Echte politische Macht bedeutet in einer Demokratie, nicht nur Wahlversprechen abzuarbeiten, die nach jedem Regierungswechsel binnen Wochen wieder zurückgenommen werden können, was gerade im Eildurchlauf durch die Regierung Biden geschieht, sondern seine politische und ideologische Agenda dermaßen in den Köpfen und Institutionen zu verankern, dass am Ende der politische Gegner sich diese selbst zu eigen machen muss, um als wählbar und regierungsfähig zu gelten.
Im Gegensatz zu Trump gelang es Reagan und Thatcher, ihre Agenda so weitgehend zu implementieren, dass selbst ihre direkten Nachfolger von den Demokraten und Labour diese nicht nur nicht umkehren konnten, sondern in Teilen für fast ein Jahrzehnt weitergeführt haben. Nach Reagan und den Reagonomics war es der Demokrat Bill Clinton, der die tiefsten Schnitte in den amerikanischen Wohlfahrtsstaat vornahm und den Staatshaushalt sanierte. Tony Blair baute New Labour auf den ökonomischen Grundpfeilern des Thatcherismus auf.
Auch auf kultureller Ebene wirkten die Reagan-Thatcher-Jahre nachhaltiger. Wer heute Serien und Filme aus den achtziger Jahren ansieht, der wird mitunter erstaunt darüber sein, in welchem Ausmaß der Kampf gegen Kommunismus und Sowjetunion, westlicher Individualismus und „amerikanische Werte“ nach dem eher defätistischen Jahrzehnt der siebziger Jahre Einzug in die Pop- und Populärkultur hielten. Ob Rocky Balboa seinen sowjetischen Gegner vor den Augen des Politbüros auf die Bretter schickte, John Rambo in Afghanistan als Einzelkämpfer ganze Sowjetarmeen auslöschte oder Sean Connery das sowjetische U-Boot „Roter Oktober“ entführte, der Kampf gegen die Sowjetunion und für den Kapitalismus wurde auch auf kultureller Ebene erfolgreich geführt – und das geschah nicht ohne den Einfluss der US-Regierung.
Demokratie war zu keiner Zeit reine Volksherrschaft
Die Fehleinschätzung von Trump beruhte auf der Annahme, dass es in der Demokratie vor allem darauf ankommt, die Basis zu mobilisieren und Wähler zu gewinnen und dass sich die Gesellschaft durch die Unterstützung von „unten“ führen lässt. Das ist allerdings eine Illusion, wenn auch eine sehr demokratische. Demokratie war nie und zu keiner Zeit reine Volksherrschaft. Das ist sie nicht einmal in der Schweiz. In allen politischen Systemen und auch in den westlichen Demokratien ist die Unterstützung durch die Bevölkerung oder wenigstens einen großen Teil der Bevölkerung nur ein Faktor, wenn auch ein wichtiger, unter vielen.
Viele andere Machtfaktoren wie Bürokratie, der Sicherheitsapparat, die Parteien, die Medien, der Kultur- und Bildungsbetrieb, Verbände, Unternehmen und gut organisierte Interessengruppen, die Justiz und das Finanzsystem sind mindestens ebenso wichtig für die Frage, ob es einem Präsidenten möglich ist, seine Agenda nicht nur kurzfristig zu beschließen, sondern langfristig in der Gesellschaft zu verankern.
Trumps Methode beruhte ganz wesentlich darauf, diese Systeme links liegenzulassen und an dem Establishment vorbei und über es hinweg zu regieren, indem er seine Basis in einem Zustand dauernder Mobilisierung hielt und indem er verhinderte, dass neben ihm andere Regierungsmitglieder und politische Akteure Macht gewinnen konnten. Das erste erreichte er, indem er seine Wahlkampfrhetorik über den Wahlkampf hinaus fortführte, ebenso wie durch die Direktansprache der Wähler und die massenwirksamen Großveranstaltungen. Das zweite erreichte er dadurch, dass er Regierungsmitglieder am laufenden Band austauschte und diese ohne Ankündigung und oft, ohne diese vorher darüber informiert zu haben, entließ, und zwar unabhängig davon, ob sie aufs Ganze gesehen erfolgreich waren oder nicht.
Trump-Show blieb Sache eines begabten Alleinunterhalters
Dadurch verhinderte er, dass starke Männer mit eigener Autorität und eigenem Machtbereich sich neben ihm einrichten und profilieren konnten. Er wahrte damit seine Autonomie und Unabhängigkeit gegenüber dem Apparat auf eine Weise, wie es kaum einem anderen Präsidenten gelungen war. Damit verhinderte er aber auch, dass starke Führungspersönlichkeiten mit Autorität seine Agenda eigenständig und kraftvoll in ihren Bereichen durchsetzen und dauerhaft Fakten schaffen konnten. Die Trump-Show blieb die Sache eines begabten Alleinunterhalters, der über geradezu übermenschliche Fähigkeiten hätte verfügen müssen, um allein und ohne solche mächtigen Männer an seiner Seite denselben Effekt erzielen zu können.
Ronald Reagan besaß hingegen eine Mannschaft aus sehr starken Persönlichkeiten. Dazu gehörte zum Beispiel Vizepräsident George Bush Senior, sein Stabschef James Baker, Verteidigungsminister Casper Weinberger, Außenminister George Shultz, der CIA-Direktor William Casey. Reagan konnte als Präsident über den Dingen stehen, weil diese Gruppe starker Männer seine Agenda vorantrieb. Als zum Beispiel das SDI-Programm, das Programm zur nuklearen Raketenabwehr, auf massive Skepsis in der Wissenschaft stieß, ließ Weinberger aus seinem eigenen Etat einen warmen Geldregen für SDI-Drittmittelforschung auf die amerikanischen Universitäten niedergehen. Innerhalb kürzester Zeit überwand die unabhängige, objektive und natürlich rein faktenbasierte Wissenschaft ihre Vorbehalte und erklärte das SDI-Programm für machbar, realistisch, sachlich geboten und finanzierbar.
Trump hat sich mit seiner Methode eine einmalige Stellung unter den Präsidenten geschaffen. Er musste keine Rücksicht auf sein Kabinett und mächtige Regierungsmitglieder nehmen und er nahm auch weiterhin kein Blatt vor den Mund. Dafür zahlte er politisch aber einen hohen Preis, einen zu hohen, wenn man die weitere Entwicklung betrachtet. Wenn es einem Präsidenten nicht gelingt, den Apparat in den Griff zu bekommen, seine Ideen auch im kulturellen Überbau der Gesellschaft zu implementieren und wenigstens Teile der Eliten für seinen Kurs zu gewinnen, dann hilft ihm aller Enthusiasmus und alle Begeisterung seiner Basis wenig.
Polemik und der verbale Holzhammer
Trump ist eines der großen PR-Genies der amerikanischen Politikgeschichte. Das hat ihm völlig unerwartete Erfolge gebracht. Diese Erfolge haben ihn aber in der Überzeugung bestärkt, dass er das politische Handwerkszeug nicht braucht, um erfolgreich zu sein. Es genügt nicht, das politische Establishment zu beschimpfen, man muss es sich gefügig machen. Die traditionellen Instrumente dafür sind Überzeugen, Verführen, Umwerben, Schmeicheln, Kaufen, Befördern, Verteilen, Verdrängen, Ausspielen, Spalten.
Wer einen Eindruck davon gewinnen will, wie es einem virtuosen Politiker gelingen kann, seine Macht zu sichern, obwohl ihn alle relevanten Kräfte von der Presse über den Koalitionspartner bis zu seiner eigenen Partei loswerden wollen, der sollte in Daniel Koerfers „Kampf ums Kanzleramt“ die Kapitel über die letzten Jahre der Kanzlerschaft Adenauers lesen.
Statt die Opposition zu spalten und gegeneinander auszuspielen, hat Trump sie mit seiner Rhetorik zu einem Block vereint. In der Politik kommt es aber nicht primär darauf an, dass gesagt wird, was gesagt werden muss, sondern, dass getan wird, was getan werden muss. Oft ist eine diplomatische Sprache, die die eigenen politischen Ziele eher beschönigt und bemäntelt, für die Durchsetzung wesentlich hilfreicher, als sich auf dem Marktplatz lautstark zu diesen Zielen zu bekennen. Wenn man zum Beispiel die Frage stellt, wer erfolgreicher darin war, die Gesellschaft in seinem Sinne umzubauen, die frühere FDJ-Sekretärin Angela Merkel mit ihrer einschläfernden Rhetorik oder der Bauunternehmer, Provokateur und Charismatiker Donald Trump, dann fällt die Antwort wohl eindeutig aus.
Polemik und der verbale Holzhammer sind bewährte und legitime Instrumente der Opposition, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen und die Basis zu mobilisieren. Um als Regierung in der Politik weitreichende Weichenstellungen durchzuführen, braucht man am Ende des Tages – man mag es mögen oder nicht – mit allen Wassern gewaschene Politiker. Trump hat versucht, die jahrhundertealten Spielregeln der Politik während des Spiels zu verändern. Er ist damit weit gekommen, weiter, als man das bei nüchterner Analyse hätte voraussagen können, doch am Ende hat er das Spiel doch verloren. Wer für die Republikaner in Trumps Fußstapfen tritt, kann von Trump über die Mobilisierung der politischen Basis viel lernen, doch genauso viel oder mehr von Politikern wie Konrad Adenauer, Margaret Thatcher und Ronald Reagan.