Jordan B. Peterson, Gastautor / 04.07.2018 / 06:10 / Foto: Pixabay / 20 / Seite ausdrucken

Warum sind Harry Potter, Herr der Ringe und Hobbit so erfolgreich?

Jede Geschichte, in der es um eine epische Suche oder Mission geht, etwa der „Hobbit“ oder der „Herr der Ringe“, beginnt mit einem Aufruf zum Handeln. Die Hobbits sind ein bisschen wie Studenten. Sie leben an einem geschützten Ort, sind nicht besonders groß oder schlau, und wissen nichts über die große, weite Welt, in der die Kräfte des Guten und Bösen miteinander ringen. Aus irgendeinem Grund wird ein Hobbit, der etwas abenteuerlustiger als die anderen ist, dazu aufgerufen, etwas zu tun. Ein Zauberer, also eine magische Figur, die sehr alt und sehr weise ist, die im Grunde genommen Gott sein könnte, sagt zu ihm: „Es ist an der Zeit, dass Du ein Dieb wirst.“ Was für eine seltsame Sache.

Im „Hobbit“ wird Bilbo dazu aufgerufen, einen Drachen zu suchen. Der Drachen hat einen Schatz. Auch das ist seltsam. Was ist mit den Drachen los? Sie bewachen entweder Jungfrauen, wie in der alten Legende von Sankt Georg, oder Gold. Das ist ein merkwürdiges Verhalten für eine Raubechse. Aber wir akzeptieren es einfach, ohne zu murren. Natürlich lebt ein Drachen in einem Berg, der von Zwergen ausgehöhlt wurde, und bewacht einen Schatz!

Warum haben wir kein Problem mit solchen Ideen? Selbstverständlich glaubt niemand wortwörtlich an den „Hobbit“. Aber wir lesen das Buch bis zum Ende. Oder gehen millionenfach ins Kino, um uns die Filme anzuschauen. Gleiches gilt für „Harry Potter“. Wieviel Geld hat dieses Phänomen eingespielt? Ich wette, Harry Potter hat mehr Gewinn gemacht, als die übrig gebliebenen britischen Stahlwerke.

Natürlich gibt es auch bei Harry Potter eine Raubechse. Sie kriecht unter dem Zauberinternat Hogwarts herum und verwandelt ihre Opfer mit einem Blick zu Stein. Bewacht diese Echse auch Jungfrauen? Naja. Wie heißt das Mädchen, das die Echse – der Basilisk – entführt? „Ginny“. Das ist die Kurzform von „Virginia“!

Harry rettet das Mädchen, in das er verliebt ist, vor einer verdammten Schlange, und wird dabei gelähmt. Was rettet Harry? Ein Phoenix! Der Basilisk beißt Harry, dieser droht, zu sterben, und ein Phoenix erscheint. Wem gehört der Phoenix? Dem Schulleiter, Dumbledore. Und was macht der Phoenix? Er weint in Harrys Wunden, der dadurch wieder zum Leben erwacht.

Eine Geschichte von Tod und Wiedergeburt

Harry Potter ist also eine Geschichte von Tod und Wiedergeburt. Der Charakter, der bereit ist, zu sterben und wiedergeboren zu werden, rettet die Jungfrau vor der Schlange. Ergibt das einen Sinn? Nun ja, Sie wissen, dass es Sinn macht, obwohl Sie nicht wirklich wissen, warum es Sinn macht.

Was passiert eigentlich mit dem Phoenix, nachdem er Harry gerettet hat? Er geht in Flammen auf und wird wiedergeboren. Die Geschichte wird also zweimal erzählt: Das Ding, das stirbt und wiedergeboren wird, ist das Ding, das die Schlange bezwingt und das „Feminine“ rettet.

Bei Harry Potter geht es nicht um Gold, aber das macht nichts, es ist dieselbe Geschichte. Es ist immer die gleiche Geschichte. Und was passiert, wenn man diese Geschichte nicht kennt? Etwa, weil man in einer Gesellschaft lebt, die einen nicht mit reichhaltigen Geschichten versorgt, die sich direkt aus ihrer kulturellen Tradition ableiten? Nun, dann wird die Geschichte, voll ausgeformt, in der Fantasie einer genialen Person erscheinen, zum Beispiel einer arbeitslosen Sozialhilfeempfängerin aus Großbritannien, die sieben Bücher raushaut und reicher als die Queen wird.

Die Geschichte von Joanne K. Rowling, der Autorin von Harry Potter, ist eine Aschenputtel-Story. Es ist ein unglaubliche Geschichte. Und jetzt haben Millionen Kinder mit Hilfe dieser Bücher lesen gelernt, und Millionen Menschen haben die Verfilmungen gesehen. Aber keiner versteht, was er da wirklich macht, wenn er Harry Potter liest oder schaut. Dass es der selben alten Geschichte folgt.

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Personality Lecture 03: Mythological Elements of the Life Story – and Initiation“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem YouTube-Kanal von Jordan B. Peterson.

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Peter Zentner / 04.07.2018

Darf ich als erklärter Fan von Jordan B. Peterson, einem Autor der Achse des Guten, ein wenig Werbung für diesen weisen und springlebendigen Denker und Lehrer machen? Seit einer Woche vertiefe ich mich in sein Buch “12 Rules for Life — An Antidote to Chaos” (soeben bei Allen Lane erschienen). Die 410 Seiten samt reichlichen Quellenangaben gibt’s für ~13 €, und noch nie habe ich für so wenig Geld so viel zeitlos Gültiges an Land gezogen. ISBN: 978-0-241-35164-2. || Die hier wöchentlich veröffentlichten Ausschnitte seiner einstündigen YouTube-Uni-Vorlesungen, wenn auch liebevoll übersetzt, sind halt nur Krümel einer gewaltigen Torte, die mit jedem Bissen fesselnder schmeckt. || Herzliche Grüße!

Martin Wessner / 04.07.2018

Als Kind habe ich vorallem die Bücher der britischen Autorin Enid Blyton gelesen. Leider weiss ich bis heute nicht, wie ein echter Plumpudding schmeckt, obwohl er ja von den Helden der Romane quasi ständig zu allen Tageszeiten verzehrt wurde.

Thomas Baader / 04.07.2018

@ Richard Loewe: Herrje, jeder Mensch hat nun einmal sein Hobby. Ob “Herr der Ringe” oder “Harry Potter” lesen nun wirklich infantiler ist, als sich mit schwarz-rot-goldener-Lockenperücke ins Fußballstadion zu setzen, beim Faschingsumzug den Indianerhäuptling zu spielen, Zinnminiaturen anzumalen, “Siedler von Catan” zu zocken, Filme von Bud Spencer und Terence Hill anzusehen, Origami perfekt zu beherrschen oder jonglierend Einrad zu fahren - das sei mal dahingestellt. Mich stört keines dieser Dinge, jeder soll gerne das machen, was ihm Freude bringt. Mich wundern nur immer die Menschen, die so viel Zeit darauf verwenden, sich für etwas zu schämen, was andere Menschen tun (und sie eigentlich gar nichts angeht).

Rudi Knoth / 04.07.2018

Nun es ist das alte Lied von Gut und Böse. Eventuell noch wie in den Märchen der Gebrüder Grimm. “Aschenputtel”, “das tapfere Schneider lein” etc sind die kleinen Helden des Alltags, die Großes vollbringen. Der Mensch braucht Etwaszum Träumen.

Phillip Roth / 04.07.2018

Ich widerspreche. Jedenfalls was Geschichten und Fragmente aus dem Kosmos “Mittelerde” betrifft. Tolkien hat mit seiner Kenntnissen der nordischen Mythologie eine neue Fassung dieser reichen Sagen- und Legendenwelt geschaffen, die überdauern wird. Und damit konservieren der Herr der Ringe aber auch der Hobbit und Bücher wie das “Silmarillion” alte Erzählungen für die Nachwelt. Erzählungen die vielen heute zu langatmig sein dürften. Tolkien hat ganze Sprachen entwickelt, liebevoll Charaktere und Handlungsstränge gezeichnet. Das so herabzusetzen finde ich ein wenig unverschämt. Potter Harry hingegen ist nicht nur schlecht geschrieben, sondern auch noch eine billige Aufwärmung populärer Hexen- und Zauberergeschichten.

Volker Kleinophorst / 04.07.2018

Thematisiert wird in den Büchern der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Und da muss doch wenigstens an einer Stelle das Gute siegen: Im Märchen.

Martin Landvoigt / 04.07.2018

Ein wichtiger Gedankenanstoß! Wer nur im Profanen der Tagespolitik und Trivialweltdeutung gefangen bleibt, muss sich nicht wundern, wenn sein Leben verarmt. Aber mehrere Fragen bleiben offen: Handelt es sich bei diesen Geschichten um so was wie Ausformungen des kollektiven Unbewussten, Archetypen, wie sie C.G.Jung beschrieb? Dann wäre es etwas Verbindendes und zutiefst Menschliches, derartige Konkretisierungen der dahinterstehenden Wahrheit zu vertiefen. Oder ist es gar die gleiche Geschichte, wie sie auch im Neuen Testament, allerdings hier klar als Jesus Christus mit Hingabe, Tod und Auferstehung erzählt wird? Oder sind es spezifische kulturelle Entwicklungen, die wiederum prägend in das Denken der Menschen jener Kultur einwirken, letztlich gar diese Kultur mit ausprägte? Dann hat das Narrativ auch viel mit inneren Werten zu tun, die gerade implizit die Identität herausbilden.  So oder so, ein höchst spannender Akt, auch wenn man eher politisch interessiert ist als literaturbeflissen.

Paul Mittelsdorf / 04.07.2018

Ich finde diesen kurzen Artikel sehr oberflächlich. Natürlich greifen Tolkien und Rowling auf Muster zurück - den eher naiven, noch unfertigen Helden, Drachen, irgendwo eine Art Prinzessin ... Aber das sind doch keine wirklichen Erklärungsansätze für den Erfolg, den beide Autoren hatten. Sowohl Tolkien als auch Rowling ist es, beiden auf völlig unterschiedliche Weise, gelungen, Welten zu erschaffen, die glaubwürdig sind. Tolkiens Herr der Ringe war für mich spätestens beim Alten Wald eher die Niederschrift einer uralten, lange verschollenen Geschichte als ein fiktives Werk. Und, was Harry Potter betrifft, ich kann nicht mehr durch London gehen, ohne hinter abgeschabten Türen oder Mauern Eingänge zur Welt jener Menschen mit Umhängen und sonderbaren Namen und Hüten zu vermuten. Tolkien ist selbst tief eingetaucht in eine Art von Zauberei, ohne die man Orte, Geschöpfe und Namen, die man in seinen Werken findet, nicht erschaffen könnte. C.S.Lewis sagte einmal, Tolkien sei in “das Innere der Sprache” vorgedrungen, was ein Beispiel für einen Erklärungsansatz dessen ist, zu dem Tolkien fähig war. Harry Potter dagegen bezieht seine Glaubwürdigkeit aus vollkommen anderen Quellen. Harry Potter ist nicht logisch und seltsamerweise spielt das keinerlei Rolle. Rowling hat einen Blick auf eine Welt erhascht, die sich der Logik sozusagen verschloß und Rowling ist nicht die Person, der es daran lag, die verwunderlichen Dinge, die in ihren Büchern geschehen, aufeinander abzustimmen. Trotzdem ist es für mich, als existiere diese Welt irgendwo. Genauso wie der Alte Wald, Bilbo und Gandalf. Ich weiß nicht, ob jemals jemand die Sehnsucht nach etwas, was ich hier nicht genau beschreiben kann - etwas Altes, etwas Ursprüngliches, etwas Ungezähmtes und etwas Wunderschönes - so greifbar wie im Herr der Ringe beschrieben hat.   

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