Die Angstgeneration „Hofgarten“ hoppelt wieder, bringt jetzt sogar ihre Aktivistenenkel mit und poliert den Kampfschrott aus den verlorenen Anti-Reagan- und Anti-Pershing-Tagen wieder zu altem Glanze auf. Was damals zum Glück der Osteuropäer nicht verfing, soll es dieses Mal richten. Reagan entpuppte sich gegen die Aktivistenszene als Glücksfall und seinen Raketen danke ich noch immer. Über die Aktivisten schüttelte ich damals den Kopf und komme heute wieder nicht aus dem Lachen raus. Uralt im Kopf und nix dazu gelernt, mehr kann ich da nicht attestieren.
Das aktuelle Kampflied heißt: Der Menschheitsfeind in Washington pöbelt (was er tatsächlich gröblichst im Wahlkampf tat), plustert sich auf und heißt Trump. Ich weiß nicht, wer Trump ist. Ich kann ihn wirklich nicht einschätzen. Ist das meine Schuld? Das streite ich ab. Schuld daran sind unsere eigentlich freien Medien. Im SED-Propagandastil ließen sie kein gutes Haar am Bösewicht Trompete. Sie ließen so gründlich kein gutes Haar an diesem Gottseibeiuns, dass mir die Zweifel wie zu Zonenzeiten kamen, ob das denn tatsächlich das richtige Bild vom Donald ist.
Genau so hatten uns die Kommunisten die Bundesrepublik und Sozialdemokratie zur Sau machen wollen. Deshalb kam ich in meiner Jugend darauf, mich selbst um Informationen über die Sozialdemokraten, über Kurt Schumacher, über Willy Brandt, über Helmut Schmidt, auch über Sozialdemokraten wie Mosche Dayan zu kümmern. Im Ergebnis wurde ich Sozialdemokrat. Oskar Lafontaine trug keinerlei Schuld an diesem Erkenntnisprozess.
So gut wie alle Medien reiten unisono den Angstgaul
Zurück zu Mr. Trump. Meine Zweifel haben sich gemehrt. Gemehrt auch, weil dieses mediale Affentheater täglich so weiter geht. Nun ist es das uralte und bewährte US-Wahlsystem, was von Europas Straßen und Plätzen aus geändert werden muss? Von Straßen und Plätzen, die nur durch Präsenz der US-Amerikaner freie Straßen Plätze wurden und bleiben konnten? Ich krieg‘ die Tür nicht zu.
Um es vorweg zu nehmen: Frankfurter Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Zeit, Spiegel, ARD, ZDF, die Privaten – sie alle sind keine vom Politbüro straff gelenkte DDR-Medienlandschaft. Definitiv nicht. Unsere Medien sind frei. Medien in Freiheit hatten wir uns sehnlichst gewünscht und 1989/90 den Weg dazu erkämpft. Allein die fehlenden Todesmauern und Todeszäune, Stacheldraht, Schießbefehl, Gelbes Elend, Hohenschönhausen, die politisch instrumentalisierten Irrenanstalten und so weiter und so fort machen diesen Vergleich mit gelenkten Medien unmöglich.
Um so erstaunlicher ist es, dass so gut wie alle Medien dieses freiesten Deutschlands, was es je gab, unisono den Angstgaul reiten und sogar das US-amerikanische Wahlmännersystem, welches sowohl republikanische als auch demokratische Präsidenten hervorbrachte, aus Gründen der Menschenrettung am liebsten ändern wollten. Interessant zu wissen wäre, wie sie denn dann mit dem bundesdeutschen Wahlmännersystem zur Wahl des Bundespräsidenten umgehen wollen?
Warum haben sich die freien Medien zu Lautsprechern ein und desselben Liedes verändert?
Ich selbst akzeptiere das US-Wahlsystem, was anderes bleibt mir angesichts der US-Demokratie auch nicht übrig, und ich verteidige das deutsche Wahlmännersystem als zeitlos richtig. Ich verteidige zudem diese Bundesrepublik gegen den Schwachsinn „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“. Aber das nur nebenbei. Ich frage mich, wieso haben sich viele dieser freien Medien zu Lautsprechern ein und desselben Liedes verändern können? Wieso geben diese Medien ein so einfarbiges gegenüber dem tatsächlich grellbunten Stimmungsbild in der Bevölkerung ab? Hängt dies mit dem Marsch durch die Institutionen zusammen? Ist die 68er Bewegung (Bewegung sic!) jetzt auf fast jedem Redaktionsstuhl zum Schreiben und damit zum Bleiben angekommen?
Bekommt hier überhaupt jemand mit, dass Deckel und Topf nicht nur in der Politikbundesliga sondern auch im Medienbereich nicht mehr passfähig übereinander liegen? Dass die Statik verrutscht wurde? Dass sich alle Parteien wie auf einer Wippe links breitgemacht haben und rechts den Platz freiwillig freimachten? Im realen Leben gibt es aber kein Vakuum.
Am 18. März 1990 war in der endlich freien DDR ein existenzieller Wahltag. Niemand kam ernsthaft auf die Idee ob des Sieges der Blockparteien ein (berechtigtes) Lamento anzufangen. Es war Wahl, das Wahlvolk hatte gesprochen und das Ergebnis wurde akzeptiert. Und was ist heute zu beobachten? Das US-Wahlergebnis würde nur akzeptiert, wenn es passt? Das ist widerlich und fällt mehr auf die Hysteriker als auf den Sieger zurück. Alles Psychologie.
Wie ich oben schrieb, ich kann Trump nicht einschätzen. Seine Rede nach dem Sieg klang vernünftig. Er sammelte sogar einiges aus dem Wahlkampf sofort ein. Inzwischen traf er personelle Entscheidungen, die so schlecht nicht sind. Der Krieg gegen den Westen ist eine Tatsache und dürfte als Erkenntnis keineswegs zum Ende der NATO führen. „Donald allein zu Haus“ wäre global betrachtet auch für einen Großtöner wie Trump eine Nummer zu groß sein.
Zwischen roten Linien lässt sich besser als im Nebel verhandeln
Richtig ist seine Forderung an die Europäer, mehr für die eigene Sicherheit zu tun. Es geht nicht an, die alten und neuen „Ami-go-home-freaks“ zu päppeln (Linksaußen dabei sogar einen Regierungsplatz einräumen zu wollen!) und die Amis den Schutz allein finanzieren zu lassen. Wer muss hier eigentlich auf die Couch? Trump der Europa? Auch ist es wichtig zu wissen, dass sein Sicherheitsberater Rußland zu den Feinden des Westens zählt. Nicht, weil das Krieg bedeutet. Nein. Weil es klare rote Linien bedeutet. Rote Linien sind für alle gut. Zwischen roten Linien lässt sich besser als im Nebel verhandeln. Das war schon zu Brandts und Schmidts Zeiten so.
Eine Sorge wurde öffentlich wirksam mit der Figur eines möglichen Diktators Trump erfunden. In seiner Hunderttagebotschaft nahm er sich nur Projekte vor, die der Präsident allein entscheiden kann. Seine weiteren faktisch noch unbekannten Schwerpunkte will er mit dem Kongress aushandeln. Für mich ist das eine Weise, die Institutionen achtet. Bis jetzt hat das Amt noch jeden Präsidenten stärker geformt als es umgekehrt der Fall war. Ich bin auch deshalb gelassen und wechsle nicht dreimal am Tag Trump’s wegen die Windeln. Das können die Bettnässer viel besser. Ich war 1981 schon keiner.
Er wurde demokratisch gewählt. Einhundert Tage stehen ihm ohnehin zu. An seinen Taten werde ich ihn messen. Mein Hauptaugenmerk wird auf seinen roten Linien liegen. Die NATO-Außengrenzen sind besonders wichtig. Ohne diese können wir den großen Rest an eigenen Zielen und Wünschen beinahe vergessen.
Ach so, er ist kein Sozialdemokrat. Schade. Ich kann es nicht ändern.
Gunter Weißgerber ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD (1990 - 2009) und gehörte in der DDR zu den Leipziger Gründungsmitgliedern der Partei