Sebastian Bauer, Gastautor / 23.03.2021 / 06:15 / Foto: Pixabay / 78 / Seite ausdrucken

Warum kommt Südostasien so gut durch Corona?

Im Rahmen meiner beruflich Tätigkeit in der Arzneimittelentwicklung habe ich in den letzten Jahren einige Reisen nach Taiwan absolviert. Ein fantastisches Reiseziel, extrem dicht besiedelt (23 Millionen Einwohner) mit fantastisch freundlichen Menschen auf der Westseite und mit viel beeindruckender Natur im bergigen Osten.

Ein schwedischer Kollege, der den „schwedischen Weg“ (hier oder hier) sehr kritisch sieht, wies mich darauf hin, wie fantastisch doch Taiwan (im Gegensatz zu Schweden) seiner Meinung nach die Coronakrise gemeistert hat (hier ein Beitrag des schwedischen Fernsehens, in dem, neben der Tatsache, dass Taiwan eine(n) transgender Minister(in) ohne Portfolio hat, das virusfreie Taiwan gefeiert wurde.)

Dass Taiwan es geschafft hat, fast covidvirusfrei zu bleiben, halte ich für glaubhaft. Immerhin ist es eine Insel; und diese Insel hat Erfahrung hinsichtlich Krankheiten, die über die Formosastraße schwappen. Folglich reagierte Taiwan sehr früh, und es ist gut möglich, dass ihnen das gleiche Kunststück wie den Neuseeländern gelungen ist. 

Schon am 31.12.2019 fing Taiwan damit an Flugzeuge aus Wuhan auf kranke Passagiere hin zu untersuchen. Zum Vergleich: Als ich Anfang März 2020 aus Innsbruck nach Stockholm flog, erwartete ich spezielle Kontrollen oder Anweisungen am Flughafen Arlanda, aber dergleichen gab es nicht. Und so war es wohl in den meisten europäischen Ländern zu dieser Zeit. So weit, so schön und narrativkompatibel. Aber meine Neugier war geweckt, und ich wollte mehr herausfinden, insbesondere über andere Länder der gleichen Region Südostasien. Dabei stieß ich auf erstaunliche Zahlen.

Ich suchte die registrierten Covid-Fallzahlen und Covid-Todeszahlen für folgende „Länder“ heraus:

  • Guangdong Provinz (chinesische Provinz gegenüber Taiwan) mit 113 Mio. Einwohnern
  • Vietnam mit 96 Mio. Einwohnern
  • Laos mit 7 Mio. Einwohnern
  • Thailand mit 69 Mio. Einwohnern
  • Kambodscha mit 16 Mio. Einwohnern

Von all diesen Ländern steht Taiwan am „zweitschlechtesten“ da, wenn man Todesfälle per Capita rechnet. Nur Thailand steht mit registrierten 89 Covid-Todesfällen etwas schlechter da (Quote: 0,001 Promille; zum Vergleich, Norwegen, europäisches Musterland mit Untersterblichkeit, hat im Corona-Jahr eine „Corona-Todesquote per capita“ von 0,12 Promille, also Faktor 100 höher als Thailand). Die Guangdong Provinz in China hat sage und schreibe nur 8 Corona-Todesfälle zu vermelden. Taiwan ist also gar nichts Besonderes in diesem Teil der Welt.

Warum schneidet Südostasien so gut ab?

Natürlich setzt ein Vergleich voraus, dass ähnlich gemessen, getestet und berichtet wird. Von letzterem kann man nicht ausgehen, weshalb dieser Vergleich „cum grano salis“ gesehen werden muss. Aber „skam på den som ger sig“ wie man auf schwedisch sagt. „Schande über den, der aufgibt“.

Auch wenn es für mich unmöglich ist, die Datenqualität dieser Länder zu überprüfen, bot diese fantastische weltweite Übersterblichkeitsstatistik die Gelegenheit, zu überprüfen, ob es eine riesige Dunkelziffer in diesen Ländern gab. Nicht alle Länder waren dabei, aber immerhin Thailand und Taiwan. Und beide Länder weisen für das Corona-Jahr eine deutliche Untersterblichkeit auf. In guter Gesellschaft mit vielen anderen Ländern dieser Region (Japan, Südkorea, Philippinen und der Mongolei als Untersterblichkeitsweltmeister, noch vor Neuseeland). Ein deutlicher Hinweis (Beweis?) dafür, dass es in diesen Ländern keine „getarnte“, signifkante Corona-Sterblichkeit gegeben hat.

Und dies ganz ohne Insellage bei den meisten genannten Ländern und mit extrem hohen Bevölkerungsdichten. Wie ist das möglich? „The Economist” bietet gleich eine narrativkonforme Antwort zu dem „Dilemma“ an:

In contrast, Thailand and the Philippines both had “negative” excess mortality – fewer deaths than they would have recorded in a normal year, perhaps because of social distancing.

"Im Gegensatz dazu hatten Thailand und die Philippinen eine "negative" Übersterblichkeit – weniger Todesfälle, als sie in einem normalen Jahr zu verzeichnen gehabt hätten, vielleicht wegen der sozialen Distanzierung." 

Ernsthaft? In einigen der am dichtesten besiedelten und teilweise eher armen Ländern (z.B. Philippinen) der Welt? Besser als zum Beispiel Finnland im „social distancing“? Das ist vielleicht nur meine europäische Arroganz und Ignoranz, und ich lasse mich durch ortskundige Leser gerne eines Besseren belehren.

Sehr weit verbreitete Grundimmunität/Kreuzimmunität

Weiter habe ich gegoogelt, wie z.B. Vietnam seinen Erfolg erklärt und habe Folgendes gefunden: Die Regierung hat Corona gleich zu Anfang „den Krieg erklärt“ und den Sieg durch schnelles und durchdachtes Handeln gewonnen. „Vietnamese leadership began waging war on COVID-19 with early, decisive action.“ 

Nun ja, die ganze Wahrheit werden wir nie herausbekommen, und ich kann hier auch nur meine Meinung und keine wissenschaftliche Abhandlung wiedergeben. Ich habe jedoch große Zweifel an diesem Regierungsnarrativ oder an der Deutung des „Economist“. Möglicherweise hätte China in Hubei das hinkriegen können; gut möglich für Taiwan (tolles Land). Ich bin jedoch der Meinung, dass es absurd ist, zu glauben, dass der gesamte Südosten und Osten Asiens durchgehend so extrem niedrige Corona-Todeszahlen und auch Untersterblichkeit hinbekommen haben, nur weil alle (sehr diversen) Regierungen und Länder im Prinzip alles und auf Anhieb richtig gemacht haben. Wohingegen große Teile der restlichen Welt (ja, sogar Norwegen und Finnland sind „schlechter“ in der pro-Kopf-Covidopferzahl als das Epizentrum der Pandemie, die Provinz Hubei) mehr oder weniger versagt haben.

Persönlich bin ich der Meinung, dass die wahrscheinliche Erklärung, die Sinn macht, darin besteht, dass sehr ähnliche Viren wie SARS-CoV-2 schon seit Menschengedenken in dieser Region zirkulieren; und dass eine sehr weit verbreitete Grundimmunität/Kreuzimmunität eine pandemische Katastrophe ganz von alleine sehr effektiv verhindert haben könnte; die unterschiedlichen Lockdowns haben dann wahrscheinlich nur marginale Unterschiede gemacht. 

Ob die chinesische Regierung dies wusste oder ahnte, kann man natürlich nicht wissen, aber es ist wohl sicher, dass die kommunistischen Herrscher sich des Propagandawerts eines erfolgreichen Kriegs gegen ein Virus bewusst waren (so wie auch die Herrscher in Vietnam oder ein Ministerpäsident in Bayern).

Was die chinesische Regierung sicher nicht erwartete, war, dass das Ergebnis der von ihnen inszenierten chinesischen Oper ihre kühnsten Erwartungen bei Weitem übertreffen würde. Aber, das kann man „den Chinesen“ nicht anlasten. Da muss „der Westen“ schon sich selbst den Spiegel vorhalten (Herr Meschnig hat dies hier sehr schön gemacht: „Dekadenz – ein böses Wort?“). China sägt nicht an dem Ast, auf dem wir sitzen. Das machen wir schon selber.

Nachtrag zu Südamerika

Unter den südamerikanischen Ländern hat das Brasilien des berüchtigten Coronaleugners Bolsonaro zusammen mit Chile die niedrigste Übersterblichkeit des Halbkontinents. Das Land mit dem vielleicht strengsten Lockdown der Welt, Peru (“The country with the world’s strictest lockdown…“) ist mit Abstand Übersterblichkeitsweltmeister im Corona-Jahr 2020. Man muss (nach aktuell geltender simpler Logik) zum unwiderlegbaren Schluss kommen: „Lockdowns töten“. Womit ich zurück zu mir nach Schweden komme, nämlich zu Doktor Rushworth aus Stockholm, der schon vor mir geschrieben hat „Lockdowns have killed millions“. 

Foto: Staff Sgt. Marianique Santos via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Frances Johnson / 23.03.2021

“Nun ja, die ganze Wahrheit werden wir nie herausbekommen, ...... Der wesentliche Satzteil. Eines Tages las ich mal, dass Asiaten ein Gen haben sollen, dass weder Schwarze noch Weiße haben. Es ist doch seltsam, dass sich diese Arbeit nicht wiederfinden lässt. Multizentrische Weiterentwicklung des Menschen darf es nicht geben, obwohl diese in der Tierwelt vorzufinden ist. Nicht alles ist und war Migration. Ansonsten zu Ihrem Satzteil und Wiesendanger. Allerdings gibt es noch andere Erklärungen. Asiaten regen sich mutmaßlich nicht ganz so auf, wenn über 80Jährige sterben, das Ableben nimmt generell einen eher fatalistischen Platz ein. Wenn über 80Jährige an ihrer Grunderkrankung sterben, macht möglicherweise kein Asiate zusätzlich ein C-Siegel drauf, besser für die Wirtschaft. Nächste Erklärung: Da Australien und Neuseeland ebfs. wenig betroffen sind, muss die Lage bedacht werden. In einem Dreieck zwischen Japan, Java und Neuseeland ist alles vulkanisch, und soweit ich weiß, hat Chile (hatte zumindest) auch kein großes Problem, Island auch nicht. Auch nicht nennenswert Mozambique, Mauritius, Seychellen, Malediven. Etwas mehr jedoch Indonesien, allerdings ist das nicht so trocken. Alles in allem nur eine Idee, dass Geographie und Klima auch eine Rolle spielen könnten, dass die Menschen dort z.B. etwas robuster sein könnten. Und man muss festhalten, dass wir hier und in den USA einen kalten Winter mit Schnee und Eis hatten und in den Alpen auch noch haben und vor allem auch einen langen Herbst und Winter. China ist dort, wo es richtig kalt wird, eher dünn besiedelt, und Taiwan ist warm. Diesen langen Winter, der auch normalerweise andere Atemwegserkr. begünstigt, darf man wohl kaum außer Acht lassen. Ich weiß, Peking hat die Ol. Winterspiele, sie werden das aber mit Kunstschnee regeln.

Clemens Jäkel / 23.03.2021

Herr Bauer, ich teile Ihre Einschätzung, was das gute Pandemiemanagement in Südostasien betrifft. Es muss noch einen anderen Grund dafür geben, als die bekannten Maßnahmen, zumal die persönliche Komfortzohne in dieser Region sehr klein ist, und damit das Ansteckungsrisiko höher sein dürfte. Eine weitverbreitete Kreuzimmunität, durch Sars-Cov-2-ähnliche Viren, könnte so ein Grund sein. Der Aussage “Lockdown have killed millions” muß ich allerdings widersprechen. Zu behaupten, daß die Lockdowns die vielen Infektionen verursacht haben, ist ungefähr so, als wenn man behaupten würde, daß das Bremsen in einer Gefahrensituation zum Unfall führt, weil die meisten gecrashten Autos vor dem Unfall gebremst haben.

Magdalena Hofmeister / 23.03.2021

Das mit der Kreuzimmunität erklärt möglicher Weise sogar zum Teil die prozentual sehr hohe Zahl an jüngeren (!) noch-nicht-so-lange-Hierseienden mit Covid-19 in den Intensivstationen. Wohlgemerkt nicht nur bei den Infizierten. Ein höherer Anteil von Migranten bei den Infizierten insgesamt (dazu wurden aber meines Wissens keine Aussagen gemacht) ließe sich sozio-mental erklären, aber nicht die immens hohen Hospitalisierungsraten von ansonsten nicht so stark Gefährdeten unter 50 Jahren. Mangelnde Kreuzimmunität und Vitamin D Mangel werden die wichtigsten Gründe dafür sein. Und das schreibe ich, auch wenn ich keine Vitamin-D-Jüngerin bin. Fakt ist aber nun einmal, dass Dunkelhäutigen die Sonneneinstrahlung in unseren Breiten nicht reicht. Vitamin-D Mangel bei uns Bleichgesichtern, die wir an unsere Breiten eigentlich gut angepasst sind, ist dagegen wohl eher dem modernen, widernatürlichen Arbeits- und Lebensstil zu verdanken. (Einsperren in Pflegeeinrichtungen ist natürlich auch nicht förderlich.) Aber da das Thema ja politisch inkorrekt ist, lässt man möglicher Weise lebensrettende Forschung/Maßnahmen in dieser Richtung lieber bleiben. Aber gut, bei Corona geht es ohnehin schon längst nicht mehr um Gesundheit und die Rettung von Leben, das müsste langsam dem Letzten dämmern.

Steve Acker / 23.03.2021

J.G.R Benthien ähnliches im berchtesgadener land. über Monate harter lockdown. Tourismus seit Oktober platt gemacht. Inzidenz ständig auf hohem niveau.

Steve Acker / 23.03.2021

Ist nicht auch ein Aspekt, dass es in diesen Ländern viel weniger Übergewichtige gibt ?

Steve Acker / 23.03.2021

Man bekommt ja immer wieder aufgetischt. : In Fernost würden die Leute schon immer Maske tragen, auch schon vor Corona, das sei dort ganz normal. Mich würde interessieren, wie sieht die Realität aus ? - Wieviel Prozent der Menschen tragen Maske? - Aus welchem Anlass : Krankheiten, Luftverschmutzung, eigene Erkrankung um andere nciht anzustecken… ? - Wie lange tragen sie die Maske , am Tag ? im Jahr: ein-zwei Wochen, oder den halben winter ? Hat da jemand Erfahrungen bzw. Infos ?

Günter Springer / 23.03.2021

Warum,warum,warum??? Weil die nicht von einer heillos überforderten Beamtensekte (wie z.B. bei uns )  regiert werden! So einfach ist das. Die haben sich mit Sicherheit nicht mit Zahlenjonglerei beschäftigt sondern angepackt wo es nötig war. Dafür haben bei uns verantwortliche Politiker große Geschäfte mit der Pandemie gemacht, Pfui!

Bettina Landmesser / 23.03.2021

Da das Virus im Labor gezüchtet wurde, und ich gelesen habe, dass die Chinesen versuch(t)en, Viren zu produzieren, die asiatischen Menschen nicht schaden, kann ich mir vorstellen, dass dies Covid-19 Virus genau so eines ist. Es wäre interessant, herauszufinden, inwieweit die asiatische Bevölkerung in den USA von dem Virus betroffen ist.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com