Bertha Stein, Gastautorin / 23.01.2019 / 06:13 / Foto: Pixabay / 54 / Seite ausdrucken

Warum klappt es nicht mit dem Aufstehen?

Von der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ hört man wenig. So ehrenwert die Gründung war, so ist sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Aber warum eigentlich? Medienwirksam sind ihre Aktionen. Die Gründung der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ oder der Protest von Sahra Wagenknecht in Gelber Weste vor dem Reichstag zeigen das. Es sind sozusagen moralische Weckrufe an die Nation. Notwendig, aber unwirksam. Gleichermaßen wie beim selbsternannten Moralapostel der Sozialdemokratie, Kevin Kühnert. Viel Medienlärm um nichts.

Doch woran scheitert Sahra Wagenknechts Bewegung? Dafür gibt es mehrere Gründe. Einige liegen außerhalb ihres Einflussraums, andere sind in ihrer Person zu finden. Warum solch ein Irrweg? Vielleicht weil die Kurz- und Schnelllebigkeit der Medienbranche Oberflächlichkeit und Diskontinuität unterstützt. Weder sympathisiert noch verabscheut der „einfache Mann“ die Sammlungsbewegung. Sie ist ihm einfach egal.

Vielleicht weil Arbeitsgemeinschaften in ganz Deutschland schön und gut sind.        Entschieden wird nicht im Café, sondern auf der Straße. Mit Kaffee und Kuchen können Massen nicht erreicht werden. Vielleicht weil „Aufstehen“ von den anderen Parteien als Konkurrentin angesehen wird, was ihr erschwert sich zu etablieren. Vielleicht weil Parteiinteressen der Linken mit Zielen von „Aufstehen“ konfligieren. Das führt zu einem unnötigen Interessenkonflikt. Hierdurch verpulverte Energie wäre in das Projekt besser aufgehoben. Vielleicht weil mit „Aufstehen“ „von oben“ versucht wird eine Bewegung „von unten“ zu etablieren. Das kann nur schief gehen. Vielleicht weil Wagenknecht keine Identifikationsfigur für den „kleinen Mann“ ist. Somit fehlt es ihr an Glaubwürdigkeit.

Berliner haben eine hohe Schmerzgrenze

Wagenknecht und Konsorten an der Spitze stehen nicht auf, sondern lassen sich medial tragen. Sie wollen nicht wissen, 

  • dass, um eine größere mediale Aufmerksamkeit zu erhalten, es mehrerer unkonventioneller Kampagnen über einen längeren Zeitraum bedarf. Keine neuen 08/15-Demonstration.
  • dass Berliner eine hohe Schmerzgrenze haben: Berliner Flughafen, Berliner Behördensystem und Berliner Mietpreise. Bei den Brandenburgern, Sachsen oder Thüringern wären solche dysfunktionalen Zustände nicht tragbar. Warum nicht also auf dieses Potenzial zurückgreifen, um auf die Straße zu gehen?
  • dass die Gelbwesten in Frankreich gezeigt haben wie es geht. Ohne politischen       Rückhalt ist ihr Vorgehen die einzige Möglichkeit für „Aufstehen“ nicht „sitzen“ zu bleiben.
  • dass das Prinzip „entweder-oder“ gilt. Entweder bleibt Sahra Wagenknecht Parteivorsitzende der Linken oder sie widmet sich ganz der Sammlungsbewegung. „Sowohl-als auch“ geht nicht, gibt‘s nicht, wird nicht. Schließlich versteht sich „Aufstehen“ als überparteiliche Bewegung.
  • dass mit den Führungsköpfen „Aufstehen“ zeigt was sie ist. Eine Bewegung für sich selbst. Ein Stammtisch linker Intellektueller. Nichts machen, sondern sinnieren. Man sitzt feuchtfröhlich mit Bier am Tisch und philosophiert über Hegels „Phänomenologie“ vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Prozesse. Doch das interessiert den „kleinen Mann“ nicht. Was er will, sind ein sicherer, gut bezahlter Job, mit dem er sich ein Heim, ein Auto, den Urlaub und sein Hobby finanzieren kann.
  • dass Massen sich nicht mit Argumenten begeistern lassen .Konkrete Änderungen und Emotionen sind das Entscheidende. Egal ob Rosa Luxemburg oder Jeanne D‘Arc. Beide kämpften leidenschaftlich für ihre Sache und schritten zur Tat. Das fühlten und sahen ihre Anhänger, und deswegen schenkten sie ihnen auch Glauben.

Und jede Sammelbewegung braucht noch eins: eine neue Galionsfigur. Am besten ein politisch unbeschriebenes Blatt. Zu tief sitzen die durch das politische Establishment verursachten Vertrauensrisse im Herzen der Bevölkerung. Funktionäre, Delegierte, Repräsentanten gibt es hierzulande schon genug. Sollen sie repräsentativ aufstehen? Für wen?

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Leserpost

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Klaus Klinner / 23.01.2019

Viele Beiträge der Achse lese ich mit Gewinn und/oder Vergnügen. Man mag Wagenknecht mögen oder nicht, Aufstehen wollen oder nicht, aber dieser Beitrag ist sehr schwach und hat kein Achse-Niveau. Ganz ehrlich, ich verstehe nicht einmal das Anliegen der Autorin.

Ester Burke / 23.01.2019

Will der “kleine Mann” mit seinem sicheren und gut (genug) bezahlten Job nicht ( mehr ) auch seine FAMILIE finanzieren können ?  Ist Familie / familiäre Zugehörigkeit kein menschliches Grundbedürfnis mehr ?  (Wo sonst sollte denn Loyalität / Solidarität begründet sein können ?)

Archi W Bechlenberg / 23.01.2019

SED light braucht niemand. Ehrenwert ist daran auch nichts. Sozialismus mit “freundlichem” Gesicht haben wir schon, nennt sich CDUSPDGRÜN. Frau Luxemknecht mag manchen klugen Gedanken in Talkshows vortragen, aber das bewegt niemanden wirklich. Sie soll die SED verlassen, dann sehen wir weiter.

Gisela Fimiani / 23.01.2019

Vielleicht erkennen die Bürger die paternalistischen Motive der „Aufsteher“........wäre das nicht eine begrüßenswerte Erklärung für das Scheitern der Bewegung? P.S….......als Hundenarr bin ich stets von den Begleit-Bildern begeistert!

Jörg Themlitz / 23.01.2019

Da hat wohl Frau Wagenknecht die Werke des Putschisten Lenin nicht gelesen oder nicht verstanden. Für Umwälzungen muss eine revolutionäre Situation vorhanden sein. Die Frau nutzen oder in ihrem Fall, für ihre Zwecke ausnutzen kann. Revolutionen exportieren, leninsches Grundwissen, funktioniert nicht. Sich ein Plakat des gescheiterten Revolutionsexporteurs und Menschenschlächters Che Guevara an die Hauswand pappen, Rosa Luxemburg Haus, dann raus auf die Straße laufen und aufstehen skandieren, ist apriori zum Scheitern verurteilt. Robin Hood ist nur im Kintop erfolgreich.

Thorsten Helbing / 23.01.2019

Während in Frankreich nach den Feiertagen von Woche zu Woche immer mehr “Gelbwesten” auf der Strasse sind waren es in Aachen ganze 120. Einhundertzwanzig! Und wieviele von den Einhundertzwanzig #aufstehen zugerechnet werden können weiss ich nicht. Ich weiss allerdings das der Aufruf zu Aachen auch aus dem nichtlinken Spektrum erfolgte. Wieviele Unterstützer hat #aufstehen nach eigenen Angaben? Die letzte Meldung in den Medien lag bei über 130000. Solange anders als in Frankreich die Gelbwesten unterschieden werden nach Parteibuch oder Gesinnung, solange wird das nichts mit #aufstehen. Teile und Herrsche funktioniert einfach wunderbar im Lande des schlafenden Michels, welcher politisch maximal 15 Minuten täglich in seine politische Meinungsbildung (passiv) investiert und nichts hinterfragt. Das weitere riesige Problem von #aufstehen ist Wagenknecht selbst. Wie ernst soll ich solch eine “Bewegung” nehmen die diametrale Positionen zur eigenen Partei einnimmt und erst vor kurzem verkündet wieder für den Fraktionsvorsitz der LINKEN zu kandidieren? Von der Behäbigkeit ganz abgesehen, denn Themen gäbe es genug und unabhängige Initiatoren wie in Stuttgart machen es vor. Nein, so wird das tatsächlich nichts mit dem #aufstehen, drängt sich doch sogar der Verdacht der kontrollierten Opposition der Strasse auf. Denn mit Umfragewerten von möglichen über 30% daraus genau NICHTS zu machen ist schon bemerkenswert. Vielleicht ist es allerdings auch alles ganz anders, ganz profan. Vielleicht ist es einfach die fehlende Zeit sich tatsächlich intensiv um solche Bewegungen zu kümmern. Denn der Betrieb im Bundestag läuft ja genauso weiter wie die interne Arbeit ihrer Partei. Das gleiche gilt allerdings für alle im Bundestag vertretenen Parteien, auch für die AfD. Sie war effektiver und “näher an den Leuten” als sie eben noch APO war. Da geht es den Politikern genauso wie dem schlafenden Michel von Eingangs; er bekommt einfach nicht mehr ausreichend mit was los ist im Lande. Schade.

Peter Schulz Leonhardt / 23.01.2019

Aufgrund der vielen kritischen Beiträge und der entschlossenen Empörungen über die anscheinend vollkommen verfehlten Ambitionen Sahra Wagenknechts sollten ja im gleichen Atemzug die durchdachten Alternativkonzepte der hiesigen Kritiker nur so purzeln…. Tun sie aber nicht.    

Horst Brackholz / 23.01.2019

Unterschätzen wir mal Sarah nicht. Das Beispiel AfD zeigt, dass man hartnäckig da sein muss um dann opportun das sich bietende Leitthema zu bespringen. Sarah ist zäh. Und ein passendes unberittenes Leitthema wird schon auftauchen. Bis dahin heißt es sich in Kleinarbeit im Gespräch zu halten.

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