Gastautor / 19.04.2025 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 33 / Seite ausdrucken

Warum keine Weltmacht ohne Industrie überleben kann

Von Paul Siegenthal.

Eine leistungsfähige Industrie ist der Kern einer Weltmacht. Um zu überleben, müssen die USA sich reindustrialisieren. Die besten Waffen nützen nichts, wenn sie nicht in großen Mengen hergestellt werden können. Das ist die Lektion in der Auseinandersetzung zwischen den USA und China.

Die Globalisierung ist vorbei. Das Geschrei um die Zölle ist groß. In Europa empfindet man die Politik Trumps als einen Dolchstoß. Der Mainstream, Experten des Weltuntergangs, sehen den Rückfall in die Agrargesellschaft. Die USA ordnen die Weltwirtschaft neu, sie haben keine Alternative. Es geht um ihre Existenz. Es geht auch um die Existenz Chinas.

Ohne Industrie keine Weltmacht. Eine leistungsfähige Industrie ist der Kern einer Weltmacht. Im Kriegsfall kann die Produktion auf Rüstungsgüter umgestellt werden. Der Ukrainekrieg zeigte, dass die USA dazu nicht mehr in der Lage sind. Die besten Waffen nützen nichts, wenn sie nicht in großen Mengen hergestellt werden können. Wollen die USA Hegemon bleiben, muss das Land wieder industrialisiert werden.

Die Reindustrialisierung hat jedoch eine Kehrseite. Produziert man das meiste wieder im eigenen Land, wird man für den Rest der Welt als Exportmarkt weniger attraktiv. Die Nachfrage nach Dollar sinkt und die Währung sackt ab.

Die Vergangenheit

Wie? Ein kurzer Blick in die Vergangenheit der amerikanischen Politik ist nötig.

Bretton Woods. Nach dem 2. Weltkrieg boten die USA den Alliierten einen festen Wechselkurs zum goldgedeckten Dollar an. Zudem erhielten sie militärischen Schutz (NATO) und einen beschränkten Zugang zum US-Markt. Die Jahre des Wirtschaftswunders nannten es die Deutschen. Der Marktzugang führte zwar zu einem Abfluss von Dollars, dafür eröffneten sich auch neue Absatzmärkte für amerikanische Produkte. Die Nachfrage nach dem Dollar wurde jedoch so groß, dass die USA 1971 die Goldkonvertibilität aufheben mussten. Das System geriet in eine Krise.

Neoliberal World Order (Globalisierung), das goldige Zeitalter der Libertären. Präsident Reagan bot einen neuen Deal an: niedrige Zölle, freien Kapitalverkehr und flexible Wechselkurse.

Die Tore zu den USA standen sperrangelweit offen: ein riesiger Absatzmarkt und Zugang zum größten Kapitalmarkt. Die Welt ließ sich nicht zweimal bitten. China gelang auf Kosten der USA der Sprung vom Entwicklungsland zur Weltmacht. Für die EU wurden die USA zum größten Absatzmarkt. Umgekehrt behinderten die Handelspartner die Importe aus den USA mit Zöllen, Handelshemmnissen, versteckten Subventionen und Währungsmanipulationen. Die Amerikaner ließen es geschehen. Partner, die Geld in den USA verdienen, sind kooperativ.

Deindustrialisierung. Das BIP der USA wuchs weiter, doch statt in der Industrie arbeiteten die Amerikaner nun bei Amazon und verteilten China-Ware. Das Geld wird in der Finanzwirtschaft verdient, das wenige reich und viele zu Schuldnern macht statt zu Hausbesitzern. Die Industrie hat faktisch das Land verlassen, der Rust Belt ist zum Armenhaus der USA geworden.

Reindustrialisierung. Die USA haben heute ein Handelsdefizit von 1.200 Mrd. US-Dollar pro Jahr (2024). Knapp 10 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Industrie. Gelingt es den USA nicht, die Industrie wieder ins Land zu holen, scheiden sie als Weltmacht aus. Es geht also primär um das Überleben als Weltmacht. Die Schaffung von Jobs in der Industrie sind der populistische Teil des Deals.

Scott Bessent und Stephan Miran entwickelten einen Plan. Die Handelspartner sollen gezwungen werden, ihre Zölle und Handelshemmnis auf das Niveau der USA zu senken. Kooperieren sie nicht, erhalten sie Strafzölle, die den Zugang zum amerikanischen Markt stark behindern.

Trump ging das nicht weit genug. Er erklärte eine ausgeglichene Handelsbilanz zum Ziel. Der Zoll solle die Hälfte des Handelsdefizits betragen. JD Vance legt sogar noch einen drauf.

Umsetzung der MAGA-Geoeoconomics in 3 Phasen

1. Zollchaos und Verhandlungsbereitschaft. Trump belegt die ganze Welt mit Zöllen. Ihm ist es egal, ob es sich um einen Alliierten oder eine Insel voller Pinguine handelt. Ihm ist auch egal, wie hoch die Zölle des Handelspartners sind. Die Höhe des Zolls richtet sich nach dem Handelsdefizit. Die „Bezollten“ rennen wie aufgeregte Hühner durch den Stall. Sie empfinden die Zölle als höchst ungerecht. Ihr eigenes, unfaires Verhalten ignorieren sie. Der amerikanische Markt macht 30 Prozent des Welthandels aus. Die Exporteure verdienen dort viel Geld und erhahlten Dollars statt Pesos oder Rubel. Wer sich aus diesem Markt ausschließt, ist erledigt. Der Welt bleibt nichts anderes übrig, als zu verhandeln. Wie bereits bei Mexiko und Kanada, gewährt Trump ihnen eine „Zollpause“. Was als großzügige Geste im Mainstream wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit eine Deadline.

2. Ausgleich des Handelsdefizits. Nun realisieren die Betroffenen, dass es Trump um das Handelsdefizit geht und nicht um Zölle. Sie müssen die Handelshemmnisse aus dem Weg räumen. Viel Zeit haben sie nicht. Reichen diese Maßnahmen nicht, müssen weitere Handelsabkommen folgen. Beispielsweise können langfristige LNG-Verträge ausgehandelt werden.

3. Verteidigung ist nicht kostenlos. JD Vance will noch einen Schritt weitergehen. Die Vasallen sollen für Sicherheit und Schutz der Handelsrouten (Navy) in Zukunft bezahlen. Halten die USA den Seeweg im Roten Meer frei, muss die EU die Rechnung übernehmen. Ob das ein Teil des Verhandlungspoker ist, lässt sich im Moment noch nicht abschätzen.

Die Reindustrialisierung der USA hat begonnen. Die Welt kann sich dem nicht entziehen. Sie muss einen Teil ihrer Arbeitsplätze und ihres Wohlstands an die USA zurückgeben. Trump ist gegenüber der EU in einer guten Position. Auf der einen Seite steht Russland, und innenpolitisch herrscht Chaos. Jedes Ergebnis für die EU ist schlecht, kein Ergebnis wäre eine Katastrophe.

Die EU ist nicht das primäre Problem Trumps. Eine echte Gefahr ist China. Fliegen die Chinesen aus dem amerikanischen Markt, hat das unabsehbare Konsequenzen für den Vielvölkerstaat, vor allem aber für die CCCP. Chinas Aufstieg ist zu Ende, das ist sicher. Auch für Putin ist das keine gute Nachricht, das weiß auch Trump.

Es entsteht eine neue Weltordnung. Die Globalisierung ist vorbei.

 

Paul Siegenthal, Jahrgang 1961, ist in England, der Türkei, Spanien, Italien und Südamerika aufgewachsen. Er lebt seit seinem 20. Lebensjahr in der Schweiz, studierte an der Universität St.Gallen (HSG) und ist bis heute im Finanz- und Rechnungswesen tätig.

Foto: Montage achgut.com

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Arnold Balzer / 19.04.2025

Ein Staat ,der Krieg führen will, braucht nicht nur eine Industrie, sondern auch Zugriff auf alle wichtigen Rohstoffe. M.W. hat Hitler deshalb den Balkan besetzt, um an die rumänischen Ölfelder zu gelangen.

Martin Mühl / 19.04.2025

Der Dollar hat innerhalb weniger Wochen 10% an Wert gegenüber dem € verloren. Das bedeutet: US-Exporte in die Eurozone wurden 10% billiger, und Waren aus dem Euro-Raum in die USA um 10% teurer.

H. Berger / 19.04.2025

Allen, die sich vom deutschen politmedialen Zoo zu dem Glauben verleiten lassen, die US-Politik richte sich nach Tageslaune eines gewissen Herrn Trump, sei die Lektüre der Antrittsrede von US-Aussenminister Rubio nahegelegt. Es geht hier um eine ebenso klare wie konsequente politische Agenda, welche mit bemerkenswerter Präzision die durch die globalistische Politik verursachten desaströsen Entwicklungen adressiert und gegensteuert. Rubios Nominierung wurde darauf vom Senatsausschuss, Republicans wie Democrats, einstimmig angenommen. Über die Wege und Mittel kann man als Partner oder Vasall diskutieren, über die Ziele muss Einigkeit herrschen. Was die USA machen ist richtig und für Europa und insbesondere die europäischen Bevölkerungen gibt es mehr als genug Gründe, diese Linie aktiv voranzutreiben, statt nur irgendwie mitzumachen oder gar noch zu stören.

H. Berger / 19.04.2025

Und noch eine Anmerkung zum Börsentumult, der aktuell das Zollgeschrei begleitet und auch manches noch kommende Geschrei um andere Themen begleiten wird: in was für assets sollen all die aktuell verschobenen oder aus dem Markt geholten Gelder als Nächstes fliessen? In deutsche Sondervermögen oder eine Rheinmetall AG mit einem forward PE von 45.8? Oder in die Arme und Willkür der CCP? Russisches Gas? Never ever. Bleiben die good ole USA. Und genau das wird früher oder später passieren. Nicht zu knapp.

H. Berger / 19.04.2025

Kurz, knackig und 100% treffend. Die Amerikaner werden von den Euros vermutlich auch eher bald eine klare Entscheidung verlangen: USA oder CCP, was darf es sein liebe Europäer? Und es wird nicht nur in handelspolitischen Fragen eine klare Positionierung gefordert werden. Auch bei der von US-Vize Vance immer wieder thematisierten Migrationsfrage geht es nicht um ´neurechte´ oder sonsteine Identitätspolitik, es geht um die soziale und politische Stabilität eines US-Vasallen. Die EU ist nicht nur kein primäres Problem der Trump-Administration, wie der Verfasser völlig richtig feststellt, die USA werden auch ein durch soziale, kulturelle oder sonstige durch eine irrsinnige Migrationspolitik verursachte Probleme geschwächtes Europa nicht ewig als Klotz am Bein mit sich herumschleppen. Auch in diesem Punkt wird mit dem Globalismus als Ideologie wie als politische Agenda konsequent abgeschlossen werden. Die nächsten Jahre werden turbulent und Staaten zweiter bis dritter Ordnung, die die Kurve nicht kriegen, jeden Schuss überhören oder glauben, ihr ganz eigenes Rambozambo aufführen zu können, werden mit einiger Wucht aus der Bahn geschleudert werden. Und bei all dem wird es überhaupt keine Rolle spielen, welchen Nonsens die Narrativstricker und Erzählonkels vom deutschen politmedialen Zoo dazu in ihren Presse- oder Parlamentsorganen ablassen. Die Globalisierung ist vorbei und das ist gut so. Staaten oder Unternehmen, die das nicht kapieren und entsprehend handeln werden im Chaos versinken oder verschwinden.

dr. gerhard giesemann / 19.04.2025

Militärindustrie rechnet sich nur, wenn damit Eroberungen und Versklavungen erreicht werden sollen. Ansonsten ist das rausgeschmissenes Geld. Schade um die Anstrengungen und den Hirnschmalz.

dr. gerhard giesemann / 19.04.2025

Zusammensetzen ist besser als auseinandersetzen. Aufm Sofa. Inzwischen ist nämlich nicht mehr so viel Platz für so viele Stühle. Tendenz: Immer weniger Platz.

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