Wolfram Weimer / 18.10.2018 / 12:00 / Foto: Ra Boe / 23 / Seite ausdrucken

Warum ist Söder so guter Laune?

Die SPD ist nach der Bayernwahl in Schockstarre gefallen. Die Partei wirkt nach den 9,7 Prozent tief erschüttert, beinahe traumatisiert. Sie weiß, dass sie im freien Fall umher taumelt und als Volkspartei aus weiten Teilen Deutschlands zu verschwinden droht. Man hofft jetzt auf ein Wunder bei der Hessenwahl in zehn Tagen. Doch in Wahrheit lösen die Grünen die SPD wie im politischen Zeitraffer ab. Die Große Koalition wird für die SPD zusehends zum Grab. Entsprechend braut sich eine gefährliche Stimmung aus Verzweiflung und Wut über der SPD zusammen.

Überraschend anders die Laune in der CSU. Auch die Christsozialen haben eine derbe Wahlniederlage zu verkraften. Doch die Stimmungslage ist aufgekratzt und im Kern erleichtert. In München hatte man – nach den Umfragen der letzten Wochen – Schlimmeres erwartet. “Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen”, heißt es aus dem Vorstand der Partei einhellig. Bis kurz vor der Wahl dachte die politische Republik – inklusive der Christsozialen – selbst, dass die CSU ihr historisches Waterloo erleben und möglicherweise gar in die Opposition gezwungen werde.

Man fürchtete weitere Selbstzerfleischungen der Söder-Seehofer-Machtkämpfer, doch nun haben beide einen Nichtangriffspakt geschlossen. Mancher CSU-Spitzenpolitiker findet darum sein Lächeln erstaunlich schnell wieder, zumal eine Regierung mit den Freien Wählern als “Heimspiel”, “völlig unproblematisch” und “Selbstläufer” angesehen wird. Die Freien Wähler seien wie “christsoziale Vettern vom Lande”, wie “die CSU nur ohne Söder und Seehofer”, witzelt man in der Partei. Man bleibe jedenfalls die alles entscheidende Gestaltungsmacht Bayerns.

In der Börsensprache hieße es „Bodenbildung“ 

Vor allem Markus Söder könnte aus der deftigen Niederlage langfristig als Gewinner hervorgehen. Das hat fünf Gründe:

Erstens sind die 37,2 Prozent für CSU-Verhältnisse zwar miserabel, aber – anders als bei der SPD – nicht vernichtend. Umfragen hatten der CSU 33 Prozent (Infratest und Insa) oder “unter 33 Prozent” (Civey) vorhergesagt, so dass sich das Ergebnis für Christsoziale wie eine positive Überraschung angefühlt hat. Tatsächlich konnte die Partei auf der Zielgeraden viele Wähler doch noch einmal mobilisieren, denn die Wahlbeteiligung war am Ende insgesamt hoch.

Zudem liegt man mit den 37,2 nicht so weit von 38,8 Prozent entfernt, die die CSU vor Jahresfrist bei der Bundestagswahl erzielt hatte. In der Börsensprache würde man nach einer schlechten Aktienkursentwicklung von “Bodenbildung” sprechen. Söder hat damit für seine Karriere als Ministerpräsident eine bequem niedrige Ausgangsbasis. Er wird steigende Umfragezahlen und bessere Wahlergebnisse in der Zukunft als sein Werk verkaufen können.

Zweitens hat Söder Glück, dass er die Schuld des schlechten Ergebnisses auf Horst Seehofer abwälzen kann. Natürlich haben beide in den vergangenen Monaten Fehler gemacht, aber die Stimmungslage in der Partei neigt spürbar dazu, Seehofer die Hauptverantwortung zuzuschieben. Söder wird von vielen Christsozialen instinktiv wie ein Sohn der Sippschaft in Schutz genommen, der unter den Eskapaden des Großvaters zu leiden hat – auch wenn dies nur zum Teil wirklich stimmt.

Seehofer hat massiv an Gefolgschaft verloren

Drittens wird Söder seinen Konkurrenten Seehofer über kurz oder lang los und also seine eigene Machtbasis vergrößern können. Seehofer hat massiv an Gefolgschaft verloren und wird sich nicht mehr lange als CSU-Vorsitzender halten können – und dann auch als Bundesinnenminister stark geschwächt sein. Wahrscheinlich hört Seehofer noch in dieser Legislaturperiode ganz auf, und Söder wäre von der größten Rivalität befreit.

Trotz des schlechten Wahlergebnisses hat er sogar gute Chancen, im kommenden Jahr selbst den Parteivorsitz zu erobern. Söder hätte nach Seehofers Abtritt zwar drei ebenbürtige Konkurrenten zu fürchten – aber nur auf den ersten Blick. Ilse Aigner wäre die Kandidatin der Herzen, doch sie wird nun Landtagspräsidentin, womit sie in Bayern so etwas wie zur gefühlten Präsidentin und Bavaria der Bayern aufsteigen wird. Aigner verfügt über eine hohe Integrität und Beliebtheit, aber machtpolitisch wird sie Söder so nicht mehr gefährlich.

Der zweite Kandidat ist Manfred Weber, ebenso intelligenter wie respektierter Europapolitiker und auf dem Weg zum Kommissionspräsidentenamt der EU. Sollte ihm dieser Coup – und die Chancen stehen derzeit gut – gelingen, als erster Bayer die Europäische Union zu führen, wäre auch er aus dem machtpolitischen Spiel der CSU enthoben, über den parteilichen Dingen schwebend und für Söder keine Konkurrenz mehr. Bleibt also nur mehr Alexander Dobrindt. Nur ihn müsste Söder beim Griff nach dem Parteivorsitz besiegen – oder sich mit ihm im Ernstfall arrangieren und die Macht teilen. So oder so verbessert sich Söders Position zum jetzigen Stand.

Langfrist-Sieger im politischen Tumult?

Viertens wird Söder in die Rolle des Ministerpräsidenten hineinwachsen und die politische Bühne des Amtes für sich nutzen. Er kann nun auf Jahre hinaus Bayern nach außen verkörpern und damit ein vor Kraft und Selbstbewusstsein strotzendes Land. Söder ist jung genug, um seine Regentschaft langfristig anzulegen. An ihm wird machtpolitisch in Bayern kein Weg vorbeiführen.

Fünftens startet Söder seine Ministerpräsidentenkarriere just in dem Moment, da in Berlin Angela Merkel auf ihr Finale zusteuert. Die Gestaltungsmacht der Bundeskanzlerin schwindet von Monat zu Monat, und die Union wird neue, starke Führungsfiguren suchen und sich an ihnen orientieren. Die bevorstehende Phase des Umbruchs wird Söders Rolle in der Bundespolitik tendenziell stärken.

Da das politische Spiel der Macht immer auch eine Frage der Relativitäten ist, steigt mit der Regierungsschwäche Berlins automatisch die Bedeutung des bayerischen Ministerpräsidenten im Machtgefüge der Republik. Und so könnte es sein, dass ausgerechnet ein neuer, zerzauster Ministerpräsident mit einem miserablen Wahlergebnis am Ende als Langfrist-Sieger aus dem politischen Tumult hervorgehen kann.

Dieser Text erschien zuerst auf The European

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HaJo Wolf / 18.10.2018

Die CSU hat Wähler hauptsächlich an die FW abgegeben, unterm Strich ist in Bayern die konservative Kraft geblieben, nur jetzt aufgeteilt auf CSU und FW. Die SPD verliert bundesweit immer mehr Wähler an die Linke (wenig) und an die Grünen (viel zu viel). So schön es auch wäre, die Salonkommunisten der SPD endlich in den Geschichtsbüchern verschwinden zu sehen und weder Stegner noch Nahles oder gar Maas sehen/hören zu müssen, ein Anwachsen der Grünen-Anhänger/Wähler ist die einzige, aber dafür um so schlimmere Katastrophe der Bayernwahl. Bis das tumbe deutsche Stimmvieh realisiert hat, dass Grün gleichbedeutend ist mit Rückfall in die wirtschaftliche Steinzeit, in absolut unsichere und damit vom Ausland abhängige Strom- und Energiewirtschaft, in Verlust der deutschen Identität und Kultur und Ersetzung durch den schon vor Jahren gescheiterten Unsinn “Multikulti”, sprich völlige Zerstörung deutscher Kultur und Ersetzung durch Islam, bis das Wahlvolk begriffen hat, dass die Intelligenzia bereits das Land verlassen hat, Forschung und technische Entwicklung in Deutschland auf dem Niveau der Türkei sind, bis das eintritt, haben die Grünen das Land bereits irreversibel zerstört. Die Linke ist schlimm und untragbar, die Grünen sind schlimmer, sie sind, mit wenigen Ausnahmen (Tübingens OB z.B.) Staats-, Volks- und Demokratiefeinde. Diese Minderheit von ideologischen Radikalinskis ohne Geist und Intellekt beherrscht seit Jahren schon das Volk - und die Bürger wählen dieses P**k immer noch. DAS ist unfassbar, nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlachter selber. Dieses Volk besteht mutmaßlich zu einem erheblichen Teil aus einem Haufen saublöder Rindviecher.

Peter Michel / 18.10.2018

Jaja Herr Weimer, wenn das alles so einfach wäre. Sie unterschätzen immer noch die Bundespolitik. Wahrscheinlich ist davon auszugehen, dass weder die CSU, noch Sie den Konservativen Warnschuss gehört haben.

Frank Stricker / 18.10.2018

@H.Milde , ich wußte gar nicht dass Cindy u. Bert schon mal Wahlkampf gemacht haben. Oder haben sie gerade an deren größten Hit gedacht , “Immer wieder Sonntags”  schmiert die Union ab……….

Leo Hohensee / 18.10.2018

Ich weiß es nicht - wahrscheinlich habe ich das Leben in seinen Grundzügen nicht richtig verstanden. Wieso geht es immer nur in Konkurrenz zu einander? Da sind zwei gute Leute (Seehofer u. Söder), wovon der eine aus Altersgründen sowieso seinem Dienstende entgegen geht, und es wird immer nur - wie so eine Art “Feindschaft” die Konkurrenz der beiden hervorgehoben. Warum sollte nicht eine Gemeinsamkeit präjudiziert werden im Sinn von “... dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und ...... “?  Den Gedanken von Ehre, Bemühen und Gewissenhaftigkeit will ich einfach noch nicht aufgebeben! Und wenn sich zwei Starke gegenseitig stützen / unterstützen dann wird “der Gegner” kleiner, die “Aufgabe” kleiner und Erfolg und Glaubwürdigkeit werden größer - oder ? Bin ich ein Phantast?

Karl Biehler / 18.10.2018

Ja, warum eigentlich nicht Söder als Bundeskanzler.

Albert Pflüger / 18.10.2018

Zu Schulz und Nahles fällt mir ein Schlagertext von Christian Anders von 1972 ein, in dem es heißt: “Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, und niemand stellt von grün auf rot das Licht” Damals war das absolut nicht meine Musik, aber es paßt wie die Faust aufs Auge!! Es muß der Schulzzug gewesen sein, der da vorausschauend besungen wurde!

Walter Neumann / 18.10.2018

@ Herrn Stricker. Das mit Herrn Blume sehe ich ganz anders. In meinen Augen ein absolut moderner Typ konservativer Prägung und auch etwas intelligenter als der Durschnitts-CSU’ler. Ich habe ihn bei der Wahl auch auf der Liste direkt angekreuzt, weil ich mir von ihm erhoffe, dass er die CSU programmatisch nach vorne bringt, um langfristig wieder die 4 vor dem Komma zu haben.

H.Milde / 18.10.2018

Gerade eben! CSU koaliert/verhandelt mit den FW. ie GrüneInnen sind traurig. Nix MinisterPosten, nix Dienstwagen. Naja, vielleich klappt´s ja im BembelHessen, dort wird Al-Wazir schon mit Rot-Rot-Grün als Minipräsi gehandelt. Was die Affinität zu KommunistenSED wieder beweisen würde, wenn es einträte. Dann machen die aus ÄpplerLand das nächste “Experimentierfeld” zur Systemüberwindung. Felix Bavaria.

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