Chaim Noll / 28.04.2019 / 11:12 / Foto: Freud / 95 / Seite ausdrucken

Warum ich von der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgeladen wurde

Überraschend hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine seit Monaten verabredete Lesung mit mir im Ariowitsch-Haus in Leipzig abgesagt. Drei Tage vor dem geplanten Termin. Und ohne Angaben von Gründen. Auf der Website des Ariowitsch-Hauses wurde die plötzliche Absage so formuliert, dass der Eindruck entstehen konnte, sie ginge von mir aus. Was ich besonders schäbig finde. Ich habe von 1984 bis heute, über einen Zeitraum von 35 Jahren, in Deutschland hunderte von öffentlichen Lesungen und Vorträgen gehalten, doch das ist mir noch nie passiert. „Dann wird es ja Zeit“, rief ein guter Freund, dem ich am Telefon davon erzählte. „Damit du endlich verstehst, was hier los ist.“

Noch eine Woche zuvor hatte mir eine E-Mail der Friedrich-Ebert-Stiftung den Termin, die Hotelbuchung und den „Dank“ dafür übermittelt, dass ich mein Buch „in unserer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Ariowitsch-Haus vorstellen“ wollte. „Den Honorarvertrag bereiten wir zum Veranstaltungstag vor“, schrieb eine Mitarbeiterin. „Ihre Fahrtkosten erstatten wir Ihnen anhand der Bahnfahrkarten. Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.“

Letzteres war reine Höflichkeitsfloskel, denn als ich am Tag nach der Absage in der Friedrich-Ebert-Stiftung anrief und Fragen nach dem Grund dieser Maßnahme stellte, wurden sie nicht beantwortet. Der Leiter des „Landesbüros Sachsen“, Matthias Eisel, verfiel auf ein Mittel, das ich von DDR-Funktionären kenne: Er hörte auf zu sprechen. Als wollte er zu verstehen geben: Sie werden wohl selbst am besten wissen, womit Sie sich diese Bestrafung zugezogen haben.

Die Ebert-Stiftung ist eine parteinahe Stiftung. Die Partei, der sie nahesteht, ist die SPD. In letzter Zeit habe ich die Nahost-Politik des von SPD-Minister Heiko Maas geführten Auswärtigen Amtes mehrmals kritisiert. Schriftlich und mündlich. Ich habe daran erinnert, dass diese antiquierte, ideologiegesteuerte, erfolglose Politik den deutschen Steuerzahler jährlich Millionen kostet. Ich habe auf die Peinlichkeit von Maas' Bekenntnis zu Auschwitz als Inspiration seiner politischen Karriere hingewiesen und auf seine beharrlich anti-israelische Politik. Dass sich Maas, wie kürzlich der israelische Botschafter konstatierte, in der UN grundsätzlich auf die Seite der Feinde Israels stellt: „In November, Germany voted 16times in 21 resolutions against Israel.“ Ich habe die deutschen Waffenlieferungen und andere Hilfe an die kriegführenden Regimes der Region kritisiert, etwa an Iran und Saudi-Arabien, nicht selten an beide kriegführende Seiten gleichzeitzig, wodurch die Kriege im Jemen, im Irak, in Syrien und zwischen den Palästinenser-Fraktionen weiter angefeuert werden und immer neue Flüchtlingsströme nach Europa entstehen.

Früher, als die Bundesrepublik Deutschland noch eine Demokratie war, als es noch so etwas wie Meinungsfreiheit gab und Pluralität, haben mich parteinahe Stiftungen zu ihren Veranstaltungen eingeladen, auch wenn ich dort kritische Gedanken vortrug. Die Friedrich-Ebert-Stiftung lädt offenbar nur noch Gäste ein, die sich im Sinn ihrer Partei-Linie äußern. Es ist reine Heuchelei, wenn die dahinter stehende Partei die Bedrohung demokratischer Werte durch die AfD beklagt. Oder wenn der deutsche Außenminister, ein Mann eben dieser Partei, die Opfer der Shoah als Schmuck für seine politische Karriere verwendet.

Ich bin in der glücklichen Lage, den Verlust von Honoraren in Deutschland zu verschmerzen. Wenn ich jetzt aber jung wäre und in Deutschland auf irgendeine Weise meine Existenz bestreiten müsste, würde ich das Zeichen der Friedrich-Ebert-Stiftung dahingehend verstehen, entweder auszuwandern oder in Zukunft meinen Mund zu halten, kritische Regungen zu unterdrücken und die Politiker dieses Landes den Pleiten entgegen steuern zu lassen, die sie verdient haben und für die sie dann, wie üblich, Millionen Unbeteiligte bezahlen lassen.

Mein Problem ist ein anderes, ein psychologisches: Sobald ich mit einer Einrichtung deutscher Macht kollidiere, kommen mir Ahnungen, wie sich meine Großmutter gefühlt haben mag, als man sie das erste Mal zur Gestapo vorlud. Das ist unangemessen, ich weiß. Und hoffe dennoch auf Nachsicht. Auch mein Lebensweg ist – wie der von Heiko Maas – mit Auschwitz verbunden. Nur von der anderen Seite.

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Leserpost

netiquette:

Karl Dreher / 28.04.2019

Eine außerordentlich bedauerliche und letztendlich brandgefährliche Entwicklung für unsere Demokratie und Gesellschaft wird hier klar und deutlich formuliert. Respekt!

Gertraude Wenz / 28.04.2019

Es wird Zeit, eine neue “Weiße Rose” zu gründen. Ich meine es ernst!

Susanne antalic / 28.04.2019

Sehr geehrte Herr Noll, wundern sie sich nicht mehr, dieses Land wird von Judenhasser regieret und wenn man noch dazu Jude ist und erlaubt sich die Herrschenden zu kritisieren, hat man in diesem Deutschland schlechte Karten. Die Nichtjuden werden als Nazis bezeichnet und unerwünscht und die Juden nur unerwünscht, so ist die Diktatur in Deutschland, leider kann man sie nicht als Nazi zu bezeichnen, deshalb schweigt man lieber, aber leider kann ich mir gut vorstellen, was sich diese Herrschaften in stillen denken und es ist nicht weit von dritten Reich. Nur die “GUTEN JUDEN” werden hoffieret, ich glaube jeder weiss, welche ich meine, da sind die Juden die zum allem, was die Herrschenden verbreiten, ja und Amen sagen, aber Mittläufer und Oportunisten giebt es überall. Das sind die Juden in Rampenlicht, es sind die Alibyjuden und merken es gar nicht.

Clemens Hofmeister / 28.04.2019

Der Irrtum liegt darin, sozialistische Parteien seinen irgendwann einmal sowas wie demokratisch gewesen. Die Verblüffung kann eigentlich nur subjektiv sein. Sind wir froh, dass dieser parasitäre Sozialismus schon präcox sein wahres Gesicht zeigt.

Donald Adolf Murmelstein / 28.04.2019

Sehr geehrter Herr Noll, Aus dem Text entnehme ich, daß Sie sich von Absatz zu Absatz immer mehr von der prästabilisierten Harmonie der jungen Jahre lösen. Ich erwarte von Ihnen eine harte und gnadenlose Abrechnung mit Deutschland und zwar so, wie ich das auch von mir erwarte. Es darf am Ende nichts mehr übrigbleiben! Denn eines ist jetzt schon klar – dieses Land steuert den kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Untergang zu und das ist gut so!

Thomas Weidner / 28.04.2019

Wenn ich ergänzen darf: Vom Holocaust abgesehen kann man die DDR-Stasi durchaus mit der Gestapo vergleichen. Deshalb ist ja die AfD im Stasi-“Lieblingsland” Sachsen (nirgendwo anders hat die Stasi so genau hingeschaut) so stark: Die Erinnerung an die rot-sozialistische Gewaltherrschaft ist gerade dort noch wenig verblasst… Und was die SPD betrifft: Wieviel Geld hat die Stasi in die westdeutschen Hochschulen investiert, um diese zu Brutstätten des Sozialismus zu machen, damit deren Adlaten dann peu à peu Schlüsselpositionen - auch in den deutschen Parteien, speziell SPD und Grüne - infiltrieren?

Petra Kehren / 28.04.2019

Das bedauerliche an Ihrem Beitrag Herr Noll, ist die voraussichtlich viel zu geringe Reichweite. Und solchen Lobbyorganisationen wie Parteistiftungen beizukommen, ist so aussichtslos, wie genau dieses ärgerlich ist. Erfreuen Sie sich an den Mitbürgern, die Ihre Arbeit und Ihre Haltung zu schätzen wissen. Schönen Sonntag.

Claudius Pappe / 28.04.2019

Danke für diesen Beitrag und den letzten Abschnitt in dem Artikel. Die dunklen Zeiten sind wieder da, und die SPD ist federführend.

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