Ich bin ja gespannt, wie sich das weiterentwickeln wird. Werden, wenn man sich Ereignisse wie in Köln nicht mehr schönreden kann, Scharen von Menschen - vor allem mit jungen Töchtern - aufs Land fliehen? Werden die Preise dann da wieder anziehen und in den Städten die Auswirkungen der multikriminellen Gesellschaft endlich für jeden sichtbar werden?
Wo man lieber lebt, wird auch in unterschiedlichen Lebensphasen anders beurteilt. Die männliche Dorfjugend pubertiert nachts im Buswartehäuschen, sofern noch vorhanden und nicht zerstört. Die weibliche Jugend nervt ihre Eltern und muss per Elterntaxi zum Reiten, Ballett, Musikschule oder Sportverein chauffiert werden und übernachtet lieber bei der Freundin in der Stadt und die Jugend verläßt ohnehin zu Lehre und Studium das Dorf Richtung Stadt. In vielen Dörfern wird alltags nur geschlafen, ansonsten hetzt man morgens mit mehreren Fahrzeugen stadteinwärts zum gutbezahlten Job, um das Haus abzuzahlen und statt Erholung wird am Wochenende bis zum Herzinfarkt an der Dauerbaustelle Haus und Garten geschafft. Wer zu Hause arbeiten kann und die Ruhe schätzt und gern gärtnert und heimwerkt, ist auf dem Dorf eine Weile ganz gut aufgehoben, vorausgesetzt die Kinder sind aus dem Haus s.o. Im Alter wird es dann wieder eng, wenn man nicht mehr Auto fahren kann, wie kommt man zum Einkauf, Arzt, Apotheke, Behörde, Bank etc.? Die negativen Stadt-Erfahrungen der Autorin gründen ja vorwiegend auf Großstadtleben. In bestimmten Berliner Stadtvierteln möchte ich auch nicht tot über’m Zaun hängen. Allerdings habe ich die für mein Alltagsleben notwendige Infrastruktur in meiner Kleinstadt, fußläufig um meine Mietwohnung herum erreichbar und komme in der kalten Jahreszeit in die bereits gut fernbeheizte Bude. Jeder nach seiner Facon und nichts für ungut.
Landleben ist Luxus. Mehr Platz, mehr Ruhe, weniger Streß. Was der “metropolitane Mensch” glaubt, davon halten zu dürfen, ist doch völlig nebensächlich. Im Online-Zeitalter können sich zum Glück immer mehr Menschen aussuchen, wo sie leben und arbeiten wollen. Den einzigen Lärm machen hier die Singvögel und zur Zeit die Kraniche. Mein einst verwahrlostes 3300-m²-Grundstück habe ich inzwischen in einen kleinen Park verwandelt - samt unverbautem Blick in die Landschaft. Mir geht jedes mal das Herz auf, wenn ich ihn sehe. Und ich kann zwischen etlichen Stellen wählen, wo ich mein Auto abstelle. Ich kann samt Anhänger meinen Hof vorwärts befahren, dort nach belieben Achten drehen und vorwärts wieder runterfahren, ohne ein einziges Mal zurückstoßen zu müssen. Allein die Remise ist größer als zwei dieser üblichen Einfamilienhäuser auf ihren gartenparzellengroßen Gründstücken in den uniformen Neubaugebieten - Häuser für die sich deren Besitzer 30 Jahre lang verschulden. Mein Gründerzeit-Großbauernhaus ist so groß, daß ich 2/3 vermieten kann und trotzdem noch hundert Quadrat für mich hab. Und das ganze war so billig, daß ich insgesamt in 8 Jahren mit dem Kredit fertig bin. In der Stadt wäre das unbezahlbar. Meine Nachbarn und Mieter sind nett. Ich komme jedenfalls mit jedem aus. Liegt wohl nicht zuletzt auch an einem selbst. Und wenn ich mich mal wohlig gruseln will, fahre ich in den Wedding oder nach Neukölln und verriegel dabei die Autotüren.
Die Beliebtheit von Magazinen wie “Landlust”, “Landliebe” u.sw. ist keine Beleg dafür, dass die Menschen zunehmend auf´s Land ziehen. Diese Magazine sind für Menschen produziert, die in der Stadt wohnen, die ein bisschen träumen wollen. Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen der in den letzten Jahren sprunghaft zunehmenden Beliebtheit dieser Zeitschriften und einem Umzug von Leuten raus aus den Städten hin aufs Land. Das ist vergleichbar mit den vielen Kochsendungen, die es im TV gibt, die ja hohe Zuschauerzahlen haben, aber bekanntlicherweise auch nicht dazu führen, dass mehr Leute selber kochen, anstatt Fertiggerichte zu verzehren. Die Realität auf dem Land sind leider doch anders aus, als im Artikel beschrieben: Auf dem Land sterben die Dörfer aus, immer mehr Häuser stehen leer, (damit verbunden starker Wertverlust von Eigentum wie Wohnhäuser), die ärztliche Versorgung wird immer schlechter, öffentlicher Personennahverkehr gibt es nur in minimaler Ausfertigung, junge Leute haben außer in “Einfachberufen” mit niedrigem Lohnniveua keine beruflichen Möglichkeiten. Für die dort lebende überalterte Gesellschaft (die überwiegend mit sehr, sehr geringen Renteneinkünfte ihren Lebensunterhalt finanzieren müssen) wird die Lebenssituation infolge dieser vielen negativen Umstände stetig problematischer. Die Politik hat wenig bis kein Interesse, etwas für die Menschen, die auf dem Lande leben etwas zu tun, denn “die Musik spielt nur dort”, wo die Wirtschaft sitzt und das ist und bleibt, trotz aller Schönträume die Stadt und deren Umfeld. “Auf dem Lande leben” ist allenfalls schön, wenn in kurz erreichbarer Entfernung eine Großstadt ist. Aber das ist nicht wirklich “auf dem Lande leben”.
Der Hipster mag das nicht hören aber in Berlin oder Hamburg zu leben ist kein Verdienst. War es auch noch nie. Großstädte sind Bühnen, sobald du das Haus verlässt. Eitelkeiten werden bedient, ganz im Gegensatz zum ländlichen Raum. Dort wiederum gilt Authentizität, nicht der Schein. Ehrlichkeit ist keine Floskel sondern ein muss. Doch der Hipster braucht die Bühne, um sein diffuses Weltbild zur Schau zu stellen und ein möglichst anonymes und unkritisches Publikum zu langweilen. Und deshalb wird er als Neutrum ebenso wieder verschwinden wie alle anderen “Modeerscheinungen”. Die Stadt ist langweilig, weil sie nicht ehrlich ist. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Ich lebe auf dem Land. Und bekomme auch immer zu hören, das es in der Stadt mehr Kultur gibt. Früher war das auch so. Das wandelt sich. Es gibt immer mehr Initiativen die auf freiwilliger Basis hier vor Ort etwas zusammen stellen. Konzerte, Lesungen, Theater, Feste…. das gibt es auch bei uns. Da wie gesagt die Menschen vor Ort es machen, ist es weniger kommerziell und auch preisgünstiger. So das wirklich alle dran teilhaben können. In den Städten wird immer mehr eingestampft. Weil das Geld fehlt. Und so wird es hier noch attraktiver zu leben. Nachteile sehe ich keine.
Schöner, realistischer Text. Viele Städter, die aufs Land ziehen, haben “Sommerbilder” im Kopf, grüne Wiesen, Blumen, barfuß laufen. Aber es gibt die Monate November - Februar. Wenn die Wolken tief hängen, kaum Sonne, Nebel, wochenlang klamme Feuchte, weil es, zumindest in den Mittelgebirgen, kaum noch “knackige” Winter gibt. (Der Vorteil bei dieser Wetterlage - man sieht die Windräder nicht). Kein Mensch “uff de Gass’”. Wer es schafft, dann selbst mit sich allein es auszuhalten, ohne die Ablenkung der Stadt - der “überlebt” auch auf dem Land. Und amüsiert sich bei der Vorstellung, wie die Städter, bei selbem Wetter, durch die immer gleichen Fußgängerzonen hetzen, immer den Trends hinterher, sich im Laufen dabei Nahrungsmittel in den Mund stopfen und gleichzeitig das smartphone streicheln.
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