Das Auswärtige Amt verurteilt auf X die Ankündigung Israels, achthundert Hektar Land sogenannter palästinensischer Gebiete zu annektieren. Man muss das aber nicht verurteilen.
„#Nahost: Wir verurteilen die Ankündigung auf das Schärfste, über 800 Hektar Land in den Palästinensischen Gebieten als israelisches „Staatsland“ zu konfiszieren. Das wäre die größte Aneignung seit über 30 Jahren“, schreibt das Auswärtige auf X und fügt hinzu: „Der #Siedlungsbau verletzt internationales Recht & trägt in der äußerst fragilen Lage zu weiteren Spannungen bei.“
Mal ganz abgesehen davon, dass Israel vom Boden dieser palästinensischen Gebiete seit über 30 Jahren immer wieder bedroht, terrorisiert und angegriffen wird und es in der an Kriegen und Auseinandersetzung nicht armen menschlichen Geschichte unzählige viele Beispiele gibt, in der Gebiete für deutlich weniger annektiert wurden, gibt es auch noch weitere Gründe, den Siedlungsbau nicht zu kritisieren. Ich nenne hier mal ein paar.
In jeder israelischen Siedlung gilt das israelische Gesetz. Somit ist jede israelische Siedlung im Nahen Osten ein Ort, wo kein Mensch aufgrund seiner Religion vom Staat verfolgt wird und frei seine Meinung sagen kann. Ich bin für Israel, nicht weil ich glaube, irgendwer habe irgendwo zuerst seinen Fuß in den Sand gesetzt oder irgendein Gott habe irgendeinen bärtigen Mann zum Kaffeeklatsch eingeladen, um dabei die Welt aufzuteilen, sondern weil Israel das einzige Land im Nahen Osten ist, in dem Frauen und Männer gleichberechtigt sind, Homosexualität staatlich anerkannt ist, die Meinung, Kunst und Wissenschaft frei sind, keine Religion diskriminiert wird und Juden weder besser noch schlechter sein müssen als alle andere Menschen.
Warum soll ich ausgerechnet jene Siedlungen kritisieren, die mich leben lassen, wie ich bin und nicht viel mehr all die Gebiete, die mich verfolgen? Jeder Quadratmeter im Nahen Osten, der sich ein Beispiel an Israel nimmt, ist ein gewonnener Quadratmeter. Dennoch lehnt eine deutliche Mehrheit in Deutschland die Siedlungspolitik Israels ab und das Auswärtige Amt erklärt, der Siedlungsbau bedrohe den Frieden.
Warum sind nur die jüdischen Siedler das Problem?
Wer fest davon überzeugt ist, dass die jüdischen Siedler das Hauptproblem für einen Frieden im Nahen Osten sind, sollte einfach mal das Wort „jüdisch“ streichen und durch „muslimisch“, „christlich“ oder „arabisch“ ersetzen, um sich dann zu fragen, warum unter all den Siedlern in Judäa und Samaria nur die jüdischen Siedler das Problem sein sollen.
In den Gebieten Judäa und Samaria siedelten Juden bereits, bevor es Christen und Muslime überhaupt gab. Der Name Judäa ist eindeutig. Daher sprechen jene, die Juden dort für illegal halten, lieber von der Westbank. Wie immer das Gebiet jedoch bezeichnet wird, zur Zeit gehört es zu keinem Nationalstaat.
Einst gehörte das Gebiet zu Jordanien, dem Land, das sich zu über achtzig Prozent auf dem Boden „Palästinas“ befindet und wo im Gegensatz zu Israel nicht alle Palästinenser die volle Staatsbürgerschaft besitzen. Davor wurde das Gebiet vom Völkerbund verwaltet. Davor gehörte das Gebiet zum Osmanischen Reich, davor zum Römischen Reich und davor, wie das Wort „Judäa“ zeigt, zu einem Jüdischen Reich. Das jüdische Volk ist das älteste noch heute existierende Volk im Nahen Osten.
„Gazakristallnacht“
Obwohl die Gebiete Judäa und Samaria heute zu keinem Staat gehören, siedeln dort Menschen. Manche siedeln in Häusern, andere in Zelten. Es gibt dort arabische, jüdische, staatenlose und viele andere Siedler. Sie siedeln alle in einem Gebiet, das bis heute umstritten ist, weil kein Staatsgebilde dort regiert. Warum aber sind nur die jüdischen Siedler das Problem? Als „illegal“ werden nur die Siedler bezeichnet, die Juden sind. Das Problem, das diese Menschen mit diesen Siedlern haben, ist somit ihr Jüdischsein.
Die Hamas erklärt in ihrer Gründungscharta die Vernichtung aller Juden zur Pflicht aller Muslime und verübte am 7. Oktober 2023 den größten Judenmord an einem einzigen Tag seit dem Holocaust. Auch die Fatah ist von dieser Pflicht überzeugt. Am Tag der 47-Jahr-Feier der Fatah bekräftigte Mufti Muhammad Hussein, der von Mahmud Abbas persönlich zum „geistigen Führer der palästinensischen Autonomie“ ernannt wurde, die These, dass es Frieden nur bei der Vernichtung aller Juden geben könne. Wer jedoch glaubt und fordert, dass Juden verschwinden müssen, kann niemals Frieden mit Juden schließen. Wer brüllt: „Juden raus aus meinem Land, meiner Stadt, meiner Nachbarschaft“, will keinen Frieden mit Juden, sondern einen Frieden von Juden. Es gibt nämlich zwei Formen des Friedens im Nahen Osten: Der eine Frieden ist ein Friede mit Juden. Der andere Frieden ist ein Friede von Juden.
Der Wunsch eines Friedens von Juden findet sich überall in der arabischen Welt. Als im Jahr 2005 der Gazastreifen der palästinensischen Verwaltung übergeben wurde, wurden alle Juden innerhalb weniger Tage aus dem Gazastreifen vertrieben. Am Morgen des 12. September 2005 verließen die letzten Juden das Gebiet über den Grenzübergang Kissufim. Der Abzug wurde von Arabern teils frenetisch mit Freudenschüssen und Autokorsos gefeiert. Die verlassenen Synagogen wurden in Brand gesteckt. Es kam zu einer wahren „Gazakristallnacht“. Gaza schloss einen Frieden von Juden, aber nicht mit Juden. Deshalb feuerte die Hamas in den folgenden Jahren auch unzählige Raketen auf Israel ab, in dem Willen, so viele Juden wie möglich zu töten, und mordete schließlich beim Pogrom vom 7. Oktober jüdische Kinder, Greise, Männer und Frauen.
Welches Land hat je seine Feinde genährt?
Für Menschen, die einen Frieden mit Juden schließen wollen, ist eine jüdische Siedlung kein Problem, sondern die Lösung eines Problems, denn nur in der Akzeptanz von jüdischen Siedlungen wohnt die Möglichkeit der schlichten Erkenntnis, dass Juden einfach nur Nachbarn und Mitbürger sein können.
Die Hamas aber mordet Juden und hält weiterhin jüdische Geiseln, die auch jetzt noch, im März 2024, gefoltert, misshandelt und vergewaltigt werden. Solange auch nur eine Geisel in der Hand der Hamas ist, halten die Kriegshandlungen der Hamas an. Statt nun aber von eben jener Hamas eine Kriegsruhe zu fordern, wird von Israel erwartet, mit der Verteidigung aufzuhören. Nichts anderes bedeutet der Ruf nach einer Waffenruhe.
Die Hamas fährt mit den Handlungen fort und stellt dennoch Forderungen an Israel. Israel soll Wasser spendieren, Medikamente liefern und Essen bereitstellen und das Wahnsinnige ist, Israel macht das auch noch. Statt aber dass die Welt Israel bewundert und für so viel Menschlichkeit lobt, wird Israel kritisiert, weil das Land angeblich nicht genug Wasser spendieren soll. Ich frage aber: Welches Land hat je seine Feinde genährt? Die israelische Regierung stellt da eine Ausnahme dar. Die Hamas nimmt das eigene arabische Volk als Geisel. Wäre die Hamas so menschlich wie die konservativste israelische Regierung, es gäbe morgen Frieden im Nahen Osten.
Gerd Buurmann ist Theatermensch, schreibt und inszeniert in diversen freien Theatern von Köln bis Berlin. Er ist Schauspieler, Stand-Up Comedian und Kabarettist. Im Jahr 2007 erfand er die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Mit seinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und den von ihm entwickelten Begriffen des „Nathan-Komplex“ und des „Loreley-Komplex“ ist er in ganz Deutschland unterwegs. Seit April 2022 moderiert er den Podcast „Indubio“ der Achse des Guten.