Walter Krämer / 13.12.2022 / 16:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Warum Fußball-Experten meistens daneben liegen

Viel mehr als die meisten glauben, sind Fußballergebnisse ein Produkt des Zufalls. 

Stellen Sie sich vor, Sie würfeln. Bei „gerade“ erhalten Sie das Bundesverdienstkreuz, bei „ungerade“ verlieren Sie ihren Job. Das ist grob gefasst die Situation eines Fußballtrainers. Nach dem ersten WM-Spiel Spaniens, dem 7:0 gegen Costa Rica, wurde der arme Louis Enrique vom eigens angereisten König Felipe persönlich zum besten Fußballspiel beglückwünscht, das er, Felipe, jemals im Leben gesehen hätte. Eine Woche später war er arbeitslos. 

Viel mehr als die meisten glauben, sind Fußballergebnisse ein Produkt des Zufalls. Man frage nur die Leute, die damit ihr Geld verdienen, die Wettanbieter. Vor dem Japan-Deutschland-Spiel wurde die Wahrscheinlichkeit für einen Japan-Sieg auf 12 Prozent geschätzt, das heißt in ein bis zwei von zehn Fällen passiert so etwas eben. Da kann der gute Hansi Flick machen, was er will. Hätte Takumo Asano nach der viel kritisierten Herausnahme von Ilkay Gündogan nur einige Zentimeter weiter rechts geschossen, wäre Flick noch heute der Liebling der Nation. Und würde womöglich wegen der weisen und vorausschauenden Schonung seines Spielmachers Gündogan sogar gelobt.

Louis Enrique hätte sich im verlorenen Japan-Spiel verzockt, nur seine B-Elf aufgestellt, daher die Niederlage und der Bruch im Spielverständnis hinterher. Beim ersten deutschen WM-Sieg 1954 hatte Sepp Herberger im ersten Ungarn-Spiel auch seine B-Elf aufgestellt und 3:8 verloren. Das wurde ihm später als genialer Schachzug ausgelegt.

Dieses hinterher-alles-besser-wissen erinnert an die abendlichen Kommentare von Börsenexperten, warum der DAX gefallen ist: Der Ölpreis ist gestiegen/gefallen oder gleich geblieben, der Sultan von Brunei hat sich das Bein gebrochen und dergleichen. Das ist eine tief verankerte menschliche Sehnsucht, in den Vorfällen des Lebens eine Erklärung, einen Sinn zu sehen. Und wenn keiner da ist, wird eben einer hineinprojeziert.

Hätte der Schweizer Schiedsrichter seine Brille aufgehabt...

Der Zufall im Sport wirkt umso mächtiger, je homogener das Leistungsniveau. Der Boxer Rocky Marciano konnte 49 Kämpfe hintereinander gewinnen. Das passiert im Fußball weder Bayern München noch Real Madrid. Hier sind die Spitzenteams sehr homogen. Auf jeden Fall auf Länderebene, wo man sich keine gute Mannschaft zusammenkaufen kann. Wer wurde Fußball-Europameister 2004? Am Start waren alle großen Teams des Kontinents, aber gewonnen hat letztendlich Griechenland. Was ausnahmsweise mal korrekt als Zufall angesehen worden ist.

Aber das gilt genauso auch für uns. Neben dem ersten waren auch alle drei weiteren Deutschen WM-Erfolge, wie auch die vier Endspiel-Niederlagen, zum guten Teil Zufallsprodukte. Der Sieg gegen die Niederlande 1974 war womöglich die Folge eines zu Unrecht gegebenen Elfmeters, die beiden 1 : 0 gegen Argentinien 1990 und 2014 hätten genausogut auch spiegelbildlich ausfallen können. Und das verlorene Endspiel 1966 wäre vielleicht gewonnen worden, hätte der Schweizer Schiedsrichter seine Brille aufgehabt.

Es wird daher immer wieder versucht, diese Macht des Zufalls im Fußball zu brechen, etwa durch Vergrößerung des Tores. Dann gewönne, was auch stimmt, die bessere Mannschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit. Wie etwa im Handball. Da sind Spielergebnis von 34 : 21 keine Seltenheit, und der deutsche Meister 2021/22, der SC Magdeburg, hatte 32-mal gewonnen, kein Unentschieden und nur zweimal verloren. Davon kann selbst Bayern München nur träumen.

Aber wollen wir das? Genau diese Überraschung kreiert doch einen guten Teil der Fußballfaszination. Und auch das Verstoßen der Zufalls-Verlierer hat eine lange Tradition. Das Volk will Brot und Spiele, und da wird eben der unterlegene Gladiator den Löwen vorgeworfen. Insofern ist der arme Oliver Bierhoff ein unschuldiges Opfer archaischer Verhaltensweisen. Hätte man ihn wirklich feuern wollen, dann nicht wegen einiger zufälliger Pfostentreffer, die nicht im Tor gelandet sind, sondern weil er 2018 für den Schwachsinnsspruch „Best never rest“ verantwortlich gewesen ist. Und dass unsere Jungs mit „Germany“ auf den Trainingswesten aufgelaufen sind. Bei den Endspielteams war dagegen „France“ und „Hrvatska“ zu lesen. Auf Deutsch heißt das Kroatien.

Foto: Pixabay

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Helmut Driesel / 13.12.2022

  Ein Verwandter von mir hat bei Wahlen immer die angekreuzt, von denen er meinte, sie könnten gewinnen. Und wenn er abends sah, dass sie tatsächlich gewonnen hatten, da hat er sich gefreut.

Volker Dreis / 13.12.2022

Und auf dem “Fanhansa”-Flieger stand diemal dick: “Diversity wins”. Was für eine peinliche Anmaßung.

Bertram Scharpf / 13.12.2022

Sicher ist, daß man nichts reißt, wenn man die eigenen Spieler entmündigt und für fragwürdige politische Manöver mißbraucht.

Fred Burig / 13.12.2022

“Insofern ist der arme Oliver Bierhoff ein unschuldiges Opfer archaischer Verhaltensweisen.” Ja. genau! Die Idee, eine “Deutsche Nationalmannschaft” in “Die Mannschaft” umzubenennen ( vielleicht wegen einiger “nichtdeutscher Namen” der Spieler oder deren “Teint”), “Gutmenschen- Binden” am Arm vorführen zu wollen - oder als “Ersatz- Protest- Geste” die Hand vorm Mund zu halten, sind dann wohl eher bekloppte, mitgetragene Ansichten eines Herrn Bierhoff, welche mit dem eigentlichen sportlichen Anliegen wenig gemein haben! Die gebührende Quittung haben sie - Gott sei Dank - dafür erhalten! In Anlehnung an einen bekannten Spruch kann man diese Aktion zusammenfassend beschreiben; “Über den Fußballstadien in Qatar lachte die Sonne und über “Die Mannschaft” die ganze Welt!” MfG

Matthias Böhnki / 13.12.2022

Natürlich ist Griechenland nicht zufällig Europameister geworden wie auch die anderen Ergebnisse keine Produkte des Zufalls waren. Die Griechen waren bei dieser EM in der Summe aller Dinge, die auch nur irgendwie spielerelevant sind, besser als ihre jeweiligen Gegner. Die Kondition war besser, oder die Taktik war besser, oder die Selbstüberzeugung, oder die Schußtechnik, oder das Essen am Vorabend, oder der Sex mit der Gattin drei Wochen vor der WM oder sonst etwas. Jedenfalls waren die Griechen ihren Gegner faktisch überlegen und nicht zufällig. Daß das so war, kam allen, die keine Insider sowohl der Griechen als auch der jeweiligen Gegner waren, beim Tippen in die Quere, da sie die vergleichbaren Insiderfakten nicht hatten. Man hätte unglaublich große Datenbänke anlegen müssen und minutiös Tausende von relevanten Daten, die einen Spieler beim Spiel beeinflussen könnten, sammeln und mit den Daten der Gegenspieler vergleichen müssen. Dann hätte man bemerkt, daß die Griechen die besseren Werte gehabt hätten - und wenn am Ende nur der Trainer Ottone der I. das Quentchen ausgemacht hätte. Zufall ist, wenn bei einer einfliegende Ecke plötzlich aufkommender Wind den Ball ins Tor drückt. Wer die Marokkaner vor der WM ausgiebig analysiert hätte, hätte bemerkt, daß sie aktuell einfach besser sind als bspw. die Belgier. Schneller, agiler, hungriger und dazu die passende Taktik - kein Zufall. Planung von Erfolg ist übrigens sehr schön in der englischen Premierleague bei ManCity und Liverpool in den letzten beiden Spielzeiten ablesbar. Da ist die Siegesserie des SC Magdeburg pillepalle dagegen…....

Arne Ausländer / 13.12.2022

Daß Fußball sich völlig gesetzwidrig verhält, wurde mir schon mit 14 klar. Oder welche Gesetze könnten erklären, daß das einzige Spiel, daß ich mit je im Fernsehen angeschaut habe, gerade das berühmte mit dem Sparwasser-Tor war, als die DDR den späteren Weltmeister BRD besiegte? Das konnte doch vorher niemand wissen. Ich ganz bestimmt nicht. Aber klar, wie immer kommt Mister ZufAll zu Hilfe, als Universalerklärung, wenn einem nichts anderes mehr einfällt. Man muß schon Verständnis haben, wenn Millionen den Zuf-All-ah anbeten. Was der nicht schon alles bewerkstelligt hat!

Lutz Herrmann / 13.12.2022

Das typische Ergebnis (der Erwartungswert, wenn man so will) ist das 1:2 oder 2:1. Da hat der Zufall schon viel Angriffsfläche. Zwei mal vom Schiri verpfiffen, und schon ist das Ergebnis gedreht. Aber keiner verpfeifft die Buyern.

Robert Krischik / 13.12.2022

Wenn alles nur Zufall ist, warum wird Bayern so oft Meister?

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