Manfred Haferburg / 07.06.2021 / 12:00 / Foto: Paula Schramm / 71 / Seite ausdrucken

Warum die Grünen für den Dual Fluid Reaktor sein werden

Der weltweite Energieverbrauch wird in den kommenden Jahrzehnten nochmals deutlich steigen. Nach einer Studie des Weltenergierates (WEC/World Energy Council) wird die globale Nachfrage nach Energie bis 2050 um 70 bis 100 Prozent steigen, sich also praktisch verdoppeln. Deutschland aber sortiert Energieressourcen wacker nach Freund/Feindbild und steigt aus den wichtigsten Energieträgern aus. Dass es dabei zum energetischen Geisterfahrer geworden ist, macht den Bundeswirtschaftsminister Altmaier stolz:

Wir sind das einzige Industrieland dieser Größe, das gleichzeitig aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie und dann 15 Jahre später aus der Nutzung der Kohleverstromung aussteigt. Das sind die historischen Aufgaben und die Leistung, die wir zu vollbringen haben.“ Das ist eben so, einem Geisterfahrer kommen tausende Geisterfahrer entgegen.

Aus dem Ausland beobachtet man diese Entwicklung mit Kopfschütteln. Am 22.04. berichtete die FAZ über ein Interview mit William Magwood, dem Generaldirektor der Nuclear Energy Agency (NEA), in welchem die Energieversorgung der Zukunft beleuchtet wird. Der Titel des Artikels lautet; „Deutschland steuert in eine unglückliche Situation”.

Auf die Frage: „Wie steht es um die Sicherheit der modularen Mini-Reaktoren, von denen gerade viel die Rede ist?“ antwortet Magwood:

Ich halte diese kleinen modularen Reaktoren für mögliche Gamechanger, weil sie Charakteristika aufweisen, die die großen kommerziellen Reaktoren nicht haben. Das macht sie noch sicherer. Nehmen Sie zum Beispiel die, die Nuscale in den Vereinigten Staaten entwickelt und die durch die amerikanischen Aufsichtsbehörden gerade geprüft wird. Die Besonderheit dieses Kraftwerks ist, dass es aus mehreren kleinen Reaktorkernen besteht und jeder dieser Kerne von enorm viel Wasser umschlossen. So kann es niemals zu einer Kernschmelze kommen. Auch Pläne für gasgekühlte und Flüssigsalzreaktoren werden vorangetrieben“.

Die nächste Frage lautet: „Was halten Sie von Dual Fluid Reaktoren, an denen auch deutsche Wissenschaftler forschen?“ Magwood:

Sie kombinieren verschiedene technologische Verfahren, die schon funktionieren. Dual Fluid Reaktoren könnten sich als sehr effizient erweisen, da sie mit hoher Temperatur arbeiten. Zudem sind sie klein, kompakt und sicher. Aber einen solchen Reaktor hat noch niemand gebaut, womit Fragen zur Genehmigung und Wirtschaftlichkeit offen bleiben. Wenn jemand die Ressourcen aufbringen würde, könnte ein Demonstrationskraftwerk innerhalb einer Dekade stehen“.

Das Zeug zum Game Changer

Der Dual Fluid Reaktor wurde in Deutschland erfunden und muss, wie so viele andere deutsche Erfindungen, auswandern. Die Dual Fluid Energy Inc. ist jetzt ein kanadisches Unternehmen. Warum? Die kanadische Regierung schätzt und fördert die Kernkraft als Zukunftstechnologie. Die kanadische Bevölkerung sieht Kernkraft überwiegend als Chance. Das Land ist nukleartechnisch erfahren und kann auf eine ununterbrochene Expertise zurückreifen. 

Achgut.com hat schon mehrfach über den Dual Fluid Reaktor berichtet, etwa hier und hier. Der neue Kernkraftwerkstyp hat wirklich das Zeug zum Game Changer. Es ist richtig, es hat ihn noch niemend gebaut. Aber das ist wohl mit allen Neuerungen so.

Beim kleinsten Modell des Dual Fluid Reaktors beträgt der Erntefaktor 800 (energy returned on investment / EROI). Er bezeichnet das Verhältnis von gewonnener Energie zur Gesamtheit an eingesetzter Energie für Bau, Brennstoff, Unterhalt, Sicherheit, Rückbau eines Kraftwerks etc. Zum Vergleich – bei den „Erneuerbaren“ beträgt der Erntefaktor 4. Liebe Leser, schauen Sie sich die deutschen Windspargellandschaften an. Wir stehen erst am Anfang der Energiewende. Zur höheren Versorgung mit Ökoenergie muss künftig noch ein Vielfaches dieser Monster hinzugebaut werden. Die Windkraft benötigt viele hundertmal so viel Fläche für die gleiche Erzeugung, wie der Dual Fluid Reaktor.

Der Reaktor kann jedes spaltbare Material nutzen. Als Schnellspaltreaktor verwertet er neben Atommüll auch Natur-Uran oder Thorium. Atommüll wird dadurch zum Wertstoff. Der verschrieene deutsche Atommüll reicht mit dem Dual Fluid Reaktor für eine Vollversorgung Deutschlands bei heutigem Verbrauch ganze 350 Jahre lang. Im Ergebnis wäre kein Endlager mehr nötig, da die Strahlung der Reststoffe des neuen Reaktors nach 300 Jahren auf dem Niveau von Natur-Uran ist. Insofern wird aus der erfolglosen deutschen  Endlagersuche vielleicht eines Tages doch noch eine Erfolgsgeschichte.

Ich wage mal eine Prognose: In 10 Jahren werden diejenigen, die heute für die Zerstörung der Kernenergie gesorgt haben, die Kernkraft zur Rettung des Klimas propagieren. Sie werden völlig vergessen haben, dass sie, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, einen ganzen Wirtschaftszweig unter Milliardenverlusten zerstört haben. Sie werden ihren Irrtum aber nicht zugeben, sondern darüber rabulieren, dass die neuen Reaktortypen ja ganz anders sind, viel besser, viel sicherer, ohne den ewigen Abfall und zum Wohle der ganzen Menschheit. Konnte ja keiner ahnen.

Ein paar Milliarden müssen bis zum Moment der grünen Einsicht allerdings noch vernichtet werden und ein paar Jahre Schamfrist müssen wohl auch noch vergehen. 

Niemand auf der ganzen Welt ist den deutschen Vorreitern gefolgt

Wie ich darauf komme? Erstens: Politiker haben kein Problem, ihre Ansichten um 180° zu ändern, wenn es ihnen opportun und nützlich für die Macht erscheint. Am 27. Mai 1998 sagte Merkel als damalige Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem deutschen Bundestag: „Meine Damen und Herren, ich habe immer deutlich gemacht und werde dies auch weiter deutlich machen, dass ich die friedliche Nutzung der Kernenergie für verantwortbar halte – gerade und insbesondere in Deutschland.“ Ein gutes Jahrzehnt später, nach dem Tsunami mit dem folgenden Reaktorunglück in Fukushima und den bevorstehenden Wahlen in Baden Württemberg änderte sie bekanntlich ihre Meinung und legte per Telefonanruf ach Kernkraftwerke sofort still, um danach den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie zu zementieren. 

Merkel nutzte für die Begründung ihrer Atom-Wende eine von ihr handverlesene Ethikkommission, in der allerhand Volk vertreten war, nur keine Fachleute. Jetzt will es keiner gewesen sein. Leider sind inzwischen fast alle Kernkraftwerke Deutschlands abgeschaltet und nach 2022 ist Schluss.

Zweitens: Es lässt sich immer weniger kaschieren, dass die Energiewende krachend gescheitert ist. Niemand auf der ganzen Welt ist den deutschen Vorreitern gefolgt, nicht einmal die Japaner. Deutschland als energetisches Beispiel, wie man es nicht machen soll. Die Kosten dieser Fehlentscheidung explodieren immer weiter, kein Ende in Sicht. Die Energieversorgung verkommt zum Glücksspiel, keiner der medial gehypten dummsinnigen Energiewenderettungsringe funktioniert. (hier) (hier) (hier) und der blödsinnigste (hier). 

Jetzt fabulieren grüne Bundestagsabgeordnete, dass man ja Grundlast gar nicht braucht. „Die Zukunft der Energieversorgung wird angebotsorientiert sein“, sagt Frau Silvia Kotting-Uhl im hohen Hause des Bundestags – und der ganze Saal bricht nicht in ein homerisches Gelächter aus. Frau Kotting-Uhl ist ihres Zeichens Germanistin und Kunstgeschichtlerin, was sie zur Vorsitzenden des wichtigen Umweltausschusses qualifiziert. Für sie ist Grundlast etwas Gestriges und wird nicht gebraucht. So wie im Mittelalter die Windmüller nur mahlen konnten, wenn der Wind wehte, so soll wohl nach ihrer Vorstellung Energie „angebotsorientiert“ für die Industrie zur Verfügung gestellt werden. Und der Bundeswirtschaftsminister Altmaier bastelt schon mal an einem entsprechenden Gesetz für den kommenden Stromsozialismus.

Doch die Wähler werden wohl irgendwann einmal unfroh reagieren, wenn es bei Flaute oder Dunkelheit regelmäßig zur Stromrationierung oder gar zum Blackout kommt. Der Umfragewind dreht sich, je mehr die Bürger mit den realen Folgen der Energiewende leben müssen. Daher will die Regierung die enormen Kosten des Energiewende-Unfugs mit dem massiven Einsatz von Steuermitteln kaschieren – für die Stromkunden und Steuerzahler heißt das: rechte Tasche, linke Tasche. Steuerzahler sind nämlich in der Regel auch Stromkunden.

Die Sprengung der rotgrünen Kernenergiegegnerschaft wird aus dem Inneren der grünen Bewegung kommen. So wie die Grünen heute die Gefahren der Kernenergie aufbauschen, werden sie übermorgen die Vorteile der Kernreaktoren der Vierten Generation preisen. So vehement, wie sie heute gegen Kernenergie sind, so vehement werden sie morgen dafür sein. Was stört einen Politiker schon ihr Geschwätz von gestern? Zumal, wenn er wohlversorgt seine Pension genießt.

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Leserpost

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S.Müller-Marek / 07.06.2021

Deutschland in einer Vorreiterrolle??? Ich habe diese Frage schon einmal gestellt, FÜR WAS DENN BITTE? Ich freue mich auf den Tag, an dem den Dummdeppendeutschen ein Licht aufgeht (oder eher aus), dass in diesem Land nichts mehr funktioniert, aber dafür die Steuerzahler immer mehr abgezockt werden. Erst wenn die tollen Klimarettungsideologien oder auch sonstige Hirngespinste an den eigenen Geldbeutel gehen, werden die Menschen in diesem unserem Lande aufwachen. Außer an den Zapfsäulen ist noch nicht wirklich zu bemerken, was auf uns zukommt. Aber das wird noch. Und dann erst wird auch den bisherigen “Falschwählern” klar, WAS sie gewählt haben. Leider zu spät!

Richard Loewe / 07.06.2021

Sind Sie Anteilseigner in der ersten oder jetzt in der zweiten Runde, Herr Haferburg? Und mit Ihrer Prognose für die Umkehr werden Sie falsch liegen, vermute ich, denn die Lüge vom anthropogenen Klimawandel wird demnächst genauso die Karten falten wie die Lüge vom gefährlichen Coronavirus (lief am Freitag auf Fox: schwache Grippe). Die Kernkraft kommt mit Macht zurück und ist zB bei den grünbeseelten Kaliforniern schon wieder en vogue.

E. Sommer / 07.06.2021

Zuerst muss Deutschland gegen die Wand fahren, bevor die letzten Deutschen aufwachen und wieder Leute wählen, die auch für die Bürger dieses Landes arbeiten wollen. Erst dann können wir die Energienetze durchputzen (oh Ton, Annalena), um die Reste der grünen Utopien loszuwerden.

F. Hoffmann / 07.06.2021

Tjou, mag sein. Nur wird dann ein kleines Problem auftauchen: Gaanz lange Genehmigungszeiten und wenn noch eine passende NGO dazukommt -sagen wir mal „Deutsche Atomhilfe“- dauert´s noch länger.

Lutz Herrmann / 07.06.2021

Es darf aber keiner merken. Gentechnik ist ja immer noch böse im grünen Denken. Gentechnisch impfen ist aber okay, weil ... weil ... weil die Querdenker alle Nazis sind. So einen Hirnfick braucht es auch, dann schluckt die grüne Seele auch den Warpantrieb, oder was auch immer sie hier verkaufen wollen, Herr Haferburg.

Michael Elicker / 07.06.2021

Sehr geehrter Herr Haferburg, Ihr Wort in Gottes Gehörkanal (oder wer sonst meint, hier noch korrigierend eingreifen zu können). Allein: mir fehlt der Glaube. Wir haben in Deutschland den ultimativen TippingPoint doch schon lange überschritten. Aber solange Tiefkühlhänchen Energie ins Netz rückspeichern können, brauchen wir ja auch garnichts anderes mehr.

Dirk Jäckel / 07.06.2021

Ihr Wort in der Grünen Ohr. Nun scheint mir aber das Problem, dass Grüne, soweit in höheren Positionen, oft nicht nur sachkenntnisarme Schwätzer sind, sondern eben auch Ideologen. Nun mag der Einwand einer hohen Flexibilitäte kommen, so es opportun ist (man denke etwa an den Angriffskrieg gegen Serbien). Sicher, diese Truppe kann sich ebenso wie FDJ-Merkel um 180% drehen (und zurück) und dreist behaupten, man stünde immer noch fest zu einen Prinzipien (wiederum ohne dass intellektuell anspruchslose Medienschaffende schallend lachen). Anders sieht es aber mit Atomkraft aus. Ohne Anti-Atomkraft-Bewegung keine Grüne, jedenfalls nicht in der Form. Dieses Volk liebt es bekanntlich, sich voll Wonne in Angst zu suhlen, das hat diese Partei eigentlich groß gemacht, Angstpolitik beherrscht dieser Privilegiertenclub virtuos, sie ist dessen Markenkern. Deshalb sage ich mal voraus: Und wenn auch das letzte Entsorgungsproblem gelöst sein mag, wenn auch sämtliche Industrieländer (wieder) auf neue Formen der Kernkraft setzen mögen - dieser so typisch deutsche Verein wird immer gegen alles ankämpfen, “wo Atom drin ist” (um grüne Kindersprache zu persiflieren).

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