Die wirklichen Probleme der inneren Sicherheit mögen deutsche Regierungen inzwischen bekanntlich nicht einmal mehr klar benennen. Aber Macht wollen sie dennoch demonstrieren. Zum Glück lassen sich mit großem Theaterdonner Phantasie-Könige jagen.
Gefahr ist im Verzug. Royalisten wollen die Regierung stürzen, um Schluss zu machen mit der Demokratie. Etwa 600 dieser Terroristen werden vom Inlandsgeheimdienst zwischen Hamburg und München, zwischen Köln im Westen und Bautzen im Osten gezählt. Jeder ein kleiner Duodezfürst, der seinen Schrebergarten oder die Wiese hinterm Reihenhaus zu einem exterritorialen Gebiet innerhalb der Bundesrepublik erklären möchte – mit Zollschranken, einer eigenen Polizei und Beamten, die Pässe ausstellen. Wer einreisen möchte, soll ein Visum benötigen.
Einen dieser Staatsstreich-Verdächtigen konnten die wachsamen Sicherheitsorgane vor Tagen hops nehmen. Peter Fitzek heißt der Mann, wohnhaft an wechselnden Orten und überall polizeibekannt. Wegen wiederholten Fahrens ohne Führerschein geriet er in Konflikt mit dem Gesetz. Deshalb und weil er das „Königreich Deutschland“ ausrief, zunächst beschränkt auf den eignen Garten, später auf ein neun Hektar großes Brachland am Rande von Wittenberg erweitert, darauf die Ruine eines ehemaligen Krankenhauses. Vermutlich sollte es der Regierungssitz des „Königreichs Deutschland“ werden.
Wegen dieser Märchenphantasien und des umstürzlerischen Fahrens ohne Führerschein stand der spätpubertierende Maulheld, ein gelernter Koch, mehrfach vor Gericht, wurde zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt, gelegentlich sogar eingebuchtet, nach kurzem aber stets wieder laufen gelassen. Die Richter fürchteten wohl, sich selbst lächerlich zu machen, indem sie den Lächerlichen ernst nehmen.
Der inszenierte Unsinn ist nicht banal
Nicht so die „demokratischen Parteien“ als Inhaber des Staates. Sie fühlten sich bedroht und reagierten mir der „ganzen Härte“. Zur Festnahme des irren Peter wurde eine Spezialeinheit der Polizei in Marsch gesetzt. Jeder Beamte bis an die Zähne bewaffnet und eingekleidet in einen Kampfanzug, der den Mann einhüllte und nur einen Sehschlitz für die Augen freiließ.
Das machte Eindruck. Der Abgeführte indes nahm es gelassen. Er wusste ja, mit wem er es zu tun hatte, mit Politikern, die sich gern mächtig aufspielen, wo mit martialischer Gegenwehr nicht zu rechnen ist. Nur Lieschen Müller und der kleine Mann auf der Straße, wir alle sollten den Eindruck gewinnen, dass hier ein Attentäter gefasst wurde.
Sie finden das übertrieben, nicht weniger lächerlich als das kindische Spiel der bekloppten Männer und Frauen, die sich benehmen wie die Kinder, wenn sie sich an Fastnacht als König und Königin kostümieren.
Stimmt! Und dennoch ist der inszenierte Unsinn nicht so banal, wie es den vernunftbegabten Bürgern vorkommen mag. Schießt der Staat doch wieder einmal mit Kanonen auf Spatzen, um von anderem abzulenken, etwa von der Gefahr, die uns droht, seit Frau Merkel 2015 die Grenzen für alle, auch für islamistisch indoktrinierte Gotteskrieger, geöffnet hat; oder von der Ausbreitung der Gewalt im öffentlichen Raum, die nun wiederum die fast schon alltäglichen Messerattacken zur Verteidigung einer „Ehre“ nach sich zieht, wie sie in der arabischen Welt, im fernen Morgenland unverdrossen hochgehalten wird, abseits der moralischen gebändigten Zustände bei uns im aufgeklärten Westen.
Über all das lässt sich der Mantel peinlichen Schweigens umso leichter decken, je mehr erfundene Bedrohungen einschüchternd befeuert werden. Werden die Zeitungen und die Sendezeiten mit Berichten über Heinrich XIII. Prinz Reuß und seinen senilen Hofstaat oder wie eben jetzt mit Meldungen zu „König“ Fitzek gefüllt, bleibt wenig Platz für das, was uns tatsächlich so auf den Nägeln brennt wie die Folgen der staatlich gesteuerten Corona-Hysterie, dem tatsächlichen versuchten Staatsstreich der Regierung gegen die Demokratie zur Erlangung der totalen Macht über das Volk. Daran wird das Land noch zu tragen haben, wenn Fitzek und andere mit ihren infantilen Träumereien längst abgetreten und begraben sind. Was dann von ihnen bleibt, dürfte nicht mehr sein als der komische Eindruck lächerlich verspießerter Hochstapler, mit deren lautstarker und waffenstarrender Verfolgung sich der Staat mindestens ebenso lächerlich machte.
Denn wer mit Kanonen auf Spatzen schießt, hat von vornherein verspielt, weil er entweder die Fähigkeit verloren hat, Gefahren realistisch einzuschätzen oder solche erfindet, um das Volk hinter die Fichte zu führen, als ob nicht jedermann wüsste: Lügen haben kurze Beine.
Dr. Thomas Rietzschel, geboren 1951 bei Dresden, Dr. phil, verließ die DDR mit einer Einladung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Er war Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ und lebt heute wieder als freier Autor in der Nähe von Frankfurt. Verstörend für den Zeitgeist wirkte sein 2012 erschienenes Buch „Die Stunde der Dilettanten“. Henryk M. Broder schrieb damals: „Thomas Rietzschel ist ein renitenter Einzelgänger, dem Gleichstrom der Republik um einige Nasenlängen voraus.“ Die Fortsetzung der Verstörung folgte 2014 mit dem Buch „Geplünderte Demokratie“. Auf Achgut.com kommt immer Neues hinzu.