Wolfgang Röhl / 26.07.2016 / 22:14 / Foto: Hohum / 16 / Seite ausdrucken

Warten auf den großen Knall

Offenlegung: Für die folgende Vorschau benutze ich kein belastbares Faktenmaterial. Nur den hierzulande etwas verpönten gesunden Menschenverstand, der im angelsächsischen Sprachraum als common sense approach glatt durchgeht. Ferner über zwei oder drei Gespräche unter moderater Weinzufuhr, die mich etwas nachdenklich gestimmt haben.

Also: Wenn es demnächst auch hierzulande einen Big Bang geben wird – damit meine ich nicht irgendein suboptimal gemanagtes Massaker, keine „Schießerei“ mit ein paar Toten, keinen „Amoklauf“ eines selbstredend immer psychisch gestörten, „einsamen und kranken Einzeltäters“ , auch kein dilettantisches Suizid-Gebombe mit ein paar Verletzten; nicht derlei minderschwere Vorfälle mithin, die einigen zur falschen Zeit am falschen Ort Befindlichen schon mal passieren können, bekanntlich aber seltener als Pilzvergiftungen sind – nein, dieses Kleinkaliber meine ich nicht.

Sondern einen Terrorakt jener Dimension, die man aus Bagdad oder Kabul oder Nigeria kennt. Wenn er in Deutschland geschähe - hundertfünfzig Zerfetzte, dreihundert Verletzte oder so bei „Rock am Ring“ oder in der Allianz Arena -, was wäre dann wohl? Kein Geheimnis. Das käme, aus unterschiedlichen Motiven, auch manchen Bio-Deutschen nicht ungelegen. Die rechtsradikale Szene ersehnt naturgemäß ein islamistisches  Meisterstück à la 9/11, das ihnen ein für allemal Recht geben soll. Nicht wenige User einschlägiger Websites gieren nach dem größten anzunehmenden Anschlag.

Aber auch bei jenen Konservativen, die über Merkels CDU inzwischen bloß noch den Kopf schütteln, keimt hier und dort – natürlich nur klammheimlichst - der Gedanke, nur eine spektakuläre Schreckens-Großtat, so widerwärtig die Vorstellung auch sei, könne die verkorkste Situation noch wenden. Die torkelnde Partei schlagartig ernüchtern. Das Irrenheim der Berufsbeschwichtiger, Kulturrelativierer und Augenzudrücker vielleicht doch noch auf Vernunftkurs trimmen. Nebenbei den Klebers und Augsteins das Maul stopfen.

Brave Bürger mit derart beängstigenden Gedanken gibt es nicht? Doch. Leider. Dafür sorgen Politik und Medien. Zum Beispiel jeden Abend nach dem jeweils neuesten Anschlag, wenn halbwegs informierte Menschen durch „Tagesschau“ und „heute“ belehrt werden sollen, dass nichts mit nichts zu tun habe. Unschwer zu erahnen, wie sich da vor den Glotzen eine Phalanx von Mittelfingern ausstreckt.

Auch auf der anderen Seite, gegenwärtig arg unter Rechtfertigungsdruck, erhoffen sich manche den großen Knall. Bloß andersrum. Eine Terroraktion hocheffizienter NSU-Nachfolger vielleicht, beim Freitagsgebet in einer Duisburger Moschee? Endlich wieder genehmere Schlagzeilen! Oder wenigstens ein Mob, der ein Flüchtlingsheim abfackelt, vor laufenden Kameras. Hoyerswerda reloaded, das wäre der ideale Vorwand für die endgültige Ermächtigung gegen „Hate Speech“ und „Rassismus“. Beziehungsweise gegen all das, was Maas, Schwesig und ihre Hiwis darunter verorten möchten.

Polizei und Geheimdienste von der Leine lassen, Telefone anzapfen, Social Media durchschnüffeln, Wohnungen filzen - das ganze Programm. Dieses „Pack“ mal so richtig aufmischen - was für eine verlockende Vorstellung. Wie es gegenwärtig aussieht, könnten sich die Hoffnungen der ersten Gruppe zeitnah erfüllen.  Die zweite Gruppe muss auf ihr 9/11 womöglich noch ein Weilchen warten. Mit dem Pack verdreschen hat sie vorauseilend aber schon mal angefangen.

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Leserpost

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R. Helene van Thiel / 27.07.2016

Vielleicht kommt jetzt die erhoffte Wendung, die von Nizza, Würzburg, Ansbach und Rouen ablenkt. Heute bei faz.net zu lesen: Münchner Täter war Rechtsextremist. (Auf Umwegen dann doch so etwas wie ein Deutscher.)

Gerhard Sponsel Lemvig / 27.07.2016

Moderate Weinzufuhr nützt bei den eventuellen Großereignis mir nicht.  Die “Brennpunkte” in den deutschen Bezahlsendern ARD und ZDF würden ganze Tage dauern, nur unterbrochen durch die Heute-Show und den Tagesthemen. Experten und Forscher würden die Meinung des Volkes als Populismus verteufeln und Käßmann und Bedford-Strom, und zwei Kardinäle von den Anderen, würden das wütende Volk in HD-Qualität zur Vernunft auffordern. So was kann ich nicht mit moderater Weinzufuhr ertragen. Zumal ich nicht so gerne Wein trinke. Aber ein Kasten gut gekühltes Tuborg-Grön, 30x 0,3 Ltr. bestes dänisches Bier, bräuchte ich dann schon pro Brennpunkt. Die Klaus Klebers oder Heiko Maas der BRD kann man ja jetzt schon nur angeheitert ertragen. Möge das Schicksal dem Volk gnädig gestimmt sein. Hilsen gerhard Sponsel

Klaus Bosch / 27.07.2016

Was Sie beschreiben werden die meisten aus eigener Erfahrung bestätigen können. Ursache ist das völlig realitätsfremde, oder besser realitätsverleugnende, selbstgefällige, ideologische und unverantwortliche Gebahren gut versorgter Eliten in der Politik, die gerne noch dazu als moralische Instanz auftreten. Ähnlich wie bei einem Alkoholiker, dem ein Schockerlebnis seine Abhängigkeit erkennbar machen kann, gilt auch hier das intuitive Wissen, dass ein solches weitreichendes Schockerlebnis die Realitäten zurecht rücken kann. Das bedeutet nicht, dass man sich das herbei wünscht. Wahrscheinlich und trauriger Weise wird es aber nicht ausbleiben. Für diejenigen, die dann im nach hinein Recht erhalten, ist das keine Befriedigung. Wenn daraus aber gutes entstehen kann, dann hoffentlich der Anfang der Rückkehr von Vernunft und Maß (man traut sich dieses Wort “Maß” aus phonetischen Gründen gar nicht hinzuschreiben) in der Politik. Die Realitäten sind wohl eben leider so…....

Jacek Berger / 27.07.2016

Drei Terror Attacken verübt von Flüchtlingen innerhalb von einer Woche. Die Deutschen gehen aber nicht auf die Strassen, sie protestieren nicht, sie reden nicht mal darüber. Wie soll man das verstehen? Es muss ihnen gefallen, was gerade im lande passiert, anders kann man das nicht erklären.

Caroline Neufert / 27.07.2016

Zustimmung, nur nicht zum letzten Satz.

Burkhart Berthold / 26.07.2016

Lieber Herr Röhl, die Zahl der Rechten, die einen big bang “erhoffen”, dürfte wohl eher überschaubar sein, denn die meisten von ihnen fahren täglich zur Arbeit, gehen zum Fußball, schlendern durch die Fußgängerzone, kaufen im Supermarkt ein, ja, manche von ihnen beten sogar in einer Kirche, was, wie wir heute gelernt haben, ebenfalls gefährlich sein kann. All diese Dinge, die Rechte so gern tun, finden mittlerweile in einer roten Zone statt, und wissen Sie was? Die meisten Rechten kommen abends gern gesund nach Hause.

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