Thomas Rietzschel / 18.12.2021 / 14:00 / Foto: Pixabay / 60 / Seite ausdrucken

Wann wir sitzen Seit’ an Seit’ – Stühlerücken im Bundestag

Seit Tagen kursiert im Internet ein Auftritt von Heinz Becker, alias Gerd Dudenhöffer. Es geht um den Deutschen Bundestag. Mit satirischer Nüchternheit klärt der Mann aus dem Volke sein Publikum darüber auf, dass die „Zuschauer“ auf den Rängen gar keine „Besucher“ sind, sondern die Eltern der Politiker unter ihnen im Plenarsaal. „Die bringen die morgens vorbei, und dann nehmen sie die abends wieder mit heim.“

Wie es dem Kabarettisten gelungen ist, den Nagel so auf den Kopf zu treffen, war in dieser Woche wieder einmal „in echt“ zu erleben. Während sich die Welt im Aufruhr befindet wegen China, Corona, Weißrussland und Ukraine, konnte die FDP vorbei an den Gepflogenheiten des Hohen Hauses eines ihrer geheimen Wahlziele energisch durchsetzen.  

Schon 2017, nach dem Wiedereinzug ins Parlament, hatte die Partei versucht, ihren angestammten Platz rechts der Mitte, wo die Konservativen seit 1871 nebeneinander saßen, zu verlassen und sich zwischen die Sessel der CDU/CSU-Fraktion und die der Grünen zu drängen, möglichst weit weg von der AfD. Allein, auch die Schwarzen wollten nicht neben den „Rechtsextremen“ Platz nehmen. Und da sie damals noch bei Kräften waren, die Kanzlerin stellten, mussten die Gelben klein beigeben.

So zwitschern nun die Liberalen

Jetzt aber, da sie an der Regierung teilhaben dürfen, ließen sie nicht locker, bis ihre Sessel – von vorn gesehen – rechts abmontiert und in der Mitte neben den Grünen neu verschraubt wurden. Den Koalitionären war das durchaus recht. Können sie doch nun auch im Plenum sichtbar einen rot-grün-gelben Block bilden, bei Abstimmungen bereits durch die Wucht der Masse als Volksfront beeindrucken. Wie die Linken einst sangen, so zwitschern nun die Liberalen: „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“.

Mit ihrem tiefen Fall sind sie zur Blockpartei aufgestiegen, indes der Schwarze Peter den Schwarzen zugeschoben wurde. Mögen sie sehen, wie sie mit den Blauen zurechtkommen, ohne dass deren politische Ausdünstung in ihre Anzüge, Kostüme und Kleider kriecht, ihnen womöglich die Sinne vernebelt. 

Die „demokratischen Parteien“ wissen, was sie ihrem Aufstieg schulden, geht es ums Wesentliche, darum, sich von der gleichermaßen demokratisch gewählten AfD abzusondern. Der Gedanke, sie könnten sich mit solchen Mätzchen lächerlich machen, kommt den Kindsköpfen nicht, krabbeln sie doch ohnehin im größten Kindergarten des Landes fröhlich umher, während die Bürger zuschauen, wie die lieben Kleinen, die sie morgens zur Betreuung abliefern und abends wieder abholen, ausgelassen toben und sich gegenseitig von hinten mit dem Sandschäufelchen auf den Kopf hauen. Sie wollen doch nur spielen, also lassen wir ihnen den Spaß, bevor sie anfangen zu greinen. Mögen sie machen, was ihnen gerade in den Kopf kommt, solange sie sich von den Ungezogenen fernhalten.

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Manche Leser mögen sich noch an Franz Josef Degenhardt und sein Lied von den „Schmuddelkindern“ erinnern.1965 entstanden, erzählt der Song die Geschichte eines Jungen aus kleinbürgerlichem Milieu. Aufgestachelt vom Ehrgeiz seiner Eltern, verlässt er die angestammten Verhältnisse, um in der „Oberstadt“ reich zu werden und am Ende genau da wieder aufzuschlagen, wo er weg sollte, als Leiche, angeschwemmt auf dem Rattenteich und höhnisch verlacht von den Schmuddelkindern, mit denen er nicht spielen durfte. 

Nun sind die Abgeordneten der AfD keine Schmuddelkinder, die FDP ist kein Haufen ehrgeiziger Spießer. Und dennoch scheint der Bänkelsang zum aktuellen Stühlerücken im Deutschen Bundestag zu passen wie der Deckel auf den Topf. Die aufgeplusterte FDP wird ihr blaues Wunder noch erleben. Denn wenn es um Macht geht, könnten die Schwarzen leicht in die Versuchung geraten, sich blau anzutrinken und zu vergessen, wie sie früher über die AfD herzogen. Immerhin soll ihr Säulenheiliger Konrad Adenauer, auch schon mal bei einer Kehrtwende, erklärt haben: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“

Für Angela Merkel war es schon geradezu selbstverständlich, nichts auf das zu geben, was sie vor Tische versprach. Am Ende könnte das kleine Häuflein der Liberalen mit dem Sprung in die Mitte zwischen die Stühle geraten, unsichtbar auf den Boden gefallen. Eine deutsche Parlamentsklamotte – das Kasperletheater der Rasselbande im Kindergarten. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Guido Wekemann / 18.12.2021

Sitzungen im englischen Parlament sind das Modell für das demokratische Prinzip. Berichte über Debatten in diesem Parlament zeigen eine Grundhaltung die im Deutschen Bundestag ganz und gar abhanden gekommen ist. Ein Traum auch für unsere Parlamente: Die Abgeordneten sitzen nebeneinander, keine störenden Tische und darauf abgelegte Zeitungen, hinter denen sie sich verstecken können, keine Einzelsessel, mit denen man sich in fast alle Richtungen bewegen kann und erst recht nicht dem Redner den Rücken zuwenden kann. Und keine Sitzordnung: der Platz wird je nach Erscheinen im Plenarsaal eingenommen. Das wäre es: kein Raum für Zappelphilippe. Kein Verstecken hinter dem Rednerpult. Dafür angeregte Debatten, kostengünstig und dem Steuerzahler noch zuzumuten. Schade: Nur geträumt.

Jochen Lindt / 18.12.2021

Die FDP hat alles richtig gemacht. Sie gehört jetzt zur Regierung, also sitzt sie auch auf deren Seite.  Sollte die CDU irgendwann mal wieder ans Ruder kommen und die FDP brauchen, dann ziehen die Liberalen eben wieder um.  Vorbildliche Flexibilität und Mobilität.

Günter H. Probst / 18.12.2021

Es wäre doch viel einfacher gewesen, wenn die Corona- und Klimafront die AfD aus dem Plenum und den Ausschüssen ausgeschlossen hätte, und sie irgendwo in einer veganen Kantine auf der anderen Spreeseite als Pariaparlament untergebracht hätte. Dann müßte die FDP jetzt nicht neben den Maoisten sitzen. Aber die SPD fühlt sich neben den Stalinisten ja auch wohl.

Gabriele Klein / 18.12.2021

@ Franke: Mein Vorschlag Abwählen wie ne Hausverwaltung die Gelder mißbraucht DAs geht allerdings niemals nach den Vorgaben der Hausverwaltung sondern nur im Hinterzimmer mit den tatsächlichen Eigentümern die sich gegenseitig kennen, d.h. ohne Stimmungsmacher u. in diesem speziellen politischen Falle dann halt mit Brief und Siegel. Wenn sich alle zu erkennen geben wirds eng für unterwandernde STASI Spitzel.  Wird eine Mehrheit erreicht kann die Absetzung problemlos erfolgen. So betrachtet ist keine Volksabstimmung verhinderbar man kann sie eigentlich immer durchsetzen indem man es halt selbst macht mit einer Person vorneweg die das ist was sie vorgibt zu sein, und davon gibts genug. Zum Datenschutz: ich wähle lieber ohne Datenschutz in einem Rechtsstaat der mich nicht für meine Meinung kriminalisiert als mit Datenschutz in einer DDR.  Ich verstehe bis heute nicht, warum meine Partei nicht interessiert, ob ich sie gewählt habe,  Nach dem Berliner Wahlskandal, der mich hinterfragen lässt ob diese Regierung überhaupt die Stimmen hat die sie behauptet zu haben scheint mir dies der einzige Weg.  PS: Zum Wahlskandal: Was wurde jetzt eigentlich daraus? Weiß jemand mehr?

Gabriele Klein / 18.12.2021

“Denn wenn es um Macht geht, könnten die Schwarzen leicht in die Versuchung geraten, sich blau anzutrinken und zu vergessen,” Glaube ich nicht. Diese Gelegenheit FDP AFD CDU hätte bereits bestanden.  Mir scheinen sie alle sehr Merkel hörig zu sein und zwar über deren Abgang hinaus. Ich gewinne nicht d. Eindruck echter Überzeugung sondern den der Angst. Viele verhalten sich deutlich erkennbar nicht authentisch wenn sie reden.  Ähnliches Gruppenverhalten beobachtete ich oft in Büros mit extrem autoritären Chefs, die wie kleine Diktatoren auftraten und verstanden ihre Knute passgenau einzusetzen, damit keiner muckst In diesem Zusammenhang erstaunte mich die überdeutliche Ansage v. Frau Dr. Merkel an Alle “Sie würde für die Impfpflicht stimmen”. Diese Ansage erfolgte nicht nebenbei, sondern überdeutliche betonte, was mir schon fast wie eine Drohung in den Ohren erklang,  Von daher machte es mich stutzig, denn wen interessiert eigentlich wofür diese angeblich aus dem Amte scheidende Dame stimmt und falls doch, wäre es angesagt ihrerseits in einer Demokratie den Mund zu halten um die Leute frei von solcher Beeinflussung abstimmen zu lassen.. Also nochmals: Was für eine Bewandtnis hatte diese Ansage?  In diesem Zusammenhang würde mich interessieren ob solche Abstimmungen anonym erfolgen oder nicht. Mein Eindruck ist, dass hier sehr viel faul ist und ich kenne solche Gruppenbilder nur wo totalitär regiert /und/oder erpresst wird.

Moritz Cremer / 18.12.2021

Auf dem Pavianfelsen im Zoo geht es gesitteter, gebildeter & seriöser zu, als bei den Ampelclowns…

Mathias Rudek / 18.12.2021

Dieses neue Parlament? Der teuerste und größte Kindergarten der Welt und dummdreist noch dazu. Leider sind die Parteien diesseits der AfD absolute Blockparteien mit einer austauschbaren politischen Grundierung. Und demnächst kommt noch ein überdimensioniertes Kanzleramt dazu. Was hat diese Kanzlerette nur so alles in die Wege geleitet? Ein einziges Desaster.

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