Danke an Michael Holmes für die Vorstellung der inoffiziellen australischen Nationalhymne “Waltzing Matilda”. Ich kann ja verstehen, dass der Sinn des Liedes nur schwer zu entschlüsseln ist, aber lieber Michael: es gibt ihn wirklich! Er erschließt sich problemlos bei halbverkohltem Fleisch (die Aussies nennen das BBQ) und eiskaltem Bier (am besten XXXX oder Crown Lager - Foster’s macht nur gute Werbung, aber kein gutes Bier!) - ich spreche dabei als “Wahlaustralier im Exil” aus Erfahrung.
Also gut, hier meine persönliche Interpretation von Waltzing Matilda. Die ersten Strophen hatte Michael ja schon zitiert, das Lied geht aber noch weiter:
Waltzing Matilda, Waltzing Matilda
“You’ll come a-Waltzing Matilda, with me”
And he sang as he stowed that jumbuck in his tucker bag,
“You’ll come a-Waltzing Matilda, with me”.
Up rode the squatter, mounted on his thoroughbred,
Down came the troopers, one, two, three,
“Where’s that jolly jumbuck you’ve got in your tucker bag?”
“You’ll come a-Waltzing Matilda, with me”.
Waltzing Matilda, Waltzing Matilda
“You’ll come a-Waltzing Matilda, with me”
“Where’s that jolly jumbuck you’ve got in your tucker bag?”,
“You’ll come a-Waltzing Matilda, with me”.
Up jumped the swagman, leapt into the billabong,
“You’ll never catch me alive,” said he,
And his ghost may be heard as you pass by the billabong,
“Who’ll come a-Waltzing Matilda, with me”.
Waltzing Matilda, Waltzing Matilda
Who’ll come a-Waltzing Matilda, with me
And his ghost may be heard as you pass by the billabong,
“Who’ll come a-Waltzing Matilda, with me?”
Der Squatter, von dem in dem Lied die Rede ist, ist ein Wanderarbeiter im ländlichen Australien, also im Outback. Diese Squatters nutzten Land oft als Farmer, auch wenn es ihnen eigentlich nicht gehörte. Es handelt sich also um Figuren am Rande der Gesellschaft bzw. mit einem Bein in der Illegalität. Aus australischer Sicht ist das eher positiv zu sehen, denn die weiße Besiedlung Australiens begann schließlich auch mit Strafgefangenen (Ausnahme: Südaustralien - das war eine Kolonie freier Siedler). Heute gilt es als schick, wenn man seine Familiengeschichte bis zu einem Sträfling zurückverfolgen kann.
Aus australischer Sicht ist es auch von großer Bedeutung, dass die Geschichte im Outback spielt. Es gibt zwar kaum ein Land auf dieser Welt mit einem höheren Urbanisierungsgrad als Australien, aber das Selbstverständnis der Aussies ist merkwürdigerweise immer noch eher ländlich. Es ist das von der Besiedlung übrig gebliebene Gefühl, dass man auf sich alleine gestellt in einem endlos weiten Land voller Gefahren lebt. Und eben dafür steht der Squatter in Waltzing Matilda.
Dann stiehlt der Squatter auch noch ein Schaf - und wieder ist es eine Anspielung auf etwas Uraustralisches. Der australische Wirtschaftsaufschwung des 19. Jahrhunderts war vor allem der hochproduktiven Landwirtschaft zu verdanken, und Schafe spielten dabei eine ganz entscheidende Rolle. Der Goldrausch im Bundesstaat Victoria kam erst später, die Industrialisierung noch viel später. Schafe waren in Australien ganz lange ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Als der Squatter dann von der Polizei verhaftet werden soll, beschließt er, sich lieber durch einen Sprung in den Tümpel das Leben zu nehmen, als sich der Staatsgewalt auszuliefern. Es ist der etwas anarchische, freiheitsliebende Charakterzug der Australier, der sich darin widerspiegelt.
Und um die Sache noch besser zu machen: Das Lied ist voll von Wörtern, die man nördlich von Darwin und westlich von Perth noch nie gehört hat. Das heißt, dass Waltzing Matilda ein Lied ist, das nur etwas für eingeweihte Aussies ist, die sich damit vom Rest der Welt abgrenzen. Es reflektiert insofern auch die wirklich abgeschiedene Lage Australiens. Es ist zwar dieselbe Sprache, die auch im 16.000 Kilometer entfernten Mutterland gesprochen wird, aber Waltzing Matilda ist damit für einen Londoner trotzdem nicht ohne weiteres zu verstehen (und das ist auch gut so).
Ich würde Waltzing Matilda daher so interpretieren, dass das Lied eigentlich für alles steht, was die Australier (durchaus klischeehaft) von sich selbst denken. Es ist eine Anleitung zum Australischsein “in a nutshell”. Und darum liebe ich dieses Lied. Es lässt mir auch bei brütender Hitze einen kalten Schauer über die Haut laufen und weckt bei mir das Fernweh (bzw. fast eine Art Heimweh). Und ja, ich weiß, dass das alles furchtbar kitschig ist und ich in diesem Fall zu einer gewissen Sentimentalität neige.
Andere Interpretationen von Waltzing Matilda sind sicherlich möglich, aber das ist jedenfalls meine. Also, lieber Michael: Besorge Dir ein paar Flaschen Crown Lager, lade Dir ein paar australische Freunde zu einem BBQ ein und lass Dich in die Geheimnisse von Waltzing Matilda einweihen. You’ll come a waltzing matilda with me ...