Hemley Boum ist eine der wenigen Kamerunerinnen, die es mit ihren Romanen auf den deutschsprachigen Buchmarkt geschafft hat. Sie schreibt mit großem Einfühlungsvermögen und hellsichtig über die patriarchale Kultur, Ereignisse in der Geschichte und reale politische Entwicklungen ihres Landes. Ihre Bücher sind spannend und es sind auch immer Reflexionen zwischen Kamerun und Frankreich.
Ich war vier Jahre in Kamerun tätig, und in ihrem aktuellen Buch „Wind der uns heimträgt“ (Le rêve du pécheur, Hammer, 2025) über die Veränderungen in einem traditionellen Fischerdorf (Campo bei dem Badeort Kribi) , hat sie mich sehr viel an die warmherzige Mentalität und Großzügigkeit einfacher Kameruner erinnert. Dieser dritte Roman ist wieder mit außergewöhnlichem Blick für die Nuancen des Lebens prägnant und sinnlich erzählt. Hemley Boum hat meine Erinnerungen an Kamerun und seine Menschen mit diversen Beispielen aufgefrischt.
Studienförderung: Es ist stimmig, wenn sie schreibt: „Die Stipendien, die zur Verfügung standen, wurden von internationalen oder direkt von westlichen Universitäten vergeben, und arme Schüler hatten keinen Zugang dazu, sie verschwanden in den Netzwerken der Kinder reicher Leute." (S. 92) Auch meine Kollegen an der deutschen Botschaft hatten große Mühe, sicherzustellen, dass die Stipendien nicht zweckentfremdet wurden.
Gebrauchte Kleidung: "Der Handel mit Secondhandwaren florierte für diejenigen, die dabei die Zügel in der Hand hatten. Sie kauften kostenlos in der reichen Welt ein, wo die Leute sich ein reines Gewissen verschafften, indem sie den armen Afrikanern das schickten, was ihre eigenen Armen nicht wollten.“ (S. 105)
Bildung: „Der soziale Aufstieg, den die staatliche Schule versprach, fand in unserem Viertel kaum Befürworter, da es an Erfolgsbeispielen mangelte. „Wir kannten Leute von hier, die durch Handel oder Geschäfte aller Art reich geworden waren, doch keinen einzigen hochrangigen Beamten, Intellektuellen oder sonst wen, der seinen sozialen Aufstieg der Bildung zu verdanken hatte.“ (S. 105)
"Es war für sie schwieriger, die Verantwortlichen für ihr Elend zu benennen"
Schattenwirtschaft: „Die meisten Menschen arbeiteten hier im informellen Sektor, sie waren scheinbar ihr eigener Herr oder, anders gesagt, es war für sie schwieriger, die Verantwortlichen für ihr Elend zu benennen.“ (S. 106)
Rechtsstaat: „ Nur die Glücklichen, die über Beziehungen verfügten, konnten damit rechnen, sich vor einem Gericht zu verantworten. Manche warteten nach jahrelanger Haft noch auf ihren Prozess. Alles war vom Zufall abhängig. Nur wenige konnten sich einen Anwalt leisten, und Staatsanwälte und Richter betrachteten die Inanspruchnahme eines Rechtsbeistands ohnehin als persönlichen Affront. „Eine umso größere Rolle spielten Bestechungsgelder, Einschüchterungen und Willkür.“ (S. 153)
Leider gehört dies im Lande des seit 1982 diktatorisch regierenden Präsidenten Paul Biya nicht der Vergangenheit an. Jede abweichende Meinung wird gnadenlos unterdrückt. Biya hat ein informelles System von Personenbeziehungen aufgebaut, das der Machtausübung dient. Sein Machtgerüst besteht aus Bestechung, Erpressung und Wahlmanipulation.
Häftlinge: „Sie hatten keinerlei Rechte, weniger wegen ihres Vergehens, sondern wegen ihrer Armut und weil ihnen die Mittel für ihre Verteidigung fehlten. Manche erhielten Besuch und etwas zu essen, aber die meisten wurden von ihren Familien im Stich gelassen, die kaum genug für ihr eigenes Überleben hatten … Die Reichen, Leute, die wegen ernst zu nehmender Korruptionsvorwürfe einsaßen, wurden in einem akzeptablen Flügel untergebracht und bevorzugt behandelt.“ (S. 154)
Korruption von Biyas engen Mitarbeitern wird geduldet, solange sie dem Regime nützlich sind. Die meisten seiner Günstlinge wurden zu Millionären gemacht. Nicht mehr nützlich, werden sie angeklagt und verschwinden in Gefängnissen.
Zum Schmunzeln: Völlig vergessen hatte ich, dass man in Afrika Namen von amerikanischen Städten für vornehme Stadtviertel vergibt. In Kamerun, Denver und Santa Barbara. (S. 260.) In Uganda gibt es „Lass Vega“ und auf Mauritius in Port Louis weniger vornehm „Bangladesh"
Hemley Boum schreibt nachdenklich von gescheiterten Träumen. Der Leser lernt viel über die Schattierungen des Lebens in Kamerun und Frankreich. Trotzdem sind die Geschichten auf angenehm lesbare Art geschrieben.
Henley Boum: Wind, der uns heimträgt. Gebunden, mit Schutzumschlag
320 Seiten, € 26,00 (D), Peter Hammer Verlag
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Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage).
Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.
Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.
Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.

Vielen Dank für diese Buchvorstellung. Weihnachten steht vor der Tür und sowohl das Buch von Herrn Seitz als auch das von Frau Boum nun auf meiner Wunsch- sowie Geschenkeliste.
Dass die Autorin so offen über Kamerun schreiben kann, verdankt sie allein der Tatsache, dass sie dies von ihrem aktuellen Wohnort in Frankreich aus riskiert. Was bedeutet dies für die Migrationsdebatte, vor allem für den "Global compact for migration", der u.a. Merkel so am Herzen lag?
Kamerun heute - eine drastische Schilderung der Bananenrepublik Deutschland in 10 Jahren. Die globale Integration schreitet voran. Europa integriert sich in Afrika. Der deutsche Rechtsstaat macht besondere Fortschritte. Heute sorgen die einzelnen erfolgreichen Aktionen des Justizwesens noch für mediales Aufsehen, morgen sind sie schon grauer Alltag, bürokratische Routine. Das deutsche Justizwesen dekolonisiert sich und entledigt sich seiner abendländischer Traditionen, wie der Rechtsprechung. Heute steht der gesamten Deutschen Bevölkerung - der rabenschwarzen kreischenden Schaar der Staatsanwaltschaft entgegen - nur noch 1 einziger Rechtsanwalt zu, der Herr Steinhöfel. Wenn er in Pension geht, oder wegen seiner Rastafrisur suspendiert wird, dann steht das deutsche Volk ohne einen Verteidiger da. Vornehme afrikanische Stadtviertel werden nach amerikanischen Städten benannt. Berlin heißt Bangladesh.
Herr Seitz, Sie müssen sich keine Sorgen machen, denn alles wird gut mit dem WEF: „Die Verabschiedung der Agenda 2030 vor zehn Jahren galt als historischer Meilenstein für den Multilateralismus. Denn mit ihr hat sich die Weltgemeinschaft auf 17 Nachhaltigkeitsziele geeinigt, um bis 2030 Armut zu beenden, die Umwelt zu schützen und ein gerechtes, friedliches Zusammenleben weltweit zu fördern. Doch nun ringt die Weltgemeinschaft um gemeinsame Lösungen zur Erreichung dieser Ziele. (…) Deutschland bleibt ein verlässlicher Partner und setzt sich mit Nachdruck für die Umsetzung der Agenda 2030 ein.“