Ende Januar dieses Jahres war es klirrend kalt in Chicago, die Stadt schlotterte unter dem eisigen Atem des Polar Vortex, des Polarwirbels, als Jussie Smollett, allein unterwegs um zwei Uhr morgens, Opfer einer bösartigen Attacke wurde. Zwei weiße Männer mit Gesichtsmasken und roten Trump-MAGA-Mützen, gab er den Cops der Chicagoer Polizei noch in der selben Nacht zu Protokoll, hätten ihn verprügelt, rassistisch und schwulenfeindlich beschimpft, mit einem Bleichmittel übergossen, eine Schlinge um den Hals gelegt und gedroht: „Dies ist MAGA-Land.“ Ein Thunfischsandwich in der linken, sein offenes Handy in der rechten Hand habe er sich tapfer gewehrt, bis die beiden schließlich davonrannten.
In den nächsten Tagen war die Story nationales Medienthema. Smollett ist Afroamerikaner, bekennender Schwuler, gehört als Sänger und Schauspieler der erfolgreichen TV-Serie „Empire“ zum unteren Hollywood-Adel und war schon vom Celebrity-verliebten Obama zum Gesangsvortrag ins Weiße Haus geladen worden.
Bevor die genauen polizeilichen Ermittlungsergebnisse bekannt waren, verurteilten Meinungseliten, Filmprominenz und die Granden der Demokratischen Partei mit unheilschwangerem Pathos den feigen Angriff. Sie geißelten die Tat als „modern day lynching“ (Kamala Harris), warnten, man dürfe „diesem Hass nicht länger einen sicheren Hafen bieten“ (Joe Biden), sprachen von einem „schrecklichen Beispiel für die wachsende Feindseligkeit gegenüber Minderheiten in diesem Land“ (Bernie Sanders). Und die wenigen Medien, die korrekterweise von einem „möglichen“ rassistischen und homophoben Angriff schrieben, wurden abgekanzelt. Eine solche Formulierung würde dem Opfer eine zusätzliche „Wunde“ zufügen.
Morgens um zwei bei 30 Grad minus
Naheliegende Fragen nach der Glaubwürdigkeit von Smolletts Geschichte konnten da keine aufkommen. Zum Beispiel, wie wahrscheinlich es ist, dass zwei Weiße mit Trump-Mützen und Skimasken morgens um zwei bei arktischen 30 Minusgrad auf der Suche nach einem schwulen Schwarzen unterwegs sind, um ihn zu lynchen, und dies in einem besseren Quartier einer Stadt, die zu 83 Prozent für Hillary Clinton gestimmt hat.
Zu schön passte die Opfersaga in die Weltsicht der linksliberalen Stände, die ihre Niederlage in den letzten Präsidentschaftswahlen noch immer nicht akzeptieren können und die jeden Trumpwähler als dumpfen, weißen Hinterwäldler sehen, der sich durch sein Idol im Weißen Haus, dem orangefarbenen Oger aus Queens, ermutigt fühlt, loszuschlagen und seine bösartigen Instinkte an irgendwelchen Minoritäten auszuleben. „Das ist Amerika, 2019“, fasste eine CNN-Moderatorin den Fall apodiktisch zusammen.
Nach wenigen Wochen gab die Polizei ihre Erkenntnisse bekannt. Zwei Dutzend Beamte hatten in mehreren tausend Arbeitsstunden den Fall rekonstruiert. Die „weißen Schläger“, so das Resultat, waren zwei schwarze Bodybuilder, nigerianische Brüder. Der 36-jährige Smollett kannte sie aus dem Fitnessstudio, und er hatte ihnen 4.000 Dollar bezahlt, damit sie den Angriff auf ihn simulierten. Eine Videoaufnahme zeigt die Brüder, wie sie in einem Shop jene Trumpmützen, Skimasken, Handschuhe kaufen, die sie nur Stunden später im angeblichen „modern day lynching“ trugen.
Erfunden und dennoch wahr
Der ganze Überfall war eine Farce, allerdings eine schlampig inszenierte. Smollett war sich offenbar so sicher, man würde ihm seine haarsträubende Geschichte abnehmen, dass er einige elementare Fehler machte, wie den, das Geld für die Brüder per Scheck statt in bar zu bezahlen. Aber er hatte nicht mit dem professionellen Realismus der Cops gerechnet.
Dieselben Kreise, die zuvor Smolletts Version bedingungslos geglaubt hatten, warnten nun angesichts der polizeilichen Fakten davor, „vorschnelle Schlüsse zu ziehen.“ Oder sie räumten – wie ein Kommentator der Washington Post – ein, dass Smollett den Vorfall erfunden haben mochte, dieser aber trotzdem wahr sei. Denn er sei „Wirklichkeit für viele Menschen in diesem Land seit dem Amtsantritt von Trump.“
Das alarmistische Mantra der linksliberalen Eliten, dass mit dem 45. Präsidenten der USA eine Welle von xenophoben, rassistischen, sexistischen Übergriffen über das Land geschwappt sei, findet jedoch keine statistische Bestätigung. Ein FBI-Report hält zwar fest, dass 2017 im Vergleich zum Vorjahr siebzehn Prozent mehr „Hass-Verbrechen“ registriert worden seien, 7.000 insgesamt. Dabei muss aber erwähnt werden, dass 1.000 zusätzliche Polizeistellen ins Meldeverfahren eingebunden worden waren, was automatisch zu einer höheren Zahl registrierter Fälle führt, aber nichts aussagt über deren reale Zunahme. Und abgesehen von der oft politisch-ideologisch verzerrten Definition eines „Hassverbrechens“ sind 7.000 Fälle in einem multirassischen Land von 330 Millionen Einwohnern eine verschwindend kleine Zahl und mitnichten eine „Welle des Hasses.“
Hate Crime Hoax
Zugenommen haben dürften hingegen die falschen Hassverbrechen a là Smollett. Dies meint auf jeden Fall der Politikwissenschaftler Wilfred Reilly, der in seinem Buch „Hate Crime Hoax“ zu dem Schluss kommt, dass fünfzehn Prozent aller gemeldeten sogenannten Hassverbrechen von den Opfern selbst inszeniert wurden. Und an den politisch hyperkorrekten Universitäten sollen es gar fünfzig Prozent sein.
Als Smollett in einem Interview mit den Vorwürfen an ihn konfrontiert wurde, antwortete er mit treuherzigem Augenaufschlag: „Wer sollte so etwas erfinden?“ Ja, wer?
Reporter Andy Ngo von der Publikation Quillett zum Beispiel hat Dutzende von nachgewiesen falschen und erfundenen Hass-Vorfällen zusammengetragen. Von Muslimas, denen angeblich der Schleier vom Kopf gerissen worden sei; von antirassistischen Aktivistinnen, die das eigene Auto mit rassistischen Drohungen bemalt hatten; von afroamerikanischen Studentinnen, die logen, von weißen Trumpanhängern mit Steinen beworfen worden zu sein.
Ein moralischer Infantilismus
Opfer von Hassern zu sein, bringt Vorteile. Man wird eingehüllt in Mitleid, Aufmerksamkeit, warme Zuneigung. Dem Opfer eröffnet sich zudem die süße Versuchung, seine Unzulänglichkeiten, seine Niederlagen mit einem Befreiungsschlag zum Verschwinden zu bringen. Man hat nicht selber Schuld am eigenen Versagen, und auch nicht die eigene Gruppe, verheißt das progressive Narrativ, sondern die anderen, die weißen Männer, die Kolonialzeit, die rassistischen Strukturen.
Die Preisgabe der individuellen Verantwortlichkeit führt jedoch zu einem moralischen Infantilismus, der unersättlich mehr Schutz und Sonderbehandlung fordert, und zu einem narzisstischen Opferkult, süchtig nach immer neuen Beispielen systematischer Erniedrigung, wenn nötig auch falsche, ohne welche die eigene Identität und die mächtige, links-politisch instrumentalisierte Opferindustrie nicht aufrechterhalten werden könnten.
Und wer diesen Komplex stört, lebt nicht ungefährlich. Vor kurzem wurde Reporter Andy Ngo von einer Gruppe linksaktionistischer Antifa-Anhänger spitalreif geprügelt. Dies war ein echtes Hass-Verbrechen.