Claudio Casula / 16.01.2023 / 15:41 / Foto: Pixabay / 50 / Seite ausdrucken

Wahlrecht: Weniger Demokratie wagen

Die umstrittene Reform des Wahlrechts wird von den „Ampel“-Parteien auf den Weg gebracht. Widerstand ist programmiert – von überzähligen Abgeordneten, die um ihr künftiges Mandat bangen, aber auch von der CSU.

Die Fraktionen der „Ampel“-Regierung haben ihren Gesetzesentwurf für die Wahlrechtsreform vorgelegt, über den wohl bereits kommende Woche beraten wird und der danach ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden sollWie Achgut bereits im Mai 2022 berichtete, ist es offiziell Ziel, den aufgeblähten Bundestag von derzeit 736 Abgeordneten wieder auf die ursprünglich vorgesehenen 598 Mitglieder schrumpfen zu lassen, um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten bzw. wiederherzustellen und die explodierenden Kosten wieder zu senken. Abgeordnete und Mitarbeiter, die Verwaltung des Bundestags, die Öffentlichkeitsarbeit, Mieten und Dienstleistungen sowie sonstige Personalkosten für Beamte und Mitarbeiter kosten den deutschen Steuerzahler inzwischen fast eine Milliarde Euro pro Jahr.

Wie seinerzeit dargestellt, muss man dafür die für die überflüssigen 138 Parlamentarier verantwortlichen Überhang- und Ausgleichsmandate abschaffen. Von einer Verringerung der Wahlkreise von 299 auf 280 ist nun keine Rede mehr, und die bisher so genannten Erst- und Zweitstimmen heißen künftig anders:

Die tagesschau meldet:

Laut Entwurf sollen künftig nur die Zweitstimmen für die Stärke der Parteien im Bundestag ausschlaggebend sein - genannt „Hauptstimmen“. Diese Stimmen entscheiden, wie viele der 598 Bundestagsmandate jeder Partei bundesweit zustehen. Diese Plätze werden dann durch die Landeslisten der Parteien und durch die „Wahlkreisstimme“, die heutige Erststimme, besetzt.

Gewinnt eine Partei mit der „Wahlkreisstimme“ weniger Wahlkreise direkt, als ihr Bundestagsmandate aus der „Hauptstimme“ zustehen, werden die restlichen Mandate über die Landesliste vergeben.

Mehr direkte Demokratie wagen!

Und das ist die Crux dabei, denn wenn eine Partei mehr Wahlkreise direkt gewinnt, als Sitze nach dem „Hauptstimmen“-Ergebnis auf sie entfallen, schauen die direkt gewählten Kandidaten mit dem schlechtesten „Wahlkreisstimmen“-Ergebnis in die Röhre und ziehen nicht ins Parlament ein, was nicht nur im Kern bedeutet, dass bei Umsetzung der Reformvorschläge am Ende weniger Wahlkreissieger im Bundestag sitzen als bisher, sondern vor allem, dass die Schwächung der Direktwahl die Parteizentralen stärkt.

Dabei müsste eigentlich das Gegenteil passieren, damit die Parteiapparate nicht mehr so kräftig kungeln können und die windschnittigsten Mitglieder und Quotenkandidaten auf die Listenplätze setzen, die deren Einzug ins Parlament garantieren. Ob es etwa im Sinne des Wählers ist, dass nach dem Rückzug von Heiko Maas eine 22-jährige Genossin nachrückte, sei dahingestellt. Die lebens- und berufsunerfahrenen Emilias und Emilys und Ricardas hätten natürlich ein Problem, wenn es plötzlich hieße: Mehr direkte Demokratie wagen! 

Warum nicht alle Abgeordneten direkt wählen lassen? 299 Parlamentarier aus 299 Wahlkreisen, zack! – Bundestag mehr als halbiert, und der Wählerwille kommt endlich mal deutlich zum Tragen. Es fallen dann auch keine Stimmen mehr hintenüber, was das tatsächliche Ergebnis sonst nicht selten verfälscht. Etwa, wenn mehrere Parteien knapp an der 5-Prozent-Hürde scheitern und die übrigen für sich in Anspruch nehmen, einen „Wählerauftrag“ erhalten zu haben, mit dem die seltsamsten Koalitionen begründet werden.

Ein weiteres Manko der Reform: Es könnte erstmals Wahlkreise geben, die überhaupt nicht repräsentiert werden. Und nicht zuletzt gibt es mit dem Gesetzesentwurf der „Ampel“ auch ein verfassungsrechtliches Problem. Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, hält die Pläne der Koalition für verfassungswidrig. Er wird mit den Worten zitiert: „Gewählten Wahlkreiskandidaten das Mandat zu verweigern, ist eine eklatante Missachtung des Wählerwillens und des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips“.

Nicht auszuschließen, dass das letzte Wort dazu in Karlsruhe gesprochen wird.

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R. Huber / 16.01.2023

Mein Taschenrechner bestätigt : 299 x 2 = 598 ist. Also 299 Direktmandate und insgesamt 598 Abgeordnete? Wieso nicht mit der Erststimme den direkten abgeordneten wählen, die restlichen 299 Mitglieder des Parlaments werden anhand der Zweitstimme gewählt.

Holger Thiel / 16.01.2023

Man könnte natürlich mal etwas völlig neues wagen. Es gibt nur noch eine Stimme die ein Wähler abzugeben hat und die kann er nur noch einer Partei seiner Wahl geben, so wie es z.B. bei der Europawahl der Fall ist. Der Bundestag hat nun maximal so viele Sitze wie es Wahlkreise gibt, also maximal 299, allerdings dürfen die Sitze nur bis zur Höhe der Wahlbeteiligung besetzt werden. Sollten also tatsächlich 80% zur Wahl gehen, dürfen 80% der Sitze besetzt werden. Das könnte Politiker ggf. dazu motivieren Politik für das Volk zu machen und der Politikerverdrossenheit entgegen wirken. Je eher die Leute durch das Wirken der Politiker bestärkt werden, dass ihre Stimme etwas bewirken kann, desto eher gehen sie auch wählen. Aber niemals werden sich Politiker auf ein solche Wahlrecht einlassen, es lebt sich ja viel besser so, wie die Made im Speck

Ludwig Luhmann / 16.01.2023

Worüber Genossen schon immer gelacht haben: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

S. Andersson / 16.01.2023

Was soll sein? Die unfähigsten sind an der Spitze angekommen… Peter Prinzip. Michel & Micheline finden das doch geil und dann MSM Verblödung dazu…. u. U. noch ein Bierchen oder 2…. passt doch. Wird wie immer blöd wenn dann nix mehr geht, also die Reale Welt im Zimmer steht….

H EVERSHEIM / 16.01.2023

An der geplanten Reform kann man die Zielrichtung sehen. Am besten nur über Listen zu wählen.. dann haben die Parteien mehr Möglichkeiten zu kungeln, wen sie ins Parlament haben wollen und wen nicht. Der einzelne Kandidat, der in seinem Wahlkreis beliebt ist, geht dann leer aus. Wenn man wenigstens noch die Chupze hätte, bei diesem Listenwahlverwahren zu sagen, dass ein Kandidat, der über Liste in den Bundestag eingerückt ist maximal 2 oder 3 Wahlperioden in den Bundestag einrücken darf und dann ausscheidet, dann wäre dem BerufsPolitikertum ein gewisser Riegel vorgeschoben. Ansonsten finde ich es nicht richtig, dass direkt gewählte Kandidaten bei dem neuen System möglicherweise leer ausgehen.

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