Manuel Freund, Gastautor / 06.08.2020 / 06:28 / Foto: Apollo news / 109 / Seite ausdrucken

Wahlrecht ab 16? Die Sicht eines 17-Jährigen

Vor 50 Jahren, am 31. Juli 1970, trat eine Grundgesetzänderung in Kraft, die das Mindestalter sowohl für das aktive als auch das passive Wahlrecht auf 18 festsetzte. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt hatte dieses Ziel beim Wahlkampf unter dem Titel „Mehr Demokratie wagen“ beworben. Inzwischen ist das Wahlalter 18 für uns üblich. Einige Bundesländer haben das aktive Wahlrecht bei den Landtagswahlen bereits auf 16 gesenkt. Auch über eine Senkung des Wahlalters auf Bundesebene wird seit langem diskutiert.

Nun gab es jedoch den ersten wirklich großen Vorstoß in diesem Punkt. Die Familien- und Jugendministerin Franziska Giffey bezieht nun ganz klar Stellung. Sie sagte: „Ich bin überzeugt davon, dass junge Leute mit 16 sehr wohl in der Lage sind, eine verantwortliche Wahlentscheidung zu treffen. Wir sollten ihnen diese Möglichkeit geben.“ Franziska Giffey möchte nun sowohl das aktive als auch – und das ist ziemlich ungewöhnlich – das passive Wahlrecht auf 16 senken. Dies würde bedeuten, dass 16-Jährige nicht nur wählen dürfen, sondern auch dazu befugt sind, sich aufstellen und wählen zu lassen.

Profitieren würden von der Änderung nach aktuellen Schätzungen vor allem die Grünen. CDU und SPD bekommen vor allem bei den Älteren ihre Stimmen. Die Grünen, die FDP, die SPD und die Linke sind dafür und die CDU und die AfD sind gegen die Absenkung des Wahlalters. Der SPD muss ich in diesem Punkt tatsächlich ausnahmsweise mal ein extrem starkes Rückgrat zusprechen, denn wer eine Grundgesetzänderung fordert, die einen selbst Prozente kosten würde, der will entweder wieder junge Wähler gewinnen oder er handelt wirklich aus Überzeugung.

Mit 14 hielt ich mich auch für reif

Doch was denken eigentlich Jugendliche, die theoretisch von dieser Regelung betroffen wären? Ich muss zugeben, als ich 14 war, wollte ich auch das Wahlalter senken, natürlich damals nicht auf 16, sondern auf 14 Jahre. Die Begründung dafür war eigentlich recht simpel: Wenn ich in der Lage bin, mir eine fundierte politische Meinung zu bilden (und das war ich damals aus meiner Sicht natürlich), dann ist es doch unfair, dass ich politisch weniger Entscheidungsgewalt habe, obwohl ich genauso Mitglied dieser Gesellschaft bin wie alle Volljährigen. Heute, muss ich sagen, sehe ich das Ganze ein wenig anders.
Ich bin durchaus weiterhin der Meinung, dass es viele Argumente dafür gibt, das Wahlalter zu senken, es gibt durchaus Jugendliche, die sich politisch sehr interessieren und bilden.

Vor allem in Zeiten des Internets ist es auch im jungen Alter nicht unüblich, dass sich bereits einige politische Meinungen bilden können. Außerdem ist es aktuell so, dass die Interessen von Minderjährigen bei den Wahlen kein bisschen berücksichtigt werden. Ria Schröder (Vorsitzende der JuLis) redet von einem „ganz großen Mangel in der Generationengerechtigkeit der politischen Entscheidungen“.

Nun gibt es jedoch auch viele Gründe, warum es nicht wirklich sinnvoll ist, das Mindestwahlalter auf 16 zu senken. Man muss bedenken, wenn man das Wahlalter senkt, dann dürfen nicht nur die 16- und 17-Jährigen wählen, die tatsächlich schon vernünftig genug für solch eine Entscheidung sind, dann dürfen auch Jugendliche wählen, die außer Computerspielen nicht viel im Kopf haben. Ein gewisser Reifegrad sollte eigentlich vorhanden sein, wenn man mitentscheiden soll, wer Deutschland die nächsten vier Jahre regiert. Und wenn man bedenkt, dass die Partei „Die Partei“ bei den Jugendwahlen nicht selten ohne Probleme über die 5-Prozent-Hürde kommt, dann bestätigt sich dieser Eindruck.

Mehr als gegen den Klimawandel zu sein

Zudem sind Jugendliche im Schnitt auch einfach politisch ungebildeter als Volljährige. Dies liegt zum einen daran, dass in dem Alter einfach noch wenig Lebenserfahrung vorliegt und zum anderen daran, dass die meisten Jugendlichen einfach keinen Bock haben, sich politisch zu informieren.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass Fridays for Future doch das beste Beispiel dafür sei, dass Jugendliche sich heutzutage eben doch zu einem großen Teil für Politik interessieren. Dazu sei jedoch gesagt, dass zu Schulschwänzer-Demos gehen, nicht unbedingt eine fundierte politische Meinung impliziert. Nur ein kleiner Teil der deutschen Jugendlichen geht auf FFF-Demos, davon ist nur ein kleiner Teil wirklich am Thema interessiert und davon hat dann nochmal nur ein kleiner Teil auch Ahnung von anderen politischen Themen als Klimawandel und Umweltpolitik.

Auch wenn viele das nicht glauben mögen, aber zu einer fundierten politischen Meinung gehört mehr, als gegen den Klimawandel zu sein. Jugendliche sind außerdem oft leichter beeinflussbar als Volljährige. Es ist möglich, dass die Eltern dem unwissenden Jugendlichen eine politische Meinung einreden oder aufzwingen. Dieser Umstand wird bei Jugendlichen noch verstärkt, da man bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres häufig noch sehr abhängig von den Eltern ist. Neben den Eltern können aber auch Schule, Freunde und Medien leicht Einfluss auf die politische Meinung eines naiven Jugendlichen haben. Diese Gefahr wird man nie komplett ausmerzen, aber man kann diese Chance reduzieren, indem man das Wahlalter bei 18 belässt.

18 ist das Alter, ab dem man volljährig ist. Man ist vollkommen strafmündig, darf Kaufverträge abschließen und muss sich nichts mehr von seinen Eltern vorschreiben lassen. Man könnte also sagen, die Person ist ab diesem Zeitpunkt gänzlich mündig. Daher wurde auch das Wahlalter auf dieses Alter gesetzt. Auch wenn eine einzelne Stimme bei einer Wahl selten etwas ändert, so erfordert die politische Mitbestimmung definitiv einen Reifegrad, den selbst viele 18-Jährige noch nicht erreicht haben.

 

Manuel Freund, Jahrgang 2002, lebt in Hamburg und schreibt für Apollo-News, wo dieser Beitrag zuerst erschienen ist.

Foto: Apollo news

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karl Schmidt / 06.08.2020

Die SPD profitiert auch, wenn vor allem Grüne hinzugewinnen, denn sie strebt stets linke Mehrheiten an und es erhöht die Chancen auf eine eigene Regierungsbeteiligung, wenn bürgerliche Parteien (nur) durch eine Wahlrechtsänderung an Zustimmung verlieren. Das Problem mit dem Wahlalter liegt nicht nur an der mangelnden politischen, sondern auch der mangelnden wirtschaftlichen Reife: Ein Gymnasiast zahlt keine Steuern und begeistert sich daher schnell für hohe Ausgaben, die ihn nicht treffen. Es sind (wenig fortgeschrittene) Theoretiker, die kaum Lebenserfahrung und keinen Beruf haben. Davon abgesehen sind solche jungen Menschen (auch deshalb) noch stark auf Autoritäten geprägt wie Eltern, Lehrer oder auch dominante Freunde. Das hört (noch) nicht mit 18 auf - jedenfalls bei vielen. Doch ein früheres Mitbestimmungsrecht leitet sich daraus jedenfalls nicht ab. Zudem werden Jugendliche - mit Verlaub - tendenziell derzeit kindischer und nicht früher reif. Doch die Diskussion führen wir ja ohnehin unter dem falschen Lable: Wie Sie richtig erkannt haben, geht es den Linken wieder nur um einen Ausbau, einer Aktivierung des eigenen Wählerklientels. Alles andere, die Begründung ist nur Show.

Hjalmar Kreutzer / 06.08.2020

Wenn als Prüfungsaufgabe in Politischer Bildung an einer ba.wü. Berufsschule der Prüfling für eine Maler- oder Fleischerlehre „beweisen“ soll, dass die AfD verfassungsfeindlich sei, kann ein 16jähriger, der von dieser Schule politisch indoktriniert wurde, keine vom Lehrkörper unbeeinflusste freie Wahl treffen. Jugendliche und Heranwachsende sind aufgrund der heutigen langen Ausbildungswege und abgebrochenen Ausbildungen und mehrfacher Aufnahme eines Studiums erst sehr spät wirtschaftlich und organisatorisch selbständig, manche Jungmänner noch mit 30 „Spielkinder“, wie u.a. im Buch „Generation Doof“ geschildert. Aus diesem Grunde bin ich mit dem Autor für ein Wahlalter erst nach Erreichen der Volljährigkeit, wissend dass auch dies eine willkürlich gezogene Grenze darstellt. Hinsichtlich des passiven Wahlalters gehe ich noch weiter und würde die Möglichkeit einer Kandidatur für politische Ämter aller Ebenen an den Nachweis einer mindestens fünfjährige. Berufstätigkeit nach dem Abschluss des Studiums oder der Berufsausbildung koppeln. Dies entspräche in meinem ehemaligen Beruf der Weiterbildung zum Facharzt, in anderen Berufen z.B. der Qualifizierung zum Meister. Nur so wären abgehobene Parteikarrieren vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal zu vermeiden, wie bei einem Arbeitsminister, der nur Funktionär in Partei und Jugendorganisation war. Dem jungen Autor für seine klare Sicht und „settliche Reife“ meine Hochachtung. In diesem Jahr werden Sie ja volljährig, und dann Glück zu und alles Gute!

Dr Stefan Lehnhoff / 06.08.2020

Besser sollte man zum Wählen einer Kammer erstens Kompetenz in einem umfassenden Test nachweisen können und auch nur halb gezählt werden, wenn man auf Subventionen und Sozialleistungen nicht verzichtet, damit Demokratie nicht zur Systemkorruption verkommt. Diese Kammer darf Gesetzte einbringen. Eine zweite Kammer zur Primärfunktion der Demokratie vor Tyrannei zu schützen dann eine Stimme für Jeden über 21, wobei Eltern eine halbe Stimme pro Kind unter 21 bekommen, Diese Kammer hat ein suspendiert Veto und wählt zu2/3 den Bundespräsidenten- sonst nix. Passives Wahlrecht nur für Menschen, die 5 Jahre in den letzten 10 Jahren steuern von einem ordentlichen Beruf bezahlt haben - und nach diesem Durchschnittseinkommen werden sie dann auch bezahlt frei e einmalige 6- Jahresperiode. So können Demokratie fit machen. Viel anders kaum.

Ulrich Waldvogel / 06.08.2020

Meinetwegen können die das auf 16 Jahre absenken. Doch finde ich:: Wer alt genug ist zu wählen, der sollte auch alt genug sein die volle Härte des Justiz zu erfahren (wie eben ein Erwachsener auch), wenn er großen Quatsch macht und vor Gericht muss.

Michael Stoof / 06.08.2020

Ich wäre eher dafür das Wahlrecht auf 40+ zu setzen. Lebenserfahrung ist tatsächlich durch nichts zu ersetzen. Aber man kann das machen. Es ändert nur die Dynamik. Also mathematisch betrachtet werden jüngere Wähler dann spätere Entwicklungen die zwangsläufig eintreten werden, nur beschleunigen. Also wir fahren dann unseren Staat oder unsere Kultur nur etwas eher gegen die Wand. Interessant wäre aus der Sicht des Historikers ob man das vorhersagen kann.

Peter Ackermann / 06.08.2020

@Dietmar Schubert: Zunächst verwöhnen Sie uns mit Konjunktiven, wie „sollten erste Lebensentscheidungen gefallen sein“ oder „Normalerweise sollte man“ oder „würden 16 jährige konservative wählen“, um dann über den Umweg einer sinnfreien Relativierung („manche können das mit 50 nicht“) zum Finale ein Orakel zu präsentieren („hätte der Autor sicher eine ganz andere Meinung“). Hut ab! Und dabei nicht ein Argument des Autors tangiert. Also, wenn ihr Text auffällig sein sollte: Das ist Ihnen gelungen…

Christoph Kötter / 06.08.2020

Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal…....

Arthur Dent / 06.08.2020

Menschen, die noch nie eigentverantwortlich für sich gesorgt haben, haben in den seltensten Fällen überhaupt eine Vorstellungskraft was es heißt jeden Tag arbeiten zu gehen, Steuern zu zahlen, .... Gerade diese Menschen sind aber ganz schnell dabei Gelder umzuverteilen oder Entscheidungen zu Treffen, die das Leben enorm verteuern. Dementsprechend bin ich absolut gegen eine Absenkung des Wahlalters. Wenn 5 Füchse und ein Hase über das Abendessen abstimmen, mag die Entscheidung zwar demokratisch sein, aber nicht fair und sinnvoll. Und wenn Menschen, die keine oder kaum Steuern zahlen über das Erheben und Verteilen von Steuern und anderen Lasten abstimmen, dann erinnert mich das an die Füchse und den Hasen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Manuel Freund, Gastautor / 05.05.2020 / 06:20 / 70

Rezo und das Corona-Abitur

Nachdem sein erstes politisches Video „Die Zerstörung der CDU“ in Deutschland viral ging, hat der gute Rezo sich dazu entschieden, nun zu der aktuellen Problematik…/ mehr

Manuel Freund, Gastautor / 07.01.2020 / 16:00 / 35

Fridays for Future: Der Hype verstummt

Von Manuel Freund. Schon in den letzten paar Ferien ließ sich ein für wahre Klimaaktivisten unerklärliches Phänomen beobachten. Auch aktuell sind deutschlandweit wieder Ferien gewesen,…/ mehr

Manuel Freund, Gastautor / 28.12.2019 / 16:00 / 70

Warum ich nicht mehr in die Kirche gehe

Von Manuel Freund. Die Kirche ist ein Ort des Zusammenseins. Deswegen haben wir in Religion gelernt, dass heilig im Prinzip ganz leicht mit „verbindend“ übersetzbar…/ mehr

Manuel Freund, Gastautor / 12.08.2019 / 11:30 / 75

Ansichten eines Chorknaben: Mädchen will sich einklagen

Von Manuel Freund. Ich singe nun bereits seit knapp 10 Jahren in einem Knabenchor und nebenbei noch im Schulchor. Ich habe daran immer noch sehr…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com