Helmut Ortner, Gastautor / 08.02.2025 / 16:56 / Foto: Tim Maxeiner / 34 / Seite ausdrucken

Wahlkampf als Winterschlussverkauf

Vertröstungen und Versprechungen gehören zum Grundrauschen jeder Wahl. Selten aber hat die Politik dem Souverän so wenig Ehrlichkeit zugemutet. 

Wenn es für hohlen Patmos einen Preis gäbe, es herrschte gerade großer Andrang. Wir leben in Wahlkampf-Zeiten. Und wir, "die lieben Mitbürgerinnen- und Mitbürger", werden schmeichelnd umgarnt und umworben im schrill-lauten Propaganda-Wirbel.  Die Parteien versprechen wie gewohnt das Blaue vom Himmel (Mehrausgaben, Steuersenkungen, mehr Wohlstand und Wachstum), auch die Lösung des Flüchtlings-Problems, des Facharbeiten-Mangels und der maroden Infrastruktur – und klar, auch die Bahn wird wieder pünktlich fahren.   

Von Aufbruch, Zukunft und Zuversicht ist viel die Rede – wo es doch vor allem um die Gunst der Alten im Land geht, um die Bewahrung von Besitzständen. Die Hauptleidtragenden sind – wieder einmal – die kommenden Generationen. Nichts Neues also. Vertröstungen und Versprechungen gehören zum Grundrauschen jeder Wahl. Selten aber – dass dürfen wir festhalten – hat die Politik dem Souverän so wenig Ehrlichkeit zugemutet. 

Die Propaganda-Maschine läuft auf Hoch-Touren. Ob auf Plakatwänden oder auf TikTok, ob in den Städten oder auf dem Land: allerorten lächelnde Partei-Gesichter, smarte Claims, schrille Slogans. Die Republik im Würgegriff der Parteien. Es gibt kein Entkommen. Alle wollen nur das eine: unsere Stimme. Werfen wir hier einmal einen kurzen Blick auf die bunten Plakate, die – und das ist beinahe tröstlich – auch in der digitalen Welt als verlässliches Medium im parteilichen Sprücheklopfer-Wettbewerb unentbehrlich sind. 
Mit dem Slogan „Wieder nach vorne“ wirbt die CDU auf türkis-farbigen Plakaten um Wählerstimmen. Was uns dort »vorne« erwartet, wird aus Platzmangel nicht mitgeteilt. Die Schwesterpartei CSU verkündet selbstbewusst »Wir sind bereit«.  Wozu? Wofür?  Wir dürfen mutmaßen, dass es ums Regieren geht. Das will die SPD gerne verhindern und macht uns im vertraulich-genossenschaftlichen »Du«-Ton eine Offerte: »Mehr für Dich – Besser für Deutschland.«. Olaf solls noch einmal richten.  
Gestern für Merkel, heute für die Grünen 
Nahbar gefühlig will auch der Poster-Sound der Grünen klingen: »Ein Mensch. Ein Wort.«, steht auf grünen Habeck-Plakaten. Ausgedacht hat sich den Slogan übrigens die Agentur Jung von Matt, die im Bundestagswahlkampf vor sieben Jahren noch für Angela Merkel zuständig war. Vor den Grünen liegt in den Umfragen deutlich die AfD. Ihr Claim: »Zeit für Deutschland« – und wer dies nun beliebig oder dröge findet, dem kann man zurufen: genau so soll es offenbar sein. Die Partei, gerade im Umfrage-Hoch, versucht vor allem den patriotischen Normalo-Michel einzulullen, beispielsweise mit dem Plakat-Slogan »Deutschland, aber normal«. 
Die zuletzt stark gebeutelte FDP hat bei der Wahl mal wieder ein Problem: sie muss die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Deshalb hängt besonders viel von der Kampagne ab. Sie ist diesmal knall-gelb. Die Farbe ist absichtlich greller als in früheren Wahlkämpfen – nicht zuletzt, weil dieser Winterwahlkampf für so dunkel ist. Der Plakatspruch setzt vollends auf das Prinzip Hoffnung: «Alles lässt sich ändern«.  
Auch Sahra Wagenknechts BSW präsentiert sich als Hoffnungsträger und fordert auf Plakaten, auf denen ausschließlich sie selbst zu sehen ist, »Unser Land verdient mehr«. Die Linke will hier nicht nachstehen und empfiehlt, das Kreuz auf dem Stimmzettel diesmal bei ihnen zu machen, »Damit sich wirklich was ändert«.   
Oft wortgleich und redundant 
Ob liberal oder konservativ, ob sozialdemokratisch oder ökologisch, ob ganz rechts oder ganz links: alle Parteien inszenieren sich im Wahlkampf-Scharmützel als selbstlose patriotische Bewahrer und Erneuerer – zugegeben, ziemlich wortgleich und redundant.  
Insgesamt 41 Parteien treten, von der Bundeswahlleitung zugelassen, diesmal an. Ein Beleg der Vielfalt. Die Auswahl ist groß.  Nicht nur der Markt setzt auf »special interest«, auch der politische Wettbewerb. So hofft die »Partei für Verjüngungsforschung« ebenso auf Wählerstimmen wie der »Canabis Social Club« oder eine junge Partei, die unter dem verheißungsvollen Namen »Die Liebe« dafür eintritt, das Zusammenleben für die Menschen im Land versöhnlicher zu gestalten. Weitere Mit-Bewerber sollen hier noch kurz genannt werden, wie etwa die Partei »Menschliche Welt«, die »Gartenpartei« oder die Partei »Die Sonstigen«, die bislang allesamt eher durch marginale Aktivitäten etwas unscheinbar agierten.  
Freilich sollten wir den Mut und Elan all der chancenlosen Kleinst-Parteien nicht belächeln, sondern als Beleg einer vitalen Demokratie würdigen. Denn: Demokratie lebt von Vielfalt – und von der Hoffnung, dass alles immer etwas besser werden kann.  Besser also die Qual der Wahl als eine Wahl ohne Wahlkampf.  
Am 23. Februar wird abgerechnet. Es wird wie immer Sieger und Verlierer, Begeisterte und Besorgte, Verbitterte und Verärgerte geben. Die einen werden euphorisch jubeln, andere den Niedergang des Abendlandes bejammern, wieder andere über ihre politische Restlaufzeit brüten. Fest steht: das Volk, der Souverän, hat dann entschieden – und die Demokratie muss damit klarkommen. 

Foto: Tim Maxeiner

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Hans-Joachim Gille / 08.02.2025

@M. Neland ... bleiben Sie doch mit Ihrer Apokalypse in der Kirche. Die Kuttenbiesler warten schon seit 2.000 darauf, obwohl der angebliche Chef kurzfristige Wiederkehr zu Lebzeiten der Apostel versprach. Die Deutschen finden halt Untergänge irgendwie geil & brauchen das. Dann wird es wieder ein Versailles oder Nürnberg geben, & dann können wir die Migranten endlich mal Deutschland aufbauen lassen. Wobei das wenig wahrscheinlich ist. Wenn es hier keine Knete mehr gibt, sind die alle weg.

Wolfgang Richter / 08.02.2025

@ E.Ekat “daß keine Partei derzeit damit hervortritt, Rußland beschießen zu wollen.” - Das Thema wird dem jetzt getäuschten Souverän dann nach der “Wahl” wieder serviert, wie der CDUler Johann Wadepuhl als deren “AußenamtsExperte” im Gespräch mit russischen Prangstern erklärte, auf die er im Telefon-Talk hereingefallen war, in der Meinung, mit Selenskys Büroleiter zu sprechen. Den Irrtum hatte er selbst nach einem Selensky-Besuch mit “Merzel” nicht bemerkt und munteer weiter mit “Moskau” gemailt. Und das sind die, denen wir unsere “Sicherheit” und unser “Wohlergehen” anvertrauen sollen. Wohlan.

Wolfgang Richter / 08.02.2025

“Am 23. Februar wird abgerechnet. Es wird wie immer Sieger und Verlierer,”—Naja, vermutlich haben am Ende die sog. “Etablierten” zum Glück wieder gewonnen, wie sie dem Volk von der Mattscheibe herunter, gefragt von wohlwollenden Medialen, verkünden werden, egal wie die “Wahl” ausfällt, alles wie immer.

Bernd Neumann / 08.02.2025

Ich lebe in einer westdeutschen Großstadt mit mehr als 500000 Einwahnern. Also ich weiß nicht, wo Sie Wahlplakate der AfD gesehen haben, bei uns hängt KEIN EINZIGES. In der ganzen Stadt nicht. Auch da nicht, wo das Lastenrad nicht dominiert. An der Größe liegts nicht, die Linke (Kommunalwahl 3,6 %) hat welche an jeder Ecke. Das war übrigens so, seit es die AfD gibt. Wahlplakate hat die nicht nötig.

Sam Lowry / 08.02.2025

@W. Renner: Welches Schweinderl hättens denn gern? Das schwarz-rote oder das schwarz-grüne? Das Letztere bedeutet Stress mit Putin…

Albert Pelka / 08.02.2025

Dass Hans-Georg Maaßen unbedingt zurecht als „rechtsextremen Verdachtsfall“ ausgewiesen wird von unserem wehrhaften Rechtsstaat , ist doch schon dadurch mehr als bewiesen, dass er nicht schon von sich aus zu diesem recht naheliegenden Untersuchungsergebnis gekommen ist, oder besser, nicht darauf von selber gekommen sein will, als er noch im Amt des Chefs des Bundes-Verfassungsschutzes war und er darum von Staats und Amts wegen doch dazu ganz objektiv verpflichtet gewesen war. Kurzum, man sollte ihn deswegen auf jeden Fall auch schon mal wegen gravierender Amtsvergehen durch mutwilliges Unterlassen belangen, und damit mindestens seine Staatspension schonmal abschießen, vielleicht auch seinen Akademische Grad einkassieren, zur Not , wenn es der Staatdelegitimierungstatbestand nicht hergeben sollte, dann eben, wie immer,  wegen ‘Rauchens in der Einbahnstraße’ gemäß der Straßenverkehrsordung Abschnitt Hochverrat, bevor man ihm seinen ganzen tiefverankerten Rechtsextremismus entsprechend vor den Latz knallt, auf die leider langwierigere juristisch nied- und nagelfestere Tour. PS: Oder sieht die Abteilung “Zersetzung” des Bundesverfassungsschutzes/des Bundesinnenministeriums irgendeine sonstige Möglichkeit im Fall Maaßen, wie man kurzfristig noch sein eigenes Harakiri in díe Wege leiten kann, wo der doch jeden Tage gefählicher wird für das Weiterbestehen unserer Demokratie..

L.Luhmann / 08.02.2025

Das Volk wählt und bekommt alle Fehler und alles Versagen der nächsten 4 Jahre aufgebürded - ihr habt es doch so gewollt, sagen uns die Politiker:Inninen und lachen sich krumm und schief, während sie sich frech die Taschen vollmachen. - Nach der Wahl geht es weiter mit den Messermorden an Kindern, Frauen und Männern. Die Islamisierung wird weiter voranschreiten. ICH SEHE SCHWSRZ FÜR DEUTSCHLAND UND DIE DEUTSCHEN!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Helmut Ortner, Gastautor / 08.05.2025 / 06:04 / 59

Keine „Stunde Null“

Der Tag des Kriegsendes am 8. Mai 1945 gilt heute als Chiffre für den Beginn unserer Demokratie. Doch die „Stunde Null“ ist auch Beginn des kollektiven…/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 25.02.2025 / 16:00 / 13

Fast 1.000 Hinrichtungen im Iran: Die Morde haben Methode

Vergangenes Jahr wurden Menschenrechtlern zufolge 975 Iraner hingerichtet. Das Mullah-Regime nutzt Todesstrafen als Machtinstrument, um das Volk einzuschüchtern. Die Zahl der Hinrichtungen in Iran ist im vergangenen…/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 07.01.2025 / 06:00 / 42

Sind wir noch „Charlie“? 10 Jahre nach dem Anschlag

Vor zehn Jahren überfielen Islamisten die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ und ermordeten zwölf Menschen. Der Anschlag wurde zum Symbol für die Auseinandersetzung zwischen militantem Islam und…/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 19.12.2024 / 14:00 / 28

Nawalny-Anwälten droht jahrelange Haft

Wer in Russland als Anwalt Regierungskritiker verteidigt, muss mit der Rache des Putin-Systems rechnen. Dieses Schicksal trifft jetzt auch drei Anwälte von Alexej Nawalny. Wegen…/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 11.12.2024 / 16:00 / 35

Deutsche Justiz: Schrecksekunde von 80 Jahren

Ein mittlerweile 100 Jahre alter ehemaliger KZ-Aufseher soll im hessischen Hanau vor Gericht kommen. Es könnte der letzte Prozess dieser Art gegen einen NS-Täter werden.…/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 26.11.2024 / 16:00 / 10

Spott sei Dank!

Von islamistischen Attentaten wie dem auf Salman Rushdie bis hin zum deutschen Gotteslästerungsparagraphen zeigt sich, dass mit Religion oft nicht zu spaßen ist. Glaubensfanatiker gefährden…/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 28.09.2024 / 12:00 / 8

Streiten? Ja, unbedingt!

Demokratie ist vor allem Gesellschaft – das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interessen, Sichtweisen und Meinungen. Es braucht den Kompromiss und den Konsens zuvor aber produktiven Streit.  …/ mehr

Helmut Ortner, Gastautor / 05.09.2024 / 16:00 / 16

Kirchen: Ende des Geld-Segens?

Für Jahrhunderte zurückliegende Enteignungen erhalten die Kirchen noch immer Entschädigungen vom Staat in Millionenhöhe. Die Ampelregierung will das beenden – gegen den Widerstand der Länder…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com