Die Zwangsgeständnisse, die den 15 britischen Soldaten abgepresst wurden, mögen für einige Beobachter in Europa überraschend sein. Viele Iraner kennen diese Methoden der öffentlichen Verhöre und Zwangsgeständnisse seit Beginn der islamischen Revolution. Schon in den 80er Jahren wurden immer wieder bekannte Andersdenkende im Fernsehen vorgeführt, die ihr bisheriges „falsches Denken bereuten”. In der Tat erinnern die Eingeständnisse im iranischen Fernsehen oder in den iranischen Gefängnissen an stalinistische Methoden des Verhörs, die dem Volk Angst und Schrecken einjagen sollen.
Es sei zunächst an den Hobbyangler Doland Klein erinnert, der als Unschuldiger zum Spielball der außenpolitischen Geiselpolitik des Iran wurde. Er saß 16 Monate im Gefängnis, nur weil er angeln wollte. Als das Regime ihn freiließ, zeigte man sich besonders generös, ja er wurde „vorzeitig” aus der Haft entlassen. In Deutschland erfuhr man von dem Einsatz des Bundespräsidenten Köhler und von der geheimen Mission des Ex-Außenministers Genscher, aber man wollte kaum zugeben, dass das iranische Regime ursprünglich aus dem Angler einen Spion machen wollte, um ihn gegen Kazem Darabi, den Drahtzieher des Mykonosattentats von September 1992, auszutauschen.
Die Verhaftung von 15 britischen Soldaten erinnert auch an die Tradition der Geiselnahmen der proiranischen Hisbollah in den 80er Jahren. Es geht um den Tausch von Menschen.
Mohammad Nabi Rudaki, Mitglied der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik des islamistischen Parlaments des Iran, machte am 2. April eine neue Rechnung auf, die öffentlich kaum wahrgenommen worden ist. Er sprach davon, dass man in den Verhandlungen um die 15 britischen Soldaten auch über die „Entführung des General Askari sprechen müsse.” Er ging damit auf das Verschwinden eines iranischen Generals der revolutionären Garden, Ali Reza Askari, ein. Dieser ist zuletzt Anfang Februar in seinem Hotel in Istanbul gesehen worden. Danach ist er verschwunden. Er ist offensichtlich ein klassischer Überläufer, der gegenwärtig den westlichen Geheimdiensten viel über die Unterstützung des Terrorismus seitens des Iran berichtet. Das iranische Regime behauptete von Anfang an, dass dieser General, der unter Ex-Präsident Khatami gedient hatte, vom Mossad und der CIA entführt worden ist. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 25. März, dass der Iran möglicherweise vorhabe die 15 britischen Soldaten gegen die in der irakischen Stadt Erbil verhafteten iranischen Geheimdienstler und hohen Offiziere der Pasdaran auszutauschen. Seit der Meldung der iranischen Nachrichtenagentur vom 2.April ist es aber amtlich. Ein iranischer Politiker bringt es auf den Punkt: Nein die Briten seien keine Geiseln, aber man wolle über sie verhandeln. Keine Geiseln also, aber Verhandlungsmasse.
Am 11.1.2007 waren in Erbil mehrere Iraner verhaftet worden. Die iranischen Militärs sollen in Irak ein Netz von Intrigen, geheimen Waffenlieferungen und Spionageagenten organisiert haben. Über Jahre ist diese Praxis des Revolutionsexports jenseits der Schlupflöcher der iranisch-irakischen Grenze praktiziert worden. Am 2.April wurde auch berichtet, dass mindestens 12 weitere Mitglieder der revolutionären Garden des Iran in Irak verhaftet worden seien. Gleichzeitig berichtete die CNN, dass ein Ex-Mitarbeiter des FBI, der sich im Iran aufgehalten habe, plötzlich verschwunden sei.
Der britische Premierminister hat dem Iran jedenfalls 48 Stunden Zeit gegeben, dann würden wichtige Entscheidungen fallen.
Inzwischen hat Ali Larijani angekündigt, dass die britischen Soldaten nicht verurteilt werden, aber man wolle diplomatische Verhandlungen. Was dies bedeuten könnte, ist noch unklar.
Der staatlich organisierte Coup der Verhaftung von unschuldigen Menschen hat in der Tat System. Er soll von der Krise und dem Scheitern des Atomdialoges ablenken und den Westen einschüchtern. Zudem erinnert die Geiselpolitik an die in sich rationalen Strategien von terroristischen Organisationen, wenn sie Publizität erreichen wollen, den Gegner erreichen und unterwerfen wollen und damit sogar die Zuschauer unterhalten. Solche terroristischen Täter kommunizieren mit ihren Gegnern, indem sie mit ihrem gewalttätigen Handeln schockieren. Bei der Geiselnahme der 15 britischen Soldaten brauchten sich die Medien noch nicht einmal um die mediale Reaktion bemühen. Der iranische Staat lieferte Bilder und Videos der zermürbten Soldaten, die nur noch verlegen in die Kamera lächelten und ihre Schuld eingestanden. Ja, die iranische Regierung will aber nicht nur die britischen Soldaten erniedrigen, sondern auch die britische Regierung - zumindest symbolisch - in die Knie zwingen.
Die staatliche Politik der islamischen Republik Iran wird seit 28 Jahren von Terror, Geiselnahmen und Propaganda bestimmt, aber die Interessenlagen sind unterschiedlich. Bisher stellte der iranische Markt ein besonderes Interessengebiet für europäische Politiker und Wissenschaftler dar. Dies ging so weit, dass für manche Experten die Amerikaner und die Israelis die Ursachen für die Krisen in der Weltpolitik darstellten. Kein Geringerer als Johannes Reissner von der Stiftung Wissenschaft und Politik, sagte gegenüber Spiegel Online, dass sich „allerdings die Iraner angesichts der amerikanisch-israelischen Drohgebärden bisher vernünftiger und vorsichtiger verhalten.”
Zu den originär europäischen Interessen gehört aber auch eine Sicherheitspolitik, die die Gefahren der iranischen Aufrüstung und der terroristischen Strategien des Iran erkennt.
Dr. Wahied Wahdat-Hagh, Senior Research Fellow der European Foundation for Democracy in Brüssel.