Sabine Mertens, Gastautorin / 23.12.2020 / 17:00 / Foto: Pixabay / 26 / Seite ausdrucken

Vorwärts zur Femikratur

Von Sabine Mertens

Wie soll man das politische Handeln eines Justizministers auffassen, der den geltenden Sprachregeln zum Trotz und gegen alle Regeln der Schreib- und Formulierkunst einen Gesetzentwurf (zum Sanierungs- und Insolvenzrecht) vollkommen weiblich durchmarkiert?War das einfach nur Provokation, wie Frau Lambrecht selbst behauptet? "Was ich damit erreicht habe, war doch großartig! Endlich wurde darüber diskutiert."

Selten gab es in der Geschichte der bundesdeutschen Justizminister einen vergleichbaren rechtswidrigen Vorstoß. Vielleicht sollte man schon allein aus Gründen der Aufmerksamkeitslenkung Wert auf die geschlechtlich markierte Form ihres Ministertitels legen, wird doch dadurch umso deutlicher, daß eine Frau für diese undemokratische Aktion verantwortlich ist. 

Die neue F-Klasse

Der autoritäre Sozialcharakter ist nicht verschwunden, bloß weiblicher geworden. Hielt Frau Lambrecht schon zu Beginn Ihrer Amtszeit in Bezug auf das Mietrecht Enteignungen privater Wohnungsunternehmen für ein probates Mittel der Realitätssteuerung, ist die geistig-emotionale Enteignung nur konsequent. Es wird Zeit, den zweiten Teil ihres Ministeriums —Verbraucherschutz — anders zu rahmen. Ich wünschte, Verbraucher wären geschützt vor solchen Amtsinhabern, die die Macht ihrer Stellung für den kleinen Umsturz zwischendurch mißbrauchen.

Auch für die Anpassung des Personenstandsgesetzes wäre eine andere Rahmung wünschenswert gewesen. Da bislang, jenseits der beiden biologischen Geschlechter mit der höchsten Prävalenz, bloß eine verschwindend geringe Anzahl von Menschen die Möglichkeit nutzt, sich als drittes Geschlecht ("divers") registrieren zu lassen, könnte man annehmen, das ganze Getöse um Minderheitenrechte, "Diversität" und "geschlechtergerechte" Sprache sei viel Lärm um nichts. Man könnte diese Tatsache auch zum Anlaß nehmen, den Bedarf an solchen Gesetzen sowie ihre Verhältnismäßigkeit zu hinterfragen. Und man kann sich wundern, wieso es trotz des geringen öffentlichen Interesses am großen feministischen Reinemachen die überaus penetrante und autoritäre Spracherziehung von Staats wegen überhaupt gibt.

Was macht die Vierte?

Aktuelle Eskalationsstufe ist das geschriebene und gesprochene Gendersternchen. Es soll die "Genderlücke" sichtbar und hörbar machen, ja die Vielfalt an sich — jetzt auch zur besten Sendezeit in den Nachrichtenformaten von ARD, ZDF, DLF. Dadurch verstoßen die Öffentlich-Rechtlichen Medien gegen ihren Bildungsauftrag, die Informationspflicht, die Pflicht zur Ausgewogenheit und das Neutralitätsgebot – ein Totalausfall als Kontrollorgan der Politik (die Vierte Gewalt). Völlig konträr zum allgemeinen Sprachgebrauch und zu den Regeln der deutschen (Amts-)Sprache wird der unbedarften Sprachgemeinschaft die elitäre und ideologische Sondersprache eingetrichtert, daß man sich nur noch durch Abschalten entziehen kann.

1995 wurde auf der Weltfrauenkonferenz nach einem feministischen Coup das sogenannte Gender-Mainstreaming als politisches Programm beschlossen. Etwas später wurde es auch in Deutschland und der EU als „Querschnittsaufgabe" implementiert. Seither werden wir von Amts wegen mit der komplementären Sprachdoktrin belämmert. Inzwischen ernährt sich sogar eine milliardenschwere Bildungs- und Beratungsindustrie davon. Die immer aggressiveren Vorstöße von Politik, Verwaltungen und Medien sollen Fakten schaffen, also eine gegenderte Wirklichkeit herstellen, die es bis dato noch gar nicht gibt, flankiert von, und das Meinungsklima weiter verengend, grassierendem Haltungsjournalismus.

Die Bürger fühlen sich in dieser Atmosphäre zunehmend verunsichert. Ihre individuelle Entscheidung, solche Bevormundung lieber zähneknirschend zu ertragen, als durch individuelle Gegenwehr „Exkommunikation“ zu riskieren, verbucht Genderlobby dann als "zunehmende Verbreitung“ der Gendersprache, gerade so, als hätte sie einen neuen Stern am Firmament entdeckt. Dabei handelt es sich lediglich um ein von Politik selbst konstruiertes Potemkinsches Dorf. 

Wie mir immer wieder Sprachfreunde berichten, wird die Sprachdoktrin auf der Mikroebene sozialer Kommunikation per normativem Druck durchgesetzt. Ich selbst erlebte unlängst, das auch Nötigung zum Instrumentarium gehört (siehe Nötigungserfolg), und nun auch in einem weiteren Fall die Verletzung meiner Urheberrechte: Die Redaktion eines Weiterbildungsmagazins ersetzte z.B. den neutralen Begriff  „Zeichner“ (generisches Maskulinum) durch „zeichnende Person“ (Verlaufsform, Genderschreibweise), obwohl ich der Redakteurin zuvor mitgeteilt hatte, daß ich Gendersprache aus guten Gründen ablehne. Sie mißbrauchte also kurzerhand ihre Stellung, um gegen meinen ausdrücklichen Willen und ohne meine Freigabe die Gendersprachdoktrin durchzusetzen.  

Krieg der Sternchen

So übertitelte Die Zeit ein Streitgespräch zwischen der Gleichstellungsbeauftragten von Hannover und mir. Die Gleichstellungsbeauftragte hegt große Empathie für Menschen, "die durch die Sprache daran erinnert werden, dass sie nicht Teil dieser Gesellschaft sind." Man höre und staune, daß Mädchen und Frauen in unserer Demokratie des 21. Jahrhunderts nicht Teil der Gesellschaft sind. Nach ihrer Logik muß man Mädchen dazu verhelfen, KFZ-Mechaniker zu werden statt unterbezahlte Erzieherin, da ihnen in unserer männerdominierten Gesellschaft "Zugänge verstellt werden". Humorfreier und temperamentloser läßt sich die mutwillige Umbesetzung von unliebsamen Geschlechterrollen durch genderpolitische Korrekturmaßnahmen nicht ausdrücken. Auch Olaf Scholz propagiert den Rollentausch. Seine Botschaft kommt allein durch den gezielten Gebrauch rsp. das Weglassen eines einzigen Suffixes rüber: "...wenn jemand eine tolle Arbeit machen will, als Altenpfleger oder Handwerkerin...."(beim SPD Debattencamp12/20). Mir scheint, Ämter, staatliche Bildungsinstitutionen und Öffentlich-Rechtliche Medien in Deutschland setzen die als "fortschrittlich" und "zeitgemäß" propagierte "geschlechtergerechte" Sprache als tägliches Störfeuer ein. Man könnte das Genderkauderwelsch als äußerst wirkungsvolles Ablenkungsmanöver vom totalitären Machtanspruch der feministischen Gender-Mainstreaming-Ideologie lesen.

Zeitgemäß überstrahlt wird das Theater von den grellen Scheinwerfern einer "LGBTQI∞"- Gemeinde, die ihrerseits mit eigenen Sperrfeuern aufwartet. Die sollen politisch unliebsame Gegner nicht nur mundtot machen, sondern sozial vernichten. Pranger, Rufmord, virtuelle Bücherverbrennung und Todesanzeigen, z.B. wegen (unterstellter) Transfeindlichkeit:so harmlos und einladend die farbenfrohe Regenbogensymbolik dieser sozialen Bewegung wirkt,  sie kann nicht über den tyrannischen Charakter hinwegtäuschen, der ihr zu Grunde liegt. 

Ein Diskurs, der den Namen verdienen würde, findet seit Jahrzehnten staatlich betriebener Gender-Mainstreaming-Indoktrinierung nicht statt. Stattdessen verhärtet sich das Machtungleichgewicht zwischen politischen, medialen Eliten und dem durchschnittlichen Bürger zu undurchdringlichem Beton. Die Aufspaltung der Gesellschaft in feindliche Lager verfestigt sich, während die immer heterogener werdende Geschlechtergerechtigkeitsmeute sich im öffentlichen Raum als amorpher Schwarm aus vielen verschiedenen Opferidentitätsgrüppchen darstellt, die temporär wechselnde Allianzen formen und durch ihre globalisierte Guerillataktik vor allem eins erreichen: Verwirrung, Destabilisierung, Zermürbung des "Gegners", Vernichtung von unliebsamen Existenzen. Die Gefahr der Zerstörung unserer gewachsenen sozialen Ordnung nehmen sie billigend in Kauf, streben sie vielmehr an.

Innenansichten von Außenseitern

Im Kampf gegen die angeblich diskriminierende deutsche "Männersprache" diskriminiert gerade die Gender- und Inklusionsdoktrin, z.B. durch permanente Sexualisierung der Sprache bei gleichzeitiger Verteufelung von Binarität und „Heteronormativität“, sowie durch die Behauptung von Falschnachrichten, allen voran von unzähligen Geschlechtern, die es biologisch gar nicht gibt. War es Anbiederung an den verrückt gewordenen Zeitgeist, oder eigene Überzeugung, daß die ver.di Bundesjugendkonferenz 2019 forderte, "[d]ie Konferenz möge beschließen [...] sich für eine Gendergerechtigkeit in Satzung, Statuten und Richtlinien einzusetzen." Daraus ergäbe sich "der Arbeitsauftrag, die Erfassung der Mitgliederdaten zu evaluieren und festzustellen, ob die Binarität des Geschlechts heute noch zeitgemäß ist ...".

Die Banalität der Kopplung dieser beiden Themen reizt mich zum Lachen und zum Weinen: Erfassung der Mitgliederdaten und Binarität, ein Verwaltungsakt. Das Weitere liest sich wie eine Einkaufsliste: "Die ver.di Jugend begrüßt die Gründung vieler Frauen*streikbündnisse, schließt sich [...] der Forderung nach einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel, in dem Frauen*, [...] Inter-, Trans-, nicht-binäre und queere Menschen nicht unterdrückt oder ausgebeutet [...] werden an und beteiligt sich zukünftig aktiv in Frauen*streikbündnissen zum [...] Internationalen Frauen*kampftag am 8. März."

Wie weit die Verfilzung solch verqueren und profanen Gedankenguts mit staatlichen Strukturen gediehen ist, zeigt exemplarisch die Broschüre "Abinäre Personen in der Beratung, Eine praktische Handreichung für Berater*innen und Multiplikator*innen". Das Heft ist gefördert aus Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Es liefert u.a. Formulierungshilfen für den Umgang von Beratern mit "abinären Personen": „Hallo, ich bin die Therapeut*in Hanna Özgül. Mein bevorzugtes Pronomen ist ‚sier‘. Wie darf ich Sie ansprechen? Welches Pronomen darf ich für Sie nutzen?“  

Auch für das Hamburger Kampnagel, "internationales Zentrum für schöne Künste in einer globalisierten Welt", das auf seiner Netzseite mit einer langen „Förder*innenliste" von (staatlichen) Institutionen aufwartet, gilt die Kampfansage an Binarität und Heteronormativität als kultureller Imperativ. Sein Team "Queereinstieg" erklärt auf vier Seiten locker flockig den Kulturkampf von "Queerness", der sich keineswegs "immer nur auf Sex-Sachen" bezieht, denn "Queerness [heißt] auch, nicht nur Heteronormativität infrage zu stellen, sondern auch andere Normen unserer Gesellschaft." An dieser Stelle "kommt die Figur des „weißen, heterosexuellen, nicht-behinderten, bio-deutschen cis-Mannes“ ins Spiel..." Das sei nicht als Beleidigung oder Schuldzuweisung gemeint. Es gehe vielmehr darum zu verstehen, "dass diese Figur in unserer Gesellschaft oft als Norm angenommen wird – sei es in den Medien, in der medizinischen Forschung, in der Schule, etc. – während alles andere als Extrafall gilt." An einer solchen Norm möchte man sich nicht messen lassen und beruft sich auf die Gleichberechtigung, weshalb "diese Norm in queerer Praxis auseinandergenommen und hinterfragt" wird. Feindbild klar, Klappe zu, aber Affe (noch) nicht tot! ...

Fröhliche Kaperfahrt seit 1968

Gegen die Verfechter des "Buchstabensalats" ("LGBTQI∞", ebda.), für die Binarität kein evolutionsbiologisches Phänomen, sondern vom Teufel ist, sind Coronaleugner Waisenkinder. Der 1968 begonnene Marsch durch die Institutionen hat sich zu einer Kaperfahrt entwickelt, bei der verschiedene zunächst emanzipatorische Bewegungen und einzelne Akteure sich wechselseitig instrumentalisieren und institutionalisieren. Hat der (lesbische) Genderfeminismus einer Judith Butler die Frauenbewegung der zweiten Welle gekapert und maßgeblich zur Bescherung des Gender-Mainstreaming beigetragen, so gibt jetzt die "LGBTQI∞"- Gemeinde dem Kampf um Anerkennung heutiger sozialer Bewegungen eine neue Richtung, insbesondere durch die Absolutsetzung von Vielfalt. Daraus resultiert ein expliziter Kampf um normüberschreitende "sexuelle Selbstbestimmung" einschließlich "Reproduktionsrechte". Ein demokratischer Diskurs über solche Zukunftsthemen ist unabdingbar. Bürger werden aber nicht gefragt. Stattdessen wird ihnen die genderfeministische Ideologie übergestülpt. Die Paradoxie und das Bedeutungsspektrum des Reproduktionsrechtebegriffs erschließt sich, wenn man ausdifferenziert, wer was fordert, und wie die Rechte in der Praxis umgesetzt werden. Wenn man z.B. hinterfragt, wie Männer in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften an Kinder kommen, erschließt sich, daß durch das Recht auf Elternschaft die Ausbeutung von Frauen durch Leihmutterschaft gefördert wird, die in Deutschland aus ethischen Gründen verboten ist..

Genderstern und Co sind alles andere als trivial. Sie müssen nicht nur linguistisch, sondern interdisziplinär verstanden werden. Daß "sexuelle Vielfalt" inklusive damit verknüpfte Partikularinteressen inzwischen von Politik und staatlichen Institutionen verwaltet und ihre Beachtung und Durchsetzung angeordnet wird, kommt einer peinvollen Umkehrung unserer sozialen Ordnung gleich. Sexualität und sexuelle Neigungen sind Privatsache, für die Rechtsgüterschutz besteht. Die Intimsphäre gilt als letzter unantastbarer Bereich. Dadurch, daß der Staat sich explizit zum Wächter über dieses Rechtsgut und zum Verwalter und Einkläger von daran gekoppelten Minderheitenrechten macht, ist das intimste menschliche Gut zum Mündel des Amtsschimmels geworden. Die Kluft zur Mehrheit der überwiegend heterosexuell orientierten Bürger könnte nicht größer sein. Und so redet und denkt der Volksmund denn auch nicht "geschlechtergerecht". Kein Wunder, daß die Verfechter der verschiedenen Formen "geschlechtergerechter Sprache" demokratische Prozesse scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Minderheiten und Benachteiligte aller Art sollen stets "mitgedacht" und durch "inklusive" Ausdrucksformen "sichtbar gemacht" werden. Genau darin liegt die eigentliche Diskriminierung, welche die Genderdoktrin zu bekämpfen vorgibt. Alle Varianten „geschlechtergerechter" Markierung, vom Binnen-I bis zum Genderstern, vom Versuch, angeblich männliche Suffixe durch vermeintlich neutrale/inklusive Formen zu ersetzen, bis zu der empörenden Forderung in zahlreichen Sprachleitfäden nach Auslöschung von unliebsamen, weil „stereotypen“ Metaphern aus dem sozialen Gedächtnis, wie z.B. Milchmädchenrechnung — sie alle setzen die ursprüngliche Engführung der genderfeministischen Perspektive fort, die vom gefühlten Außenseitertum ihrer Urheber gespeist wird, gepaart mit der latenten Selbstverachtung derer, die sich als randständisch, unterdrückt und/oder ohnmächtig erleben. Eine Misanthropie, die hierzulande mit deutscher Gründlichkeit im Exorzismus des generischen Maskulinums gipfelt, das unverdienterweise und mutwillig als explizit maskuline Form fehlinterpretiert wird.

"Finger weg vom generischen Maskulinum!"

warnte denn auch der Linguist Peter Eisenberg 2018: "Denn gerade das generische Maskulinum ist eine in der Sprache tief verankerte, elegante und leistungsstarke Möglichkeit zur Vermeidung von Diskriminierung." Auch die von Genderforschern ins Feld geführten "Assoziationstests" seien unbrauchbar, führt Eisenberg weiter aus, "wenn es um die Frage geht, welches die Grundbedeutung von Lehrer, Spion oder Soldat ist. [...] Schon ein einfacher Satz wie „Unter den Grundschullehrern gibt es zu wenig Männer“ zeigt das. Der ungerechtfertigte Kampf gegen einen produktiven Mechanismus zur Bildung von Substantiven (wie die auf er) kann nicht gewonnen werden. Er kann jedoch erheblichen Schaden anrichten." Verfechter der elitären Sondersprache weigern sich beharrlich, das generische Maskulinum, eine von insgesamt drei generischen Formen der deutschen Sprache, als sexuell unmarkiert anzuerkennen, dabei hat "[e]in Wort wie Lehrer [...] genau zwei Bausteine, nämlich den Verbstamm lehr und das Substantivierungssuffix er, das zu Bezeichnungen von Personen führt, die das tun, was der Verbstamm besagt." (ebda.). Die Nicht-Anerkennung des generischen-Maskulinums als unmarkierte grammatische Form ermöglicht die mutwillige Verengung derselben auf den biologischen männlichen Sexus.

Dieser Winkelzug ebnet den Weg für die Verbannung der männlichen Perspektive aus dem sozialen Gedächtnis und für den Ersatz der "dominanten" männlichen durch die weiblich markierte Form. Dabei wird die produktive Funktion von Sprache im Keim erstickt, und die durch das generische Maskulinum ausgedrückte unmarkierte Form geht verloren! "... ein Träger kann ein T-Träger, ein Gepäckträger, ein Hosenträger und vieles mehr sein. Und ist ein Gesetzgeber männlich oder auch nur belebt? Solche abgeleiteten Bedeutungen sind regelhaft und gut verstanden. Sie zeigen, dass es mit der Bindung der er-Substantive an „männlich“ nicht weit her ist. [...]" (ebda.) Mit der Verbannung des generischen Maskulinums aus der deutschen Sprache ginge eine Möglichkeit, allgemeingültige Aussagen zu treffen, verloren.

Abgesang auf den Homo Sapiens

Fragt man Feministinnen und Verfechter des "Buchstabensalats", haben Männer ausgedient, und was sie über die Jahrtausende vermasselt haben, sollen die Frauen nun richten. Die (mediale) Stilisierung des Mannes als Verursacher allen Übels hat ein gesellschaftliches Klima des angewiderten Mißtrauens, gar des Ekels vor dem Männlichen, und überhaupt dem Anderen geschaffen. "Der Frauenweg ist der Weg für Menschen", schallt es uns aus einer Studie der Bertelsmannstiftung entgegen. An anderer Stelle heißt es dort: "Vom Schatten ins Licht. Frauen, werdet sichtbar!" So verfestigt die Studie das Stereotyp von der Frau als Opfer. Opfer der patriarchalen Unterdrückung durch den Mann, und Opfer überhaupt, weil strukturell benachteiligt durch Natur (gebären!) und Kultur (die Rollenstereotypen!). 

Zugleich stellen Medien uns den neuen Übermenschen vor Augen: die Frau. Nach tausend Jahren "männlicher Monokultur" meint man jetzt, daß Frauen einfach alles besser können, inklusive Krisen bewältigen. "Manche Länder kommen besser durch die Corona-Krise als andere. Was haben sie gemeinsam?" fragt z.B. die Frankfurter Rundschau scheinheilig und liefert die Antwort gleich mit: "Frauen an der Regierungsspitze".

Aus genderfeministischer Perspektive machen Männer nicht nur in der Krise eine schlechte Figur, sondern grundsätzlich, vor allem wegen der Toxizität ihrer Männlichkeit, und deshalb verdienen jetzt endlich die Frauen, an die Macht zu kommen. Ginge es nach Luise F. Pusch (Das Deutsche als Männersprache), gehörte das generische Maskulinum endlich in die Tonne gekloppt. Stattdessen solle man in der deutschen Sprache für die nächsten 1000 Jahre (1000 Jahre, das hab ich irgendwo schonmal gehört) alles weiblich durchmarkieren. Überspitzt ist das so, als würde man einen Hammer dafür anklagen, daß er einem Mörder dazu diente, jemanden totzuschlagen.

Auch das Coronavirus, das ja bekanntlich weltweit eine Herausforderung für alle Menschen gleichermaßen ist, egal welchen Geschlechts, wird für die larmoyante weibliche Selbstdarstellung instrumentalisiert. Die Soziologin Jutta Allmendinger warnte bei Anne Will, die Frauen erlitten durch das Virus eine "entsetzliche Retraditionalisierung". Mona Küppers vom Deutschen Frauenrat sprach von einer "Rolle rückwärts in die 50er Jahre." 

Und weil es mit der Kontingenz der menschlichen Natur, zu der auch eine Pandemie gehört, so eine Sache ist, muß man jetzt erst recht für die Quote werben. Mediales Forum für solch narzisstische PR-Schau bot unlängst der Stern mit seinem Titel "Wir sind Quotenfrauen". Dort zeigten sich vierzig erfolgreiche Frauen stolz auf ihre Diskriminierung und die daraus erworbenen undemokratischen Vorteile im Existenzkampf.

Aushöhlung der Demokratie

Der finanzielle Schaden, der durch Genderpolitik und die Überprüfung aller Facetten ihrer Durchsetzung den nationalen und europäischen Budgets laufend zugefügt wird, ist schon jetzt gigantisch. Unbezifferbar sind allerdings die daraus resultierenden immateriellen Schäden: aus dem vorhersehbaren Scheitern des Gerechtigkeitsfanatismus, aus dem Vertrauensverlust von Bürgern in die zur Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte Beauftragten, und aus dem generellen Verlust an partizipativer Praxis und demokratischen Strukturen. Die Philosophin Claudia Simone Dorchain weist auf die Verfassungswidrigkeit der Gendersprache hin. Durch Gender-Sprachregelung werde "eine Nebensächlichkeit der Person zum angeblich Wesentlichen erhoben", womit sie gegen die Menschenwürde verstoße. "Die Gender-Sprachregelung ist verfassungsfeindlich, denn sie verdunkelt den Immanenzgrund der Menschenwürde."

Unser Grundgesetz garantiert die allgemeinen Menschenrechte sowie Bürgerrechte. Wenn die Herrschaft des Rechts durch Vertreter des Staates selbst bedroht wird, ist die Demokratie in Not. "Denn der Mensch als solcher ist nicht würdig als ein männliches, weibliches, diverses, gender-fluides, homo-, hetero-, bi- oder transsexuelles Wesen – all das ist Nebensache [...], da Eigenschaften und Präferenzen sein Wesen nicht ausmachen. Der Mensch als solcher ist [...] würdig als bewusstes Ich – denn das ist seine Substanz, sein Wesen." Und so "wäre die Aufgabe all jener, die sprachpädagogisch einwirken wollen auf die Gewohnheiten der Bürger zum Wohl der Menschenrechte und Verfassung, das Gemeinsame des Menschen statt das Trennende zu betonen, das Wesen statt die Nebensache."

Wie die beiden anderen generischen Formen Femininum und Neutrum auch, ist das generische Maskulinum, auf das sich die Destabilisierer der Genderlobby kaprizieren, eine unmarkierte Form. Die Menschen hierzulande haben bekanntermaßen kein Interesse an dem politischen Krieg gegen sie. Niemand wird durch das generische Maskulinum unsichtbar gemacht, ausgegrenzt oder schlecht behandelt. Sowas können nur, wenn überhaupt, die Sprecher der Sprache selbst, also handelnde Subjekte. Ich kenne einige glühende Verfechter der Gleichberechtigung (sowohl weibliche wie auch männliche), die dieses Grundrecht durch ihr Verhalten im täglichen Existenzkampf einfordern. Diese Menschen empfinden den Versuch der Mächtigen, mithilfe von Genderpädagogen das Denken und Ausdrucksverhalten der Bürger zu lenken sowie Abweichungen zu sanktionieren, mehr als übergriffig. Das Neusprech vergiftet und polarisiert unsere ohnehin angeschlagene Gesellschaft, es macht ihre Mitglieder zu Unmündigen. Die deutsche Sprache ist kein geeigneter Schauplatz, Skandalisierung kein taugliches Mittel für den Kampf um eine gerechtere Welt. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Bevor es dazu kommt, rufen wir Freunde der Sprache und der Demokratie den Rechtsstaat an.

(Hervorhebungen durch Autor)

Sabine Mertens  leitet die AG Gendersprache im Verein Deutsche Sprache (VDS). Sie lehnt die Rechtschreibreform von 1996 ab, u.a. weil dadurch das geliebte ß zum Waisenkind wurde und die Verringerung seines Gebrauchs zu häßlichen Dreifach-s-Verbindungen führte.

 

Foto: Pixabay

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Judith Panther / 23.12.2020

Etwa die Hälfte der Wählerschaft ist weiblich und wieder ein großer Teil davon sind Mütter und haben Familie. Trotzdem wählen sie in der Mehrzahl männliche Politiker, die ihnen mit ihrer frauen-, kinder- und familienfeindlichen Politik das Leben schwer machen und sie von den Zentren der Macht fernhalten. Oder sie wählen die Grünhemden, deren Asylpolitik Futter für die Vergewaltigungsstatistik ist und das Leben für jedes Mädchen, für jede Frau gefährlicher macht. Und dafür haben sie sich das Wahlrecht erkämpft? Gendern statt Ändern? Wann kommt endlich die Intelligenzquote auch für Feministinnen? Es wird nicht eine einzige Frau weniger auf der Welt vergewaltigt, nur weil ein Grüppchen gendergeiler Ideologinnen das jetzt auch noch mit unserer Muttersprache tut. Ich erlaube mir, die weibliche Würde auch in meiner Wortwahl zu wahren und werde sie weiterhin genauso anwenden, wie ich es gelernt habe, als man am Mittagstisch noch nicht darüber diskutieren mußte, „wer in der Familie der Vater ist“ (Willy Brandt).(Aus MERKEL HAT FERTIG -  Buchblock gratis per Mail im Anhang auf Anfrage an whistleblowjob@t-online.de)

E. Albert / 23.12.2020

“[...] Wenn die Bundesregierung Deutschland einen fundamentalen Richtungswandel in Richtung rot-grün vollziehen würde, dann wäre unsere Arbeit der letzten 40 jahre umsonst gewesen. (…) Das Leben der zukünftigen Generationen würde auf dem Spiele stehen. [...] Wir stehen vor der Entscheidung; Bleiben wir auf dem Boden trockener, spröder, notfalls langweiliger bürgerlicher Vernunft und ihrer Tugenden, oder steigen wir in das buntgeschmückte Narrenschiff Utopia ein, in dem dann ein Grüner und zwei Rote die Rolle der Faschingskommandanten übernehmen würden? [...]“ (FJS, 1986) Wir befinden uns bereits auf letzterem, in voller Fahrt. Unsere Sprache wird von DumpfbeutelINNEN, die unserer schönen Sprache offenbar nicht wirklich mächtig sind, völlig verhunzt, sonst müsste das mit dem “generischen Maskulinum” eigentlich klar sein. (Aber man sehe sich diese Krawallschachteln mal genau an, dann weiß man schon Bescheid…Die müssen offenbar ihr in jeglicher Hinsicht zu kurz gekommenes Dasein, ihr mangelndes Geschmacksempfinden und ihre Dummheit mit solcherlei Schwachsinn kompensieren, schließlich würde sie sonst niemand wahrnehmen.)

Martin Schumann / 23.12.2020

Wenn eine Regierung gegen ihr eigenes Volk arbeitet, sollte sich Letzeres auf seine Macht besinnen und diese stufenweise zeigen: Protest - Warnstreik - Streik - Generalstreik - Revolution.

Harald Unger / 23.12.2020

Danke, Sabine Mertens, für ihre geradlinige Sprache der gebotenen Deutlichkeit. Der heutige Feminismus/Genderismus F/M ist ein wichtiger Baustein im destruktiven Konzert der despotischen Zurichtungsmethoden und ihres ekelhaft-heimtückischen Neusprech. Die Frauenfeindlichkeit des F/M, die Aggressivität der Transen gegen Mädchen und Frauen, ist kaum zu fassen. - - -  Das, was im Neusprech als ‘Gender’, ‘Diversity’ und ‘Identity’ daherkommt, ist der Rückfall in die dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Ein barbarischer Rassismus und unentrinnbares Kastenwesen soll hier entstehen. Ganz im Sinne des Neuen-Feudal-Absolutismus NFA. - - - Letztlich dient all das nur dem einen Ziel. Die kleine globale Minderheit weißer Bürgergesellschaften für immer auszutilgen. Deren klassisches Selbstbewusstsein passt dem NFA á la CCP ganz und gar nicht in Konzept. Und dem dazu auserkorenen Islam erst recht nicht.

Wolfgang Kaufmann / 23.12.2020

Männer und Frauen sind gleichwertig, darum müssen Frauen gefördert werden, unabhängig von der Leistung. Dazu kommt eine Tantenmentalität, deren volkspädagogischer Impetus die ganze Gesellschaft zum Objekt mach. Eine weibliche Übergriffigkeit ohne Gleichen. – Aber das bilde ich mir sicher nur ein, in einer Welt wo alles Übel vom alten weißen Mann ausgeht. Freilich werden diese wieder gut genug sein, um den Karren dann aus dem Dreck zu ziehen.

Peter Holschke / 23.12.2020

Tatsächlich ist das marxistische Frauenverachtung, mit einer kräftigen Kelle der NS-Rechtschreibreform (1944 eingestampft - in die Zeit nach dem Endsieg verschoben). Dem Weiblichen soll das Besondere genommen werden.

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