Die "Gemeinsame Erklärung 2018" forderte dazu auf, die rechtsstaatliche Ordnung an den deutschen Grenzen wiederherzustellen. Wir schafften es am 8.10.2018 in den Petitionsausschuss des Bundestages. Wer damals dazu was sagte, ist im Licht der heutigen Migrationsdebatte extrem aufschlussreich.
Die "Gemeinsame Erklärung 2018" war ein am 15. März 2018 veröffentlichter Aufruf deutscher Autoren, Publizisten, Künstler und Wissenschaftler, der sich gegen eine von den Unterzeichnern angenommene „Beschädigung Deutschlands“ durch eine „illegale Masseneinwanderung“ im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 richtete.
Die Erklärung hatte folgenden Wortlaut: "Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird."
So steht es seit Jahren auf Wikipedia, ohne dass irgendein Wiki-Administrator auf die Idee gekommen wäre, den Eintrag zu aktualisieren. Als hätte es noch nicht genug Messermorde und Gruppenvergewaltigungen gegeben, die man im Zusammenhang mit einer als „illegal“, „irregulär“ oder „unerlaubt“ gelesenen Masseneinwanderung sehen muss. Inzwischen finden an allen Grenzen der Bundesrepublik Kontrollen statt, was zu einem Rückgang der illegalen, irregulären und unerlaubten Grenzübertritte geführt hat.
Die eben noch unkontrollierbaren Grenzen können also doch kontrolliert werden, wobei sich der Kanzler und die Innenministerin nur in einem Punkt uneins sind – wer die Maßnahme angeordnet hat: „Ich war es“, sagt der Kanzler, „das war ich“, sagt die Innenministerin. Was in der "Gemeinsamen Erklärung 2018" von der Politik gefordert wurde – Eindämmung der Masseneinwanderung, Grenzkontrollen –, ist heute Regierungsprogramm der Ampel-Koalition.
Vielen Dank, liebe Kollegen!
Voller Stolz darauf, diese Entwicklung mitangestoßen zu haben, möchte ich allen Kollegen danken, die mit ihren Berichten dazu beigetragen haben, dass aus einer „Erklärung“ eine Petition an den Bundestag wurde, die innerhalb weniger Wochen das Quorum von 50.000 Unterschriften erreichte. Bei der „Anhörung der Petenten“ und der Übergabe der Petition an den Petitionsausschuss des Bundestages am 8. Oktober 2018 waren es dann 165.000 Signaturen.
Unser Dank gilt einem Mitarbeiter der SZ namens Lothar Müller, der die Diskussion um die „Erklärung“ und die Petition mit einer soziologischen Analyse enorm bereichert hatte. „Soziologisch gesehen“, schrieb er am 5. April 2018, „wird diese Massenpetition also von Leuten getragen, die eher der ‚Elite‘ und dem ‚Establishment‘ nahestehen als dem ‚kleinen Mann‘ und dem ‚Volk‘, in dessen Namen die Fundamentalkritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung so häufig erfolgt“. Sie unterstellt, „dass es derzeit, im Frühjahr 2018, eine Masseneinwanderung in die Bundesrepublik Deutschland gibt, dass diese ‚illegal‘ erfolgt und dass dieser Rechtsbruch von der Regierung geduldet, wenn nicht gar gefördert wird. Das sind sehr steile Behauptungen, denn sie suggerieren, die Bundesrepublik befinde sich im Ausnahmezustand der Rechtlosigkeit, sowohl an den Grenzen wie im Inneren“.
Inzwischen wissen wir: Genau das war der Fall. Nur war es weder der SZ noch ihrem Haussoziologen aufgefallen.
Wir danken auch der Berliner Zeitung, die am 20. März 2018 einen namentlich nicht genannten Autor von der Leine ließ, der seine handliche Walther PPK irgendwo liegengelassen hatte, weswegen er gleich eine Pumpgun aus dem Gürtel zog:
„Die 'Gemeinsame Erklärung' vom 15. März 2018 ist geboren aus Kälte und Kalkül. Durch sie wird Deutschland mehr beschädigt als durch die Flüchtlinge. Die Zivilgesellschaft, die sich 2015 meldete, um die Flüchtlinge zu unterstützen, wurde von der damaligen Bundesregierung weitgehend alleingelassen. Was wir seitdem beobachten, ist der Versuch, den Menschen ihre Menschlichkeit zu nehmen.“ Schlimmer noch: „Ein flüchtiger Blick auf die Unterzeichnerliste lässt vermuten, dass bei diesem Thema ein Riss durch Partnerschaften geht. Das macht einen traurig… Zum Beispiel hat Caroline Sommerfeld-Lethen die Erklärung unterschrieben, nicht aber ihr Mann Helmut Lethen oder Krisztina Koenen, nicht aber ihr Mann Gerd Koenen.“
Wie viele Paare mag die "Gemeinsame Erklärung" entzweit haben? Wie viele Kinder haben ihren Papa oder ihre Mama verloren? Und wie viele Abonnenten haben die Berliner Zeitung abbestellt?
Wiederherstellung einer Erinnerung
Ferner danken wir dem Berliner Tagesspiegel, der am 10. April 2018 einen Kommentar von Caroline Fetscher online nahm, ohne vorher einen Experten für Wahrnehmungsstörungen zu konsultieren. Bei der Gemeinsamen Erklärung handele es sich „vermutlich um die ultimative Schwundstufe längerer Entwürfe“, was immer das bedeuten mag. Der Ruf nach der „Wiederherstellung“ der rechtsstaatlichen Ordnung an den Grenzen unseres Landes ließ Frau Fetscher an das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ denken, „das 1933 Juden und Oppositionelle aus ihren Posten warf“.
Fetscher stolperte vom Hölzchen über Stöckchen, bis sie schließlich das Geheimnis der „Gemeinsamen Erklärung“ enthüllte. Diese sei „ein kostbares Geschenk“, denn: „Sie holt die Trolle und Grollenden aus ihren verstreuten Nischen ans Licht und liefert der Politik wie der empirischen Sozialwissenschaft einen Schatz an Datenmaterial, der sich anders kaum je hätte heben lassen.“ Und: „Diese Liste ist ein Symptom, ein Spiegel der fundamentalen Verunsicherung. In ihm sieht man die besorgten Bürger als die wahren Sorgenkinder unserer Republik.“
Für diese Art der philosophischen Selbstentleibung gibt es im Polnischen ein schönes Sprichwort: „Przelewanie z pustego w próżne.“ Etwas aus einem leeren Gefäß in ein anderes leeres Gefäß umgießen. Oder: Leeres Stroh dreschen.
Fünf Zeilen, 33 Worte und 273 Zeichen
Die Gemeinsame Erklärung 2018 war fünf Zeilen lang, sie bestand aus 33 Worten mit 273 Zeichen, die Leerzeichen mitgerechnet. Sie inspirierte Kritiker zu Stellungnahmen von zwanzig- bis dreißigfacher Länge der minimalistischen Vorlage. Als wäre es die letzte Gelegenheit, mit den subversiven Elementen abzurechnen, bevor sie die Macht an sich reißen. Die Personenschützer des Status quo stellten sich schützend vor und hinter die Regierung. Keine mündigen Bürger oder Mitbürger, sondern waschechte und porentiefe Untertanen. Wie die Schriftstellerin, promovierte Juristin und ehrenamtliche Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Juli Zeh, die im ARD-Kulturmagazin "ttt" darlegte, warum von einer „illegalen Einwanderung“ echt keine Rede sein könnte.
„Die Verwendung dieses Begriffes illegale Einwanderung finde ich entweder dumm oder tatsächlich perfide, denn es spielt mit einer juristischen Behauptung, die nicht zutreffend ist. Es ist so, dass die Einwanderung von Flüchtlingen in die EU, oder nach Deutschland sowieso, immer illegal ist, weil sie ja erst wenn sie bei uns sind, Asylanträge stellen können. Wenn sie schon Visum hätten, dann wären sie keine Flüchtlinge. Also, die Illegalität der Einwanderung ist selbstverständlich. Das also so hinzustellen und quasi zu sagen, bei uns gelten die Gesetze nicht mehr, das ist alles nicht rechtmäßig, Deutschland verletzt die rechtsstaatliche Ordnung, ist ein ganz schwerwiegender Vorwurf, der von vielen Leuten leider geglaubt wird, der aber juristisch gesehen einfach überhaupt nicht zutreffend ist.“
Es war schon aufregend, zu erleben, wie so mancher anerkannte Freigeist plötzlich entgleiste und sich als verlängerter Arm der Staatsgewalt zu erkennen gab.
Am 8. Oktober 2018 tagte der Petitionsausschuss des Bundestages. Auf der Tagesordnung stand auch die „Einbringung der Petition Asylrecht – Gemeinsame Erklärung 2018“. Es war eine Art Staatsbegräbnis zweiter Klasse unter Wahrung aller Formalitäten. Man hätte die Petition samt den Unterschriften auch gleich in der vorbeifließenden Spree versenken können. (Hier ein kurzes Best Of)
Aus dem Abstand von genau sechs Jahren, mit dem gesammelten Wissen um die Folgen der „illegalen Einwanderung“, die laut der ehrenamtlichen Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Juli Zeh, nicht wirklich illegal war, taucht am Horizont der Erwartungen eine Frage auf: Wie wird man in sechs Jahren, also um 2030 herum, darüber reden und urteilen, was heute in Deutschland passiert? In Krefeld, Stuttgart, Bremen und anderen Hotspots der Integration.
Henryk M. Broder ist einer der Herausgeber der Achse des Guten
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