Claudio Casula / 22.05.2022 / 10:00 / Foto: Roland Wiesendanger / 45 / Seite ausdrucken

Vor Gericht: Wiesendanger gegen den abwesenden Herrn Drosten

Der Streit der Professoren Drosten und Wiesendanger um die Labortheorie als Ursprung der Corona-„Pandemie“, Verschwörungsmythen-Vorwürfe und mögliche Vertuschung ging vor Gericht in die nächste Runde. Achgut war dabei.

Worum geht es? Hier die Kurzfassung: In einem Interview mit dem Magazin Cicero, das am 2. Februar 2022 unter der Überschrift: „Stammt das Coronavirus aus dem Labor? – ,Herr Drosten hat Politik und Medien in die Irre geführt'" erschien und seit der Einstweiligen Verfügung nicht mehr online abrufbar ist, hatte Roland Wiesendanger, Professor für Experimentelle Festkörperphysik an der Universität Hamburg, dem Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, Christian Drosten, vorgeworfen, die Öffentlichkeit über den Ursprung der Corona-Pandemie getäuscht zu haben.

Drosten hatte gemeinsam mit 26 weiteren Wissenschaftlern am 19. Februar 2020 in der Fachzeitschrift „The Lancet“ behauptet, dass das Coronavirus definitiv nicht aus einem Labor stamme und entsprechende Überlegungen, die schon damals aufgrund von Indizien (Stichwort „Furin-Spaltstelle“) von namhaften Wissenschaftlern angestellt wurden, ins Reich der Verschwörungstheorien verwiesen. Politik und Medien, auch der Großteil der Wissenschaftler, übernahmen diese Position, die zum offiziellen Narrativ avancierte. Zumal der damalige US-Präsident Donald Trump die Labor-These favorisierte, und was Trump sagte, musste immer und unbedingt falsch sein.

Hintergrund ist die im Institut für Virologie in Wuhan / China praktizierte, hochrisikoreiche Gain-of-Function-Forschung: Man manipuliert Viren im Labor, um sie ansteckender zu machen. Wie Prof. Wiesendanger im Interview mit Achgut-Autor Stefan Frank erläuterte:

„In dem Forschungsantrag, der von der Unterabteilung der National Institutes of Health (NIH) von Anthony Fauci bewilligt wurde, steht explizit drin, dass dies das Ziel der Forschung war: durch Experimente mit biotechnologisch manipulierten Coronaviren das Pandemie-Potenzial für den Menschen aufzeigen zu können. Das ist dokumentiert, das kann niemand bestreiten.“

Inzwischen ist Drosten zurückgerudert, er hält einen Laborunfall nun für „möglich, aber unwahrscheinlich“. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte er, er und die anderen Unterzeichner seien über manche Projekte in Wuhan nicht informiert worden: „Hätte ich davon gewusst, hätte ich zumindest Rückfragen gehabt…“ Wiesendangers Vorwurf bezieht sich allerdings auf die sehr frühzeitige Festlegung Drostens und seiner Mitunterzeichner des Offenen Briefs im „The Lancet“. Für ihn ist klar: Wenn Drosten nicht erklären kann, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage er die Labor-These damals als unwissenschaftlich diffamiert habe, haben wir es mit einer Irreführung zu tun.

Der Hofvirologe glänzt durch Abwesenheit

Drosten war juristisch gegen Wiesendangers Vorwürfe im Cicero vorgegangen und hatte einen Teilerfolg erzielt: Wiesendanger wurde untersagt, seinen Vorwurf zu wiederholen, Drosten habe die Öffentlichkeit wissentlich getäuscht. Mit weiteren Verbotsanträgen scheiterte der Virologe. So befand das Gericht, bei den von Wiesendanger verwendeten Begriffen „Desinformationskampagne“ und „Unwahrheiten“ handle es sich um scharfe, aber zulässige Wertungen im wissenschaftlichen Meinungskampf und sie seien somit als Meinungsäußerung zulässig. Auch einen neu gestellten Hilfsantrag wies das Landgericht zurück. Drosten wollte Wiesendanger darin untersagen, mit diversen Aussagen den Eindruck zu erwecken, er, Drosten, sei an einer Vertuschungsaktion im Hinblick auf die Laborthese beteiligt. Doch auch insofern, so das Gericht, läge eine zugespitzte, aber eben zulässige Meinungsäußerung vor.

Beide Seiten legten gegen das Urteil Widerspruch ein. Warum, erklärt Legal Tribune Online so:

„Dass ein Gericht seine vorherige Entscheidung über eine Rechtsfrage nach einer sofortigen Beschwerde korrigiert, kommt sehr selten vor. Die Beschwerde zielt vor allem darauf ab, dass die höhere Instanz sich mit der Sache beschäftigt. Im konkreten Fall wird nun das (sic!) OLG Hamburg die Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt.“

Vor dem Landgericht Hamburg betonte der Vorsitzende Richter Florian Schwill, dass seine Zivilkammer (es geht ja um eine „äußerungsrechtliche Streitigkeit“) nicht darüber zu entscheiden habe, welche Ursprungsthese richtig sei. Es gehe nur darum, wer was sagen dürfe oder eben nicht. Die Sitzung war – angesichts des doch durchaus nicht nebensächlichen Themas – auf eine knappe Stunde anberaumt. Wiesendanger war mit seinem Anwalt Lucas Brost erschienen, Drosten glänzte durch Abwesenheit und ließ sich durch seine Anwälte Gernot Lehr und Stephan Schuck vertreten.

Drosten, durch seinen kometenhaften Aufstieg zum Hofvirologen der Sonnenkanzlerin längst in höhere Sphären entschwebt, ist bekannt dafür, auf Kritik überempfindlich zu reagieren. So hatte er Wiesendanger nach dem Cicero-Interview als „Extremcharakter“ bezeichnet. Bei Twitter bügelt er Diskussionen, die ihm nicht passen, gern mal brüsk ab („Ja, ist gut jetzt!“), den corona-kritischen Professor Stefan Homburg blockierte er („Mir reicht’s jetzt echt mit Ihnen, ich blockiere Sie jetzt, sorry.“) und die Aufforderung der BILD, eine Stellungnahme abzugeben, beantwortete er mit der Feststellung, er habe „Besseres zu tun“.

Der Drops ist frühzeitig gelutscht

Gleich zu Beginn stellte der Vorsitzende klar, die Kammer tendiere dazu, die Eilentscheidung vom 14. März zu bestätigen. Damit war der Drops im Prinzip frühzeitig gelutscht, die noch für den selben Tag in Aussicht gestellte Entscheidung der Kammer (mit demnächst nachgereichter schriftlicher Begründung) stand fest, unabhängig davon, wie der Rest der Stunde verlaufen würde.

Wiesendanger betonte, es handle sich nicht um einen Streit zwischen zwei Wissenschaftlern, vielmehr gehe es um die Sache: den Ursprung einer Pandemie, die viele Millionen Menschen betroffen habe. Schon aufgrund der Dimension sei eine Untersuchung zur Frage Wie konnte es zur Pandemie kommen? unerlässlich; Menschen, die von ihr oder von den Maßnahmen auf irgendeine Art betroffen waren, hätten das Recht auf Aufklärung, das Thema müsse ergebnisoffen angegangen werden. Anwalt Brost sekundierte, die Tragweite der Diskussion werde hier nicht berücksichtigt, das Thema müsse „mit maximaler Meinungsfreiheit diskutiert werden“. Er warnte vor „chilling effects“, im Prinzip eine Selbstzensur, die sich Kritiker auferlegten, wenn ähnliche Fälle mit Verboten belegt würden.

Längere Ausführungen Wiesendangers oder seines Anwalts wurden rasch unterbunden, zur Freude der Drosten-Anwälte, die von Anthony Faucis offengelegter E-Mail-Korrespondenz nichts hören wollten und sich „Fensterreden“ verbaten – so würde der Prozess „missbraucht“. Entscheidend sei allein, was Wiesendanger ihrem Mandanten vorgeworfen habe. Drosten habe, „die Diskussion in aller Breite geführt“, etwa durch seinen Podcast. „Es gab zu keinem Zeitpunkt einen Ausschluss der Laborthese.", Drosten habe nur eine Zoonose für wahrscheinlicher gehalten. Schuck: „Zwischenzeitlich (sic!) hat sich Herr Drosten sehr ausgewogen geäußert“. Mag sein. Zum Zeitpunkt, um den es Wiesendanger geht, jedoch nicht.

Wie erwartet, bestätigte die Kammer ihre Entscheidung vom 14. März. Professor Wiesendanger gibt jedoch nicht klein bei, er hält die Klärung des Corona-Ursprungs für immens wichtig. Von ihr hinge ab, was die Welt unternehme, um eine Wiederholung einer solchen Pandemie zu verhindern. Denn sollte sich die Zoonose-These von einem tierischen Ursprung durchsetzen, werde es sehr viel mehr Forschung auf diesem Gebiet geben, während im Fall der Bestätigung der Labor-These ein öffentlicher Druck entstehen würde, auf die extrem risikoreiche Gain-of-Function-Forschung zu verzichten.

Der Hamburger Nanowissenschaftler wird Berufung einlegen, über die dann das Hanseatische Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Wir berichten weiter.

 

Zu diesem Thema ist auf Achgut.com u.a. auch erschienen:

Roland Wiesendanger und der Stich ins Wespennest

Zitate erfunden? Das Schweigen des ZDF

Zweifelhafte ZDF-Zitate: Verzögern und sich dumm stellen

ARD- und ZDF-Faktenchecker erwischt: Die Schamlosen

Foto: Roland Wiesendanger CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 22.05.2022

Wer rein an einen genetischen Defekt in der DNA der Biokartoffel glaubt, soll sich doch bitte einfach darüber informieren, was Cousin und Cousine von Skippy, dem Buschkänguruh soeben gewählt haben.

heinrich hein / 22.05.2022

Der Emsländer Drosten glänzt durch Abwesenheit. Mittels akademischer Auszeichnungen wird er m.E. wohl kaum glänzen können. Einfach mal seinen Lebenslauf studieren. Merkel hat nur Ihresgleichen hofiert und dazu gehört es eben - wie bei ihr selbst - über nichts Erwähnenswertes im jeweiligen Leben zu verfügen. In Drosten setzt sich m.E. fort, was in Merkel veranlagt ist: Zum untersten Rand des Mittels zu gehören. Drosten hat nicht mal habilitiert.

Dieter Kief / 22.05.2022

Ausführlicher NZZ-Artikel über Impfnebenwirkungen steht online. Von Stefan Homburg heute morgen auf Kontrafunk empfohlen.

Hans-Peter Dollhopf / 22.05.2022

Affenpockistan.

Lutz Herrmann / 22.05.2022

Sind eigentlich alle Virologen so neben der Spur wie Drosten? Man könnte den Eindruck kriegen…

Yehudit de Toledo Gruber / 22.05.2022

“30. Dezember 2019 Zentralkrankenhaus der chinesischen Stadt Wuhan: Die Ärztin Ai Fen, Leiterin der Notaufnahme, öffnet einen Bericht, den sie mit Ungeduld erwartet hat. Er kommt aus Peking, vom Labor CapitalBio. In den letzten Wochen hat es in ihrem Krankenhaus mehrere Fälle mit unerklärlichen Fiebersymptomen und Lungenbeschwerden gegeben, bei denen normale Behandlungen nicht wirken ...” So beginnt die bemerkenswerte Biografie von Stefan Aust und Adrian Geiges über Xi Jinping- den chinesischen Staatschef. Laut dieser äußerst spannenden Biografie (“Xi Jinping. Der mächtigste Mann der Welt”) fragt sich heute Ai Fen, wieviele Menschen hätten gerettet werden können, in Wuhan, in China und auf der ganzen Welt, wenn sie sich damals (nach massivem Druck) nicht gefügt hätte. Und angesichts immer neuer Viren, wie aktuell die aus Westafrika stammenden und über Spanien auch nach Bayern eingeschleppten “Affenpocken”, kann einem nur noch mulmig werden. So gesehen sind alle Wissenschaftler, die auf genaue Formulierungen, ehrliche und zutreffende Aufklärung achten und sich dafür sogar gerichtlich gegen sämtliche Beschwichtiger und Schwurbler auseinander setzen, sehr zu bewundern!

Walter Elfer / 22.05.2022

Wissenschaft, Evidenz, Logik - all das sind in diesen Zeiten keine relevanten Sachen. Die Jurisprudenz ist Teil des Problems.

Jochen Grünhagen / 22.05.2022

Man muss sich nur einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfplicht ansehen, um zu ahnen, dass Herr Wiesendanger auf verlorenem Posten steht. Deutschland ist nicht das Land, in welchem dieser wahrscheinliche Skandal aufgedeckt wird. Vielleicht wird er in einer näheren oder weiteren Zukunft rehabilitiert.

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