Es ist schon eine Weile her, aber mir will das Verhör der beiden Achse-Autoren Vera Lengsfeld und Henryk Broder vor dem Petitionsausschuss einfach nicht aus dem Kopf gehen. Wie ein nervtötender Ohrwurm meldet sich das Geschehen immer wieder und verlangt nach einer sorgfältigen Analyse. Nach einer Analyse von Grund auf. Kurz und gut: Nach einer Analyse im Bömmelschen Sinne. Bömmel? Na klar: Feuerzangenbowle.
Also: Stelle mer uns janz dumm: Wat is ene Petitionsausschuss? Oder stelle mer uns noch dümmer: Wat is ene Petition? Ganz einfach: Eine Petition ist auf deutsch eine Bittstellung. Einer, der sich an den Petitionsausschuss wendet, ist also ein Bittsteller. Einer, der „bitte, bitte“ sagt, in der Hoffnung, gnädiges Gehör zu finden. Man sollte im Dienste der Allgemeinverständlichkeit also von einem Bittsteller-Ausschuss sprechen.
Und was sind Petitionsausschuss-Mitglieder? Sie sind Personen, die dem Bittsteller eine Anhörung, also eine Audienz gewähren. Diese Paarung aus Bittsteller und Audienzgewährer prägt selbstverständlich Art und Stil solcher Begegnungen von Repräsentanten beider Welten. Das Verhältnis zwischen Audienzgewährer und Bittsteller wird auch innenarchitektonisch sichtbar gemacht. Die Gewährer sitzen deutlich abgehoben und in gebührender Entfernung vom Bittsteller, der damit in eine Position vom Typ „armer Sünder“ gelangt.
Aus dieser Konstellation ergibt sich auch, was als angemessenes Verhalten eines Bittsteller zu betrachten ist. Es empfiehlt sich, um das Wohlwollen der Audienzgeber sicherzustellen, dass der Bittsteller im Sitzen eine leicht gebeugte Körperhaltung als Ausdruck des notwendigen Respekts einnimmt. Überhaupt sollte der Bittsteller durch sparsame Mimik und schlichte Sprache signalisieren, dass er die Höhenverhältnisse nicht in Frage stellt.
Ein Bittsteller, der selbstbewusst auftritt, ist eine Zumutung
Und die sind so: Politiker, die eine führende Rolle innehaben, zum Beispiel im Petitionsausschuss, dienen zwar dem Wohle des Volkes, der eine oder die andere tut dies aber gerne von oben herab. Dienen sie von oben herab, so sind sie sozusagen Oberdiener. Beim Militär würde man sagen: Diener mit Portepee. Und jeder weiß, dass ein Portepee-Träger empfindlich darauf reagiert, wenn man ihn, wie der Volksmund sagt, am Portepee packt.
So ist es ein fataler bittstellerischer Fehler, die Bittstellungs-Prüfer erkennen zu lassen, dass der Bittsteller den Portepee-Trägern intellektuell gewachsen, ja – ungeheuerlich – sogar überlegen sein könnte. Dies ist dann ein klassischer Fall von am-Portepee-packen. Er führt bei den am-Portepee-Gepackten zu erhöhtem Blutdruck und kann den Vorwurf zur Folge haben, der Bittsteller trete selbstbewusst auf. Dies ist im Falle Broder ja auch geschehen. Ein Bittsteller, der selbstbewusst auftritt, ist in den Augen eines oder einer von oben herab Dienenden natürlich eine Zumutung. Ein Widerspruch in sich.
Soweit meine Beschreibung des Petitions- oder Bittsteller-Ausschusses und meine Empfehlungen zum korrekt-gebeugten Verhalten in einer petitiven, also bittenden Situation. Sie könnte dem einen oder anderen Leser ein wenig vordemokratisch erscheinen. Das liegt daran, dass Amtsträger, die von oben herab dienen, im Stil nur schwer von vordemokratischen Würdenträgern zu unterscheiden sind. Der Bittsteller-Ausschuss ist die ideale Bühne, um so ein neuzeitlich-spätfeudales Prinzip sichtbar zu machen.
Nun könnten wir uns noch dümmer stellen und fragen: Wat is ene Ausschuss? Im Gabler Wirtschaftslexikon lese ich: Ausschuss sind Erzeugnisse oder Erzeugnisteile, die für den vorgesehenen Zweck endgültig nicht mehr verwendet werden können.
Also, ich weiß nicht. Da muss ich mich vertan haben. Es muss noch eine andere Ausschuss-Definition geben. Sonst würden doch nicht so viele Leute in einen Ausschuss drängen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einen Ausschuss drängt, um dann endgültig nicht mehr verwendet zu werden.