Nochmal zum Thema Eis an den Polen. Jetzt aber auf der anderen Seite, rund um den Nordpol nämlich. Eigentlich dürfte es die Eisbären gar nicht mehr geben. Wir, die Menschen, hätten sie auch gar nicht mehr kennenlernen dürfen, es sei denn, irgendjemand unserer Vorfahren war schon mal kurz nach der neolithischen Revolution dort ganz oben, so etwa vor 12.000 Jahren, und hat einen getroffen.
Das arktische Meereis schmilzt zusehends, heißt es, und deshalb hätten die Eisbären keine Chance mehr, weil sie nur von Eisschollen aus jagen könnten. Sie müssten verhungern. Wenn das aber so ist, fragt sich, wie sie die Zeit von etwa 8000 bis 4000 vor Christus überlebt haben. Zu dieser Zeit war nämlich der Nordpol im Sommer öfters völlig eisfrei, wie aus dieser kürzlich in den “Quarternary Science Reviews” erschienenen, wissenschaftlich überprüften (peer reviewed) Studie hervorgeht. In der Zusammenfassung gleich am Anfang des Links wird darauf hingewiesen (“BP” heißt: “before present”, also vor unserer Zeit).
Die Autoren der Studie, Christian Stranne, Martin Jakobsson und Göran Björk, nehmen dabei den Menschen aus der Verantwortung für das Geschehen, die ersten Ackerbauern und Viehzüchter haben damit nichts zu tun. Es habe wohl an Schwankungen des Orbits der Erde gelegen, heißt es in dem Beitrag. Den Eisbären, die sich wohl vor 200.000 bis 300.000 Jahren von den Braunbären isoliert haben, dürfte das egal gewesen sein. Sie haben es überlebt.
Wer also meint, die Eisbären und ihre besonderen Vorlieben bei der Jagd seien der Beweis dafür, dass die Arktis das letzte Mal vor mehreren hunderttausend Jahren eisfrei war – der hat sich selbst einen Bären aufgebunden, es war offenbar gar nicht mal so lange her wie gemeinhin angenommen. Und wer meint, dass die Klimaschwankungen im erdgeschichtlichen Vergleich heute beispiellos seien, ebenso.
Übrigens: Wer verfolgen will, wie sich das arktische Meereis so in den letzten Jahren entwickelt hat, der kann dies hier vefolgen.
Erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT