Susanne Baumstark / 20.04.2020 / 16:00 / Foto: Zarateman / 19 / Seite ausdrucken

Von wegen „Hass“: Die Umdeutung der Kritik

Seit etlichen Jahren wird die Bevölkerung über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und diverse Medienerzeugnisse mit dem Begriff „Hass“ bombardiert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem dieses hässliche Wort nicht irgendwo skandiert wird. Manche mögen sich noch an Zeiten erinnern, als das als unanständig galt. „Bitte sprechen Sie nicht von Hass“, war vielfach gängige Haltung. Merkwürdig, dass die Bevölkerung die 180-Grad-Drehung in diesem Kontext nie hinterfragt. Die Mehrheit springt halt auf den Zug auf, mit dem Politiker und Medien in Zielrichtung emotionale Tieffliegerei durch die Gegend rasen. Es ist nämlich keineswegs so, wie unredlich vorausgesetzt, dass jeder Mensch hasst; das Phänomen ist mindestens jenen fremd, die etwa anstatt in Wut vielmehr in die Traurigkeit gehen und zwar nicht aus unterdrückter Aggression heraus, sondern weil es nicht zum authentischen Verhaltensrepertoire passt.

„Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass“, war auch die Erfahrung des friedfertigen Menschenrechtlers Liu Xiaobo. Bemerkenswert, dass gerade Menschen, die mit Hass nichts anfangen können, von autoritären Machthabern besonders gehasst werden. Die chinesische Partei verfolgte Xiaobo gnadenlos bis in den Tod hinein. Was an ihm hat die Machthaber so verärgert? Seine sympathische, weil hassbefreite Persönlichkeit, derer sie selbst entbehren? Ist es das, was Jakob Wassermann (1873 – 1934) zu seinem „Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens“ aufschrieb?

„Die Idee des ‚Caspar Hauser‘ war, zu zeigen, wie Menschen aller Grade der Entwicklung des Gemüts und des Geistes, vom rohesten bis zum verfeinertsten Typus, der zwecksüchtige Streber wie der philosophische Kopf, der servile Augendiener wie der Apostel der Humanität, der bezahlte Scherge wie der besserungssüchtige Pädagoge, das sinnlich erglühte Weib wie der edle Repräsentant der irdischen Gerechtigkeit, wie sie alle vollkommen stumpf und vollkommen hilflos dem Phänomen der Unschuld gegenüberstehen, wie sie nicht zu fassen vermögen, dass etwas dergleichen überhaupt auf Erden wandelt, wie sie ihm ihre unreinen oder durch den Willen getrübten Absichten unterschieben, es zum Werkzeug ihrer Ränke und Prinzipien machen, dieses oder jenes Gesetz mit ihm erhärten, dies oder jenes Geschehnis an ihm darlegen wollen, aber nie es selbst gewahren, das einzige, einmalige, herrliche Bild der Gottheit, sondern das Holde, Zarte, Traumhafte seines Wesens besudeln, sich vordringlich und schänderisch an ihm vergreifen und schließlich morden.“

Wie dem auch sei: Die Farbpalette menschlicher Reaktionsmuster ist jedenfalls wesentlich bunter und vielseitiger, als es die platte Hasspropaganda vermuten lässt. Von analytischer Treffsicherheit ist man sowieso weit entfernt, wo unter Hass auch das subsumiert wird, was sich bei differenzierter, empathischer Betrachtung eher als Hochmut oder überzogene Kritik entpuppt. Aber man beliebt ja Ungenauigkeit zu pflegen; damit die Leute nicht auf die Idee kommen nachzufragen.

„Der Impfstoff ist Vertrauen“

Zum Beispiel nach der Sinnhaftigkeit gemeinnütziger Initiativen wie die „Hate Aid“, die sich, da teilfinanziert durch öffentliche Förderung, schon wieder etliche Stellenbesetzungen leisten kann. Bei solchen Projekten sind Menschen, die tatsächlich hassen, regelmäßig ausgeschlossen; obwohl man gerade mit ihnen ins Gespräch kommen müsste. Stattdessen geht es immer nur um Wiederholungen der ewig selben Phrasen innerhalb von Filterblasen. Trotz der Millionen von Euro, die für diese Selbstbeschäftigungszeremonien verschleudert werden, fragt nie jemand nach konkreten Erfolgsbilanzen – die ja offenbar ausbleiben, sonst gäbe es schließlich keinen Anlass, fortlaufend nach Handlungsbedarf zu rufen. Weitere kontextbezogene Aktionen: Die Grünen wollen wieder einen Maßnahmenkatalog gegen „Hass und Hetze“, „Facebook verschärft Kampf gegen Corona-Fake-News“ und im Bundestag ist ein „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ in Arbeit:

„Im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien sei eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten. Dies gefährde letztendlich die Meinungsfreiheit, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen habe.“ (Bundestagsnachrichten)

So kann man die Sache auch hindrehen; es hinterfragt sowieso niemand, ebenso wenig, ob die Ergänzung der rechtswidrigen Inhalte „um das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ ohne jede Einschränkung gilt, auch für Diktatoren? Da hätte die Justiz richtig viel zu tun.

An der Spitze der psychologischen Fehlsteuerung steht die Mitteilung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres: „Eine gefährliche Epidemie der Fehlinformationen“ grassiere neben jener des Corona-Virus – von denen, wohlgemerkt, die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung gar nichts mitbekäme, wenn nicht ständig darauf hingewiesen würde. Guterres weiter: „Lügen füllen den Äther“, „wilde Verschwörungstheorien infizieren das Internet“, „Hass breitet sich aus“. Dies müsse aber eine Zeit der „Solidarität“ sein und die Welt sich deshalb „auch gegen diese Krankheit vereinen“. Erstens gelte: „Der Impfstoff ist Vertrauen.“ Der Generalsekretär zollt Journalisten seinen Respekt, „die den Berg von irreführenden Geschichten und Beiträgen in den sozialen Medien auf Fakten überprüfen“.

Keinerlei Rede ist in seiner Mitteilung von den widersprüchlichen Ansichten von Virologen und Ärzten, deren Einschätzungen, sofern man sie in der Breite ernst nimmt und zur Diskussion stellt, einen Kampf gegen „irreführende“ Beiträge ad absurdum führen. Denn wer genau der tatsächlichen Faktenlage am nächsten liegt, bleibt erst noch zu eruieren. Guterres aber kündigt „eine neue Kommunikations-Initiative der UN an, um das Internet mit Fakten und Wissenschaft zu füllen und gleichzeitig der wachsenden Geißel der Fehlinformation entgegenzuwirken“. Solche Auftritte mit dem verbal-pädagogischen Gestus der Einschüchterung werden natürlich keinerlei vertrauensfördernde Effekte erzielen. Die herausgeschälte Aussage ist ganz im Gegenteil: Wenn ihr uns nicht gehorcht, dann bekämpfen wir euch. Gerade so, wie es die kommunistische Partei mit ihren Dissidenten zu tun pflegt. Die Peitsche steckt stets in der Hosentasche.  

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

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Leserpost

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Matthias Fischer / 20.04.2020

“Hass” ist genau so ein Kampfbegriff der Linken, wie “Nazi”, “Fremdenfeind” usw. Es geht ihnen dabei seit eh und je darum, die jedem halbwegs vernunftbegabten Menschen offensichtliche, ideologieorientierte Fehlinterpretation desjenigen Teils menschlicher Vielfalt aufzuzwingen, die ihren künstlich erzeugten “Werten” entspricht. Beispiele gefällig? Genderwahn, Neid auf die “Reichen” und deren Erschießung, Klima- und sonstiger Ökowahn, “Willkommenskultur”, Unterdrückung der Frauen, Rassismus, Feinstaub, Diskriminierung usw. usw. Wer wirklich hasst, sind genau diese Linken, die jede freie, ihnen nicht konforme Meinungsbildung und -äußerung verbieten wollen und das ja auch schon in hohem Maße geschafft haben. Früher war “Neger” ein wertfreier Begriff für einen schwarzhäutigen Menschen. Und heute…? Die Kritik am Verhalten einer großen Anzahl von “Flüchtlingen” aus den Ländern des Islam wird als Volksverhetzung verunglimpft, dabei ist die gesamte Politik und Rhetorik der Linken auf die Volksverhetzung gegen die Deutschen und Christen ausgerichtet. Bei vielen Äußerungen der Linken, wie jetzt auch dem vorgeblichen “Kampf” gegen den “Hass” habe ich den Eindruck,  dass schon seit Längerem, spätestens seit der Flüchtlingskrise, zum letzten Gefecht auf unsere Grundrechte, vor allem dasjenige der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) geblasen wird! Wer ernsthaft gegen strafbare Äußerungen im Internet vorgehen wollte, würde ganz schlicht und einfach gesetzlich vorschreiben, dass Meinungsäußerungen, wie bei Leserbriefen in der Zeitung, mit vollem richtigem Namen und Ortsangabe oder auch vollständiger Adresse wiedergegeben werden müssen. Facebook & Co. wären dementsprechend zu verpflichten. Diese Lösung ist allerdings zu einfach, weil dann ja die ständige Pseudodiskussion über Hass im Internet und entsprechende, die Meinungsfreiheit unterbindende Gesetze längst vom Tisch wäre. Diese linken Umtriebe haben zwar schon seit langem, dann aber erst richtig unter Frau Merkel Fahrt aufgenommen,

Lothar Haessler / 20.04.2020

Immer wenn ich den Begriff “Hassverbrechen” höre, denke ich an verschiedene Bibeltexte, die eindeutig empfehlen, das Böse zu hassen: Amos 5:15 Hasset das Böse und liebet das Gute; bestellt das Recht im Tor, so wird der HERR, der Gott Zebaoth, den übrigen in Joseph gnädig sein. Roemer 12 9Die Liebe sei nicht falsch. Hasset das Böse, hanget dem Guten an. 10 Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.… Spr 8:13 Die Furcht JAHWEs ist: das Böse hassen. Stolz und Hochmut und den Weg des Bösen und den Mund der Verdrehungen hasse ich!

Peter Michel / 20.04.2020

Ein guter Tag heut auf der Achse, was die Artikel betrifft

Gertraude Wenz / 20.04.2020

Kleiner Exkurs: Liebe und Hass sind Gefühle und die lassen sich nun mal nicht verbieten. Wenn ich jemanden hasse, werde ich meine Gründe haben. Jemanden aus diesem Hass heraus vernichten zu wollen, ist nun aber wirklich nicht immer die normale Reaktion. Das gibt es natürlich. Diese schwere seelische Reaktion kennt man aus antikenTragödien und spektakulären Kriminalfällen. So ein gefährlicher Hass muss therapiert werden, bevor er Schaden anrichtet. Ansonsten: Solange der Hass “im Rahmen” bleibt, kann er im Inneren eines Menschen durchaus eine abreagierende Funktion erfüllen, die sich dann über die Zeit - wenn man sich mit dem Hass auseinandergesetzt hat - abschwächt und relativiert. Solange dieses Gefühl den Hassenden nicht psychisch zerstört, finde ich, dass auch so starke Gefühle wie Hass zum Leben gehören. Man muss - wie gesagt - mit ihm umgehen können. Ich frage mich sowieso bei JEDEM Gefühl, bei jeder Verhaltensweise, warum sie bis heute überlebt hat und nicht der evolutionären Selektion zum Opfer gefallen ist. Also: Wo steckt der Überlebensvorteil? Wahrscheinlich ist die Fähigkeit des Menschen zum Hass eine Warnung an die (manchmal übelwollenden) Mitmenschen: “Treibt es nicht zu toll mit mir!” Angst vor Hass und Rache mögen so manchen in Schach gehalten haben. Dass die Politiker mit ihrem Geschrei wider Hass und Hetze oft selber vor Hass und Hetze nur so triefen, merken sie in ihrer Dummheit gar nicht. Und wie Herr Arning schon schrieb, Kritik wird schnell als Hetze deklariert. Dieser “Kampf” gegen Hass und Hetze ist nichts weiter als der verschleierte Kampf gegen alles, was Opposition ist, deren Kritik einfach als Hass und Hetze diffamiert wird. So würgt man unter dem heuchlerischen Deckmäntelchen der Ethik und Moral die Meinungsfreiheit ab. Echte Beleidigungen können doch schon längst bestraft werden. Da braucht es kein neues Gesetz!

Frances Johnson / 20.04.2020

Guterres weiter: „Lügen füllen den Äther“ Daran hat er recht viel Anteil-

Werner Brunner / 20.04.2020

Was ist denn nun die Quintessenz all des Geschriebenen ? Anscheinend können ” wir ” den momentan Herrschenden und den Mainstreammedien den Gebrauch des Hetzbegriffes ” Hass ” für eine durchaus berechtigten Kritik nicht ausreden bzw. abgewöhnen ...... Was kann man / frau da machen ? Leserbriefchen an alle möglichen Adressen schreiben ? Im Bekanntenkreis weiter gegen die Verblödung andiskutieren bis zum Erbrechen ? Auf der Strasse mit Megaphon und Spruchbändern demonstrieren ? Hat irgendeine von diesen Unternehmungen reelle Aussicht auf Erfolg , oder sollte man / frau den Rat eines Philosophen , den ich vor der EDEKA traf , folgen : ” Kauf dir einen Baseballschläger , tue dich mit anderen Gleichgesinnten zusammen , und schlage diesen Figuren die Zähne ein ! “

Justin Theim / 20.04.2020

Sehr geehrte Frau Baumstark, als Hass wird auslinksgrünen und Regierungskreisen alles bezeichnet, was deren Lügen, deren Betrug und deren bürgerfeindlichen Zielen entgegensteht…

alma Ruth / 20.04.2020

@Dank an Hr.Arning und an Hr. Dorn—Sehr gut beschrieben. Genau so ist. Sie haben meinem alten Hirn viel Arbeit erspart. Ich hätte es außerdem nie so gut zusammen gebracht. lg alma Ruth

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