Rainer Bonhorst / 20.01.2025 / 06:15 / Foto: White House Photographs / 34 / Seite ausdrucken

Von Ronald zu Donald

Auch Ronald Reagan war ein US-Präsident, über den Deutschland den Kopf geschüttelt hat. In meiner Zeit als Washington-Korrespondent war er auch mein Präsident. Vorschnelle Urteile in Bezug auf US-Präsidenten sollte man eher meiden. Gerade am heutigen Tage.

Donald Trump ist nicht der erste Nichtpolitiker, den die Amerikaner gegen den ausdrücklichen Wunsch der deutschen Öffentlichkeit ins Weiße Haus wählen. Sowas geschieht immer mal wieder. Vor dem neuen, 47. Präsidenten war da zum Beispiel der 40. Präsident. Er war kein Donald sondern ein Ronald. Die Namensähnlichkeit soll hier als eine – wenn auch begrenzte – Wahlverwandtschaft stehen. Auch Ronald Reagan war von 1981 bis 1989 ein Präsident, über den ganz Deutschland den Kopf geschüttelt hat. Und da er auch mein Präsident während meiner Zeit als Washington-Korrespondent war, biete ich hier aus – naja – aktuellem Anlass ein paar politische Erinnerungen an den großen Belächelten an.

Donald Trump wird eher gefürchtet, Ronald Reagan wurde belächelt. Allerdings mischte sich in seine erste Amtszeit auch ein gutes Maß an Furcht. Als Mann, der die Sowjetunion als Reich des Bösen mit massiver Aufrüstung bekämpfte, passte er gar nicht in die vorherrschende Stimmung der Entspannungspolitik, die auf Wandel durch Annäherung setzte. (Und die in den Merkel-Jahren als Wandel durch Handel ihre optimistische Fortsetzung fand.)

Vor allem aber wurde Ronald Reagan als Filmschauspieler in zweitrangigen Cowboy-Filmen belächelt. Das Belächeln wandelte sich in ein verständnisloses Kopfschütteln, als man einräumen musste, dass der Mann nebenbei Präsident der Schauspielergewerkschaft war, ein Posten, der in Kalifornien so bedeutend war wie bei uns der Chefposten der IG Metall. Dass Reagan auch als ebenso volksnaher wie brillanter politischer Redner tingelte und die Menschen begeisterte, wurde nur achselzuckend am Rande wahrgenommen. Auch dass er als Governor den Bundesstaat Kalifornien führte, half seinem Ansehen in Deutschland kaum. Obgleich Kalifornien mehr Wirtschaftskraft als der deutsche Musterstaat Bayern hatte und hat. Markus Söder würde vor Neid erblassen. 

Anders als Donald Trump, der sich nicht als Schauspieler, sondern – ebenso verächtlich – als TV Personality einen Namen machte, gewann Ronald Reagan durch seinen Charme und seinen Humor die Menschen. Trump gewann die Menschen eher als polternder, betont volkstümlicher Macho. Zwei unterschiedliche, aber offenbar probate Wege zu dem Ziel, als Menschenfänger ins Weiße Haus zu gelangen.

Der Kommunistenfresser passte nicht in mein Entspannungs-Weltbild

Auch ich hatte, vom deutschen Milieu geprägt, so meine Probleme mit Ronald Reagan, als ich zu seiner zweiten Amtszeit nach Washington kam. Der Kommunistenfresser passte nicht recht in mein Entspannungs-Weltbild. Aber was geschah dann? Ausgerechnet Reagans Politik des Wandels durch militärische Stärke bewirkte, was unser Wandel durch Annäherung nicht schaffte: Die Sowjetunion streckte die Waffen, der neue Mann Michail Gorbatschow suchte nun seinerseits die Entspannung mit Amerika.

Das deutsche Publikum lächelte noch süffisant, als Reagan bei einem Besuch in Berlin rief: „Mister Gorbachev, tear down this wall!“ Da war er wieder, der naive Cowboy, der nicht wusste, was wir wussten: dass die Mauer zu unseren Lebzeiten auf keinen Fall einstürzen würde. Auch nicht sollte, wie viele im Westen meinten.

Derweil trafen sich Reagan und Gorbatschow in Reykjavik und handelten einen bedeutenden Abrüstungsvertrag über atomare Mittelstreckenraketen aus, der bis ins neue Jahrtausend hielt. Die Mauer fiel dann doch, wofür Gorbatschow bejubelt und Reagan weitgehend ignoriert wurde.

Die beiden Persönlichkeiten Reagan und Trump könnten unterschiedlicher kaum sein. Aber es verbindet sie mehr, als der erste Blick erscheinen lässt. Beide sind als reife Siebziger ins Weiße Haus eingezogen. Beide hatten altersgemäße Aussetzer, nur waren die von Reagan lustiger. Beide waren und sind politische Außenseiter, Mavericks, wie sie in Deutschland keine Chance hätten. Reagan begann als Demokrat und lockte als Republikaner jede Mange Demokraten an. Sie bekamen sogar einen Namen: die Reagan-Demokraten. Auch Trump holte sich seine Siege weit im klassischen Feld der Demokraten: in der Arbeiterschaft. Reagans neoliberale „Reagonomics“ waren nicht weit entfernt von Trumps Deregulierung für die Wirtschaft. Außenpolitisch verbindet sie das Konzept, durch Stärke Frieden zu erzwingen. Vor allem aber: Beider Siege fordern die deutsche Vorstellung von Politik bis an die Schmerzgrenze heraus. 

So bitter es für viele Hiesige sein mag: Amerika ist anders als Deutschland, obwohl diejenigen Amerikaner, die deutsche Wurzeln für sich beanspruchen, die größte Gruppe im Lande bilden. Einschließlich Donald Trump. Es muss an der Luft liegen. Die dortige Atmosphäre scheint sich diametral von der Berliner Luft zu unterscheiden.      

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

    

Foto: Series: Reagan White House Photographs, 1/20/1981 - 1/20/1989Collection: White House Photographic Collection, 1/20/1981 - 1/20/1989 - https://catalog.archives.gov/id/75855787, Public Domain, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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W. Renner / 20.01.2025

„Es muss an der Luft liegen. Die dortige Atmosphäre scheint sich diametral von der Berliner Luft zu unterscheiden.“ Stimmt, frische Luft unterscheidet sich von kleingeistigem, Ideologie belasteten Mief mehr als deutlich. Übrigens ist Ronald Reagan nach wie vor der beliebteste Nachkriegspräsident der Amerikaner. Selbst kein Demokrat in hohem Amte, könnte es sich politisch leisten einer Gedenkveranstaltung zu Gunsten Reagans fern zu bleiben.

Anton Weigl / 20.01.2025

Joerg Gerhard, auch ich war einer der wenigen, die in Deutschland Reagan- Anhänger waren. Besonders blieb mir das Anti- Reagan Lied ” Sonne statt Reagan” in Erinnerung. Ich kommentierte das Lied immer mit ” Wenn nur noch die Sonne scheint und es nicht mehr regnet, dann wächst nichts mehr”.  Ausgerechnet die Sonne statt Reagan- Mitsänger und ihre Nachkommen wollen jetzt das Sauwetterklima von 1850 zurück. Das verstehe wer will.

Sam Lowry / 20.01.2025

“belanglos”... eben…

Sam Lowry / 20.01.2025

Man muss einfach mal abwarten, was geschehen wird. Denn man kann doch eh nichts dran ändern. “Alles nur Spekulation”, wie der suizidale Ex meiner Ex zurecht feststellte. Als DJ konnte ich bestimmen, welche Mucke läuft (Rock, Pop, Disco). Im Weltgeschehen bestimme ich gar nix. Verstahns? Daran werden auch 1 Millionen Leserbriefe oder die Achse, Reitschuster, FreieWelt, Jasmin Kosubek, RT deutsch, all diese YT-“Influenzer” oder auch Tichy nix dran ändern. Null, nada, niente. Wir sind nichtmal die Bauern auf der Weltbühne…

Gerd Maar / 20.01.2025

Kann mich erinnern dass im “Stern” noch 1988 stand, man solle endlich das schwachsinnige Gefasel von einer Wiedervereinigung Deutschlands einstellen. Die Deutschen, das Volk der ewigen Besserwisser, die immer wieder auf die Schnauze fallen und eines besseren belehrt werden müssen. Zuletzt wieder im naiven Glauben an den “Wandel durch Handel” mit dem Terrorstaat Russland.

Rudi Knoth / 20.01.2025

Ja Kohl und Reagan wurden etwa im Spiegel “auf die Schippe genommen”. Diese beiden und Frau Thatcher waren ja Vertreter der “neoliberalen Politik”. Interessant dabei ist, was ich in einer Diskussion auf Facebook unter Amerikanern festgestellt habe. Da sind Trum, Reagan und Thatcher “Faschisten”. Selbst meinen Einwand, daß die beiden Präsidenten und Frau Thatcher abgewählt wurden, lies mein Diskussionspartner nicht gelten. Vor allem wird es ja interessant, wie die Verhältnisse in de USA sich ändern werden, und ob ein Umschwung sich auch in Deutschland bemerkbar macht. Interessant ist auch, daß die 80er Jahre in den USA wie auch in Deutschland als “gute Zeit” gesehen wird.

A. Ostrovsky / 20.01.2025

Hier gibt es Leute, die können die Bibel nicht von Wikipedia unterscheiden. Ist das lustig oder traurig? Vermutlich belanglos.

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