Markus C. Kerber, Gastautor / 19.07.2019 / 15:00 / Foto: Pixabay / 31 / Seite ausdrucken

Von der Leyen: Fahnenflucht nach Ausverkauf

Während in Deutschland nicht nur Politikerinnen den Spitzenposten für Frau von der Leyen als Triumph Deutschlands feiern wollen und den Deutschen einzureden versuchen, welch große Gnade ihnen durch die Wahl einer Dame mit deutschem Pass und französischer Gesinnung zuteil geworden ist, lassen sich nüchterne Beobachter diesen Sand nicht in die Augen streuen. Frau von der Leyen hat sich ihr Amt in Brüssel durch eine jahrelange systematische Annäherung an die Positionen französischer Politik erschlichen.

Niemand hat so vorbehaltslos französischen Interessen in der Rüstungspolitik Tür und Tor geöffnet wie Frau von der Leyen: Optische Satelliten – obschon in Deutschland verfügbar – wurden in Frankreich bestellt. Beim neuen Kampfflugzeug durften Italiener und Briten gar nicht erst mitmachen. Stattdessen wurde Frankreich zum industriellen Führer ernannt. Beim neuen Kampfpanzer, der ab 2035 den Leopard, den meistverkauften Panzer der Welt, ersetzen soll, einigte sich Frau von der Leyen mit ihrer französischen Amtskollegin Parly auf Parität zwischen Deutschland und Frankreich und ließ es zu, dass ein so bewährtes Entwicklungskonsortium wie Rheinmetall/KMW gesprengt wurde.

Diese hintergründigen Fakten sind viel relevanter für die Würdigung der Amtsführung der bisherigen Verteidigungsministerin als die vielen Pannen und krassen Fälle von Vettern- und Misswirtschaft, die aus dem Verteidigungsministerium eine Goldgrube für McKinsey & Co machte. Indessen wird der künftigen Kommissionpräsidentin nicht erspart bleiben, vor dem von allen Fraktionen angestrengten Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Berateraffäre auszusagen. Denn ihre Rechenschaftspflicht ist mit dem Rücktritt als Ministerin nicht beendet, wiewohl von der Leyen hoffen mag und öffentlich bekundet, mit Beginn ihres großen Europa-Projektes von den Lasten der Vergangenheit nicht länger gestört zu werden.    

Nostalgische Erinnerung an eine SPD mit Haltung

Wie das Urteil der Geschichte über jene Kanzlerin ausfallen wird, die ihr zu ihrer Fahnenflucht nach Brüssel verholfen hat, werden wir sehen. Nach dem knappen Votum des Europäischen Parlaments kann Monsieur Macron jedenfalls in der Person von Frau von der Leyen über einen französischen Brückenkopf verfügen.

Den Demokratie-Verrat, den das Doppelpack von der Leyen/Lagarde zum Ausdruck bringt, hatten die deutschen Sozialdemokraten im Europaparlament zum Ausgangspunkt ihrer Kritik gemacht. Wie könne man im Europäischen Parlament überhaupt über eine Kandidatin abstimmen, die während des Wahlkampfs als solche nie aufgetreten war. Und dies aus guten Grund, denn angesichts des Scherbenhaufens Bundeswehr, den von der Leyen in 5 ½ Jahren angerichtet hatte, war sie selbst in ihrer Partei kaum noch präsentabel. Sie zog beim letzten Parteitag der CDU als Letzte mit den wenigsten Stimmen in das Präsidium der Partei ein.

Die Kandidatin der SPD, Dr. Katarina Barley, hatte mit großem Einsatz für das Spitzenkandidatenmodell geworben. Über dessen vertragsrechtliche Legitimität mag man streiten. Jedenfalls wurde der Demokratie in Europa ein Bärendienst erwiesen, als Macron und Merkel eine Kommissionpräsidentin nominierten, die zuvor den Wählern nie als Kandidatin präsentiert worden war. Es spricht für ihre Haltung, wenn Frau Barley – ungeachtet der Person – sich sofort nach der Nominierung von Frau von der Leyen gegen ihre Wahl aussprach. Die Reden von Ferdinand de Lasalle zum Verfassungswesen und von Otto Wels im Reichstag klingen nach und lassen nostalgisch an die Haltung der SPD denken, wenn es in der Geschichte auf Haltung ankam. Ein wenig von diesem Esprit hat Frau Barley mit ihrer Konsequenz in Erinnerung gerufen.

Eine Kirmes verantwortungsloser Beliebigkeit

Die Demokratie nimmt Schaden, wenn ein Parlament wie das Europäische Parlament, welches gar kein Parlament ist, mit knapper Mehrheit nachvollzieht und vollstreckt, was Macron und Merkel beschlossen hatten. Die skandalöse Amtserschleichung durch von der Leyen und ihre französischen und deutschen Unterstützer belegt die institutionellen Pathologien in Brüssel/Straßburg. Statt Gewaltenteilung wird der Meinungsbildungsprozess von einem Gewaltenkonglomerat beherrscht, das niemandem rechenschaftspflichtig zu sein scheint. Die Versprechungen der künftigen Kommissionspräsidentin sind also nicht nur deshalb gefährlich, weil sie haltlos und unseriös sind, sondern weil sie im Wege der Ankündigungsinflation von Parteipolitikern das Brüsseler Komplott gegen die nationalen Demokratien vertiefen wollen.

Der Bestätigung von Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament ging eine wahre Kirmes voraus: CO2-Freiheit bis 2050, nationale Mindestlöhne und eine europäische Arbeitslosenversicherung; fürwahr ein Horrorprogramm für liberale Geister und Gegner der fortgesetzten Zentralisierungspolitik der EU. Der von Medien gelobte Auftritt der vitalen Kandidaten von der Leyen zeugte von der verantwortungslosen Beliebigkeit des Parteienregimes. Hatte Ursula von der Leyen das Verteidigungsressort zum Land des Lächelns erklärt, so mussten jetzt demagogische Versprechungen herhalten. Mit dieser Kommissionpräsidentin ist Europa dem EU-Populismus ein gutes Stück näher gekommen.  

Markus C. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Gastprofessor an der Université Paris II (Panthéon-Assas) und an der Warsaw School of Economics (SGH); Gründer des Thinktank Europolis

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Paula Frenzen / 19.07.2019

Leopold Hrdlitschka / 19.07.2019 Dass ich das noch erleben darf, dass Frau Dr. Barley auf der Achse so gelobt wird. Richtig nett. Ja ich war ähnlich erschüttert. Die Frau die gern mit der Kommunistenfaust vor der Handy Kamera posiert reklamiert Demokratie - hehe. “...hatte mit großem Einsatz für das Spitzenkandidatenmodell geworben” - eine Lupenreine Demokratin gell. Also nach der hässlichen Politik der letzten 20 Jahre und dem überbordenden Links Populismus finde ich Leyer/Lass.alle.grade.sein - hust - Lagarde endlich mal konsequent. Jetzt weiß Jeder wohin es geht - in den Abgrund. Und NIEMAND, nicht mal der Einfältigste, sollte demnächst behauten von nichts gewusst zu habe.

Dr. Günter Crecelius / 19.07.2019

Machen wir uns doch ehrlich: ‘Flintenuschi’ hat nur öffentlich gemacht, was die Bundeswehr von Anfang an war: eine Art Fremdenlegion. Ohne eigenen Generalstab und damit nicht autonom eisatzfähig. Man rufe sich die Beurteilung des Afghanistan-Einsatzes durch Peter Scholl-Latour in Erinnerung. Dasselbe Bild heute in den ehemals französischen Kolonien in Afrika - Fremdenlegion, dient ausschließlich französischen Interessen, wird dazu noch von Merkelland bezahlt. Dazu das Europakonzept des französischen Präsidenten - die früheren haben das nicht so deutlich gesagt - Rheinbund, nachdem man GB mit tatkräftiger Unterstützung der Grökaz hinausgeekelt hat. Im übrigen wirklich: im Westen nichts Neues. Man fahre durch die Pfalz: historische Ruinen an jeder Straßenecke. Wenn immer ein französischer König klamm war, und das waren diese Herren fast immer, wurde ein Plünderungszug nach Osten unternommen. Den meisten Bundesbürgern ist wahrscheinlich gar nicht klar, daß weder das Heidelberger Schloß noch die vielen Burgenruinen am Rhein nicht als Ruine gebaut wurden. Heute wird das über die ‘Deutsch-Französische Freundschaft geregelt,’ weniger martialisch aber mit dem gleichen Ergebnis.

Gilbert Brands / 19.07.2019

“Demokratie-Verrat” ... da ist Sachsen, wo das amtieren Parteienkonglomerat kurzerhand bestimmt, dass das Wählervotum schon im Vorfeld ignoriert wird, noch gar nicht drin.

Silas Loy / 19.07.2019

Diese Suppe hat viele Köche. Die deutsche Luftfahrtindustrie z.B. ist längst im französisch dominierten Airbuskonzern aufgegangen. Die bisher letzte Morgengabe war die Auflösung des Ko-Hauptsitzes in München zugunsten des nunmehr alleinigen Hauptsitzes in Toulouse durch den deutschen Manager Thomas Enders. Die Franzosen machen das Cockpit, die Briten die Tragflächen und Triebwerke und die Deutschen einige Rumpfsegmente und den Innenausbau(!). Ach ja, die Deutschen lackieren auch die Maschinen. Wenn allerdings dafür die großen A380 und A350 aus Toulouse in Hamburg eingeflogen werden, haben die Franzosen natürlich das Leitwerk schon selber lackiert. Kaum ein deutscher Mitarbeiter der verlängerten Werkbank in Hamburg scheint diese Demütigung überhaupt zu bemerken. Der größte Coup aber ist und bleibt der Verlust der Kontrolle über unser Geld durch die (quasi-)französische Übernahme der EZB. - Was von der Leyen betrifft, war die vergangene Sitzung des EU-Parlaments von eingängiger Drastik: Während Meuthen (AfD) sprach, saß die Taftblondine keine drei Meter entfernt an ihrem Tisch, beschrieb mit großen Gesten weiße Blätter und strich energisch mehrere Male Teile davon durch, als redigiere sie gerade die Rede Meuthens. Arrogant, verbohrt, autistisch, ein Bild aus der Klapsmühle.

Klaus Demota / 19.07.2019

Je nun, schon immer befanden sich überständige deutsche Fürsten am Hofe von Versailles, und auch der right honourable Autor ist offensichtlich nicht ganz invariant gegenüber dieser wunderlichen Anziehungskraft, die sogar Ernst von Salomon in ihren Bann zwang - und jetzt eben auch die gute Frau von der Leyen. Nebenbei gesagt: dass Deutschland nun keine Armee mehr hat, um etwelche idealistischen Hirngespinste der Welt aufzunötigen - ist das so schlimm?

Dr. Gerhard Giesemann / 19.07.2019

Wir können viel lernen von den Franzosen, was Verfolgung nationaler Interessen betrifft zuvörderst. Lassen wir Uschi von der Leine.

Leopold Hrdlitschka / 19.07.2019

Dass ich das noch erleben darf, dass Frau Dr. Barley auf der Achse so gelobt wird. Richtig nett.

Volker Kleinophorst / 19.07.2019

Merkel, Lagarde, VdL, AKK… Man stelle sich dazu noch Killary Clinton und ihre US-Demokraten als US-Präsidentin vor. Wem es da nicht gruselt, der kennt wirklich keine Angst. Meiner Schnauze, das war knapp. Schließlich hatte Trump ja keine Chance. ;)

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