112-Peterson: Vom Umgang mit einem gefährlichen Alkoholiker

Jordan B. Peterson , Psychologie-Professor an der Universität von Toronto, wird jetzt jede Woche auf Achgut.com vertreten sein. Seine Hauptthemen sind die Psychologie des religiösen und ideologischen Glaubens sowie die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit. Im vergangenen Jahr widersetzte sich Peterson einem kanadischen Gesetz, das die Bürger unter anderem dazu zwingen will genderneutrale Pronomen zu verwenden (Bill C-16), weil es nach seiner Auffassung die Redefreiheit verletzt. Mit seiner Kritik an den  damit verbundenen Ideologien erreicht Peterson auf seinen Youtube-Kanälen inzwischen ein Millionenpublikum. Ab heute veröffentlicht die Achse des Guten regelmässig einen ins deutsche übertragenen Beitrag des Kanadiers unter dem Kolumnentitel "112 Peterson".

Von Jordan B. Peterson.

Ich erzähle Ihnen mal eine kleine Geschichte.

Ich hatte in Montreal einen Vermieter, er wohnte gleich nebenan und dieser Kerl war ein Ex-Hells-Angels-Rocker. Er hatte schon einige Zeit hinter Gittern verbracht. Seine Frau hatte eine Borderline-Persönlichkeitsstörung und Selbstmord begangen, während der Zeit, in der ich da wohnte. Er war echt ein schwerer Junge und auch noch ein echter „Québécois“, der Joual sprach, einen französischen Dialekt, den ich kaum verstehen konnte.

Er wußte nicht so recht, was er von mir zu halten hatte, und ich wußte nicht so recht, was ich von ihm halten sollte. Aber wir kamen ganz gut miteinander zurecht.

Ich war natürlich sehr vorsichtig, wenn ich mit ihm sprach, wie sie sich vorstellen können. Aber meine Frau und ich sind dann einen Abend mal rüber gegangen zu ihm und haben gemeinsam Spaghetti gegessen und haben uns auf eine gewisse Art auch unterhalten. Ich habe dann ein Poster von ihm gekauft, so eine Art Holzbild mit Neonlichtern drauf. Davon lebte er, er hatte sich selbst ein bißchen Elektrotechnik beigebracht. Die stellte er also her und versuchte, vom Alkohol loszukommen. Darüber sprachen wir. Er war deutlich älter als ich, bestimmt 20 Jahre. Ich war damals 25 und wir kamen ganz gut zurecht.

Hin und wieder ist er aber losgezogen, um zu trinken. Der konnte richtig trinken, er war einer von den Typen, die 60 Bier trinken konnten und jeder würde denken, soviel kann doch kein Mensch trinken. Falsch gedacht. Ich habe das Thema Alkohol 10 Jahre studiert und ich kann ihnen sagen, daß einige meiner Studienpersonen Väter hatten, die am Tag 40 Kurze tranken und das schon seit 20 Jahren. Man kann also wirklich viel trinken und mein Nachbar trank viel. Er versuchte, nicht zu trinken, aber dann zog er doch wieder los und betrank sich.

Dann war er drei Tage weg und versoff sein ganzes Geld. Wenn er wieder da war hörten wir ihn im Garten mit seinem kleinen häßlichen Hund um die Wette den Mond anheulen. Er heulte und der Hund heulte und dann wieder er – das war schon ziemlich beunruhigend und machte meine Frau nervös.

Was schlimmer war, er kam dann nachts um drei an unsere Tür, klopfte und stand da. Ich weiß nicht, ob sie schon mal mit betrunkenen Alkoholikern von dieser Sorte zu tun hatten. Er stand dann da, schwankend wie ein Baum im Wind, aufrecht und gleichzeitig halb bewußtlos. Er fragte mich, ob ich seinen Toaster kaufen wollte oder seine Mikrowelle, weil er Geld brauche um weitertrinken zu können.

Wissen Sie, ich wollte nicht wirklich seinen Toaster oder seine Mikrowelle kaufen. Aber wenn ein Ex-Hells Angel mit einem seltsamen französischen Dialekt und 60 Bier intus um drei Uhr morgens vor ihrer Tür steht und ihnen seine Mikrowelle zum Kauf anbietet, dann ist das Einfachste von der Welt zu sagen: „Ja, Mann! Ich könnte echt ne Mikrowelle gebrauchen!“

Also hab ich dann die Mikrowelle und den Toaster und noch ein paar andere Sachen gekauft. Aber dann kam meine Frau an, die meinen Vermieter wirklich mochte, auch wenn sie Angst vor ihm hatte, und sie meinte zu mir: „Du kannst dem nicht noch mehr Küchengeräte abkaufen, das ist nicht gut für ihn.“

Tja, dachte ich, das ist ein interessantes Problem. Was soll ich da machen? Weil, „Nein, ich möchte ihre Mikrowelle nicht kaufen!“ klingt nicht nach einer guten Antwort um drei Uhr morgens.

Bei einer Gelegenheit hat er mich auf seiner 750er Honda mitgenommen. Ich glaube, er wollte mir mal seine Höhle zeigen, seine Hangouts. Er gab mir den Helm seiner Frau, der mir nicht paßte, so daß ich ihn einfach nur oben auf meinen Kopf setzen konnte. Ich setzte mich also auf den Sozius und er sagte: „Wenn die Bullen uns verfolgen, halte ich nicht an!“ Und los ging’s!

Und dann sind wir in diesen Bars gewesen, in der Innenstadt auf der Rue St. Laurent, das waren sehr rauhe Pflaster. Er ist in ungefähr vier Prügeleien geraten in dieser Nacht, weil, er war ein harter Kerl und diese dämlichen Punks haben ihn angemacht. Er war ziemlich skeptisch und wenn man nur lang genug vor ihm herum hampelte, dann hat er einem einfach eine verpaßt, weil er wohl dachte, daß man das verdient. Und wahrscheinlich hatte er recht. Ich hatte also eine erstklassige Gelegenheit, ihn zu beobachten.

Und etwa zwei Wochen später stand er dann wieder mal vor meiner Tür. Sie wissen schon, klopf, klopf, mit halb geschlossenen Augen, schwankend, und er wollte mir wieder irgendein Küchengerät verkaufen – keine Ahnung, welches es diesmal war. Und da hab ich zu ihm gesagt: „Nein, Paul, das kann ich nicht. Ich kauf Dir das Teil nicht ab. Weil ich weiß, daß Du versuchst, mit dem Trinken aufzuhören, und wenn ich Dir Geld gebe, dann versäufst Du es wieder und das ist einfach nicht gut für Dich.“

Ich habe ihm auch gesagt, daß diese nächtlichen Besuche bei mir um drei Uhr morgens meiner Frau, die er ja mochte, Angst einjagten und daß das aufhören müsse. Und glauben sie mir, mir ging dabei alles Mögliche durch den Kopf, denn er stand da und beobachtete mich, so wie harte Jungs einen eben angucken. So als ob er denkt: „Wenn Du auch nur ein Wort sagst, das mir stinkt, dann wirst Du dafür bezahlen.“ Und ich hab also nach Worten gesucht, so wie man im Moor nach festen Stellen zum Drauftreten sucht und habe das, was ich zu sagen hatte, sehr, sehr  vorsichtig formuliert.

Und er guckte mich an, so 15 Sekunden lang – das ist eine ganz schön lange Zeit um angeguckt zu werden, um drei Uhr morgens. Und dann ging er einfach. Und er hat mir nie wieder was zum Kaufen angeboten, und wir kamen gut miteinander klar.

Dieses Beispiel illustriert ganz ausgezeichnet die Themen Wahrheit und Erfolg auf fremdem Boden. Denn ich befand mich auf fremdem Boden, als ich da mit meinem Nachbarn, meinem Vermieter sprach. Ich hab es geschafft, ihm sehr vorsichtig die Wahrheit zu sagen, obwohl er ein gewalttätiger Mensch war, und obwohl er sehr betrunken war und allen Grund hatte, mich für verdächtig zu halten, und obwohl wir uns nicht besonders gut verständigen konnten und obwohl ich nicht das tat, was er wollte.

Er hat es geschluckt und ist gegangen. Es gab keine Probleme hinterher und das Leben ging prima weiter.

Unterschätzen sie nie, was es bedeutet, einen gemeinsamen Beziehungsrahmen aufzubauen; zu versuchen, dem Ideal der Wahrheit nachzustreben. Da ist wirklich nichts dabei. Es unterstützt uns und es macht uns stark – und das ist exakt das, was wir der Katastrophe und der Unsicherheit des Lebens entgegenhalten müssen.

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Bible Series X: Abraham: Father of Nations“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem Youtube-Kanal von Jordan B. Peterson.

Siehe auch hier einen Beitrag von Achse-Autor Bernhard Lassahn zu Jordan B.Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Pete Webber / 27.09.2017

Ich kannte auch schon den Originalbeitrag. Er ist genau wie eigentlich alles zumindest mir bekannte von Herrn Peterson eine ECHTE Bereicherung angesichts der sehr immanenten wie klar machtideologischen Kriegserklärung gegen FreeSpeech und offene Diskursräume. Mit einem ins dt. übersetzten Herrn Peterson (bitte gerne auch weitere intern. intellektuellen Spitzenleute wie z.B. Lauren Southern, Stefan Molyneux,  Ben Shapiro etc. einladen) kann diese Plattform den im Kern als auch primär linksfaschistisch motivierten Antiredefreiheits-Wahn gerade hier in D weiter mit eindämmen helfen. Dies ist ja mittlerweile für die versuchsweise Rückkehr zu einem basischen Realitätsbezug, der Vernunft und damit insgesamt DER Grundlage für eine er(lebbare) Gemeinwohlperspektive *existentiell* wichtig geworden. Also liebe “Achse” - macht bitte genau so weiter ! Cudos :-)

Klaus Schwerdtfeger / 27.09.2017

Ich habe Jordan Peterson Ende letzen Jahres ‘kennen gelernt’, als die Situation um das Gesetz “Bill C-16” Aufmerlsamkeit fand. Ich denke, dass, die Bible Series vielleicht nicht der beste Einstieg ist. Ich würde dazu den Podcast von Joe Rogan (u.a. auf YouTube) empfehlen. Peterson war dort schon dreimal zu Gast.

Dieter Kief / 27.09.2017

Petersen ist wirklich ein erstaunlicher Mann. Ich gratuliere der Achse zu dieser Zusmmenarbeit. . . . . (Es ist unglaublich, dass die - ehem - großen Medien diesen überragenden Geist und gebildeten und engagierten Zeitgenossen bisher einfach ignorieren. - Wahrscheinlich, weil sie ihn für einen - ehem, ehem - - “Rassisten” und “Gender”- und “Frauenfeind” ansehen. - Wir leben in einer ziemlich wirren Zeit. Nochmal: Danke, Achse - Und ein herzliches Willkommen an Jordan B. Petersen!)

Wilfried Paffendorf / 27.09.2017

Werter Herr Peterson. Ich kann das, was Sie beschreiben, aus vielfältiger eigener Erfahrung nur bestätigen: Die Wahrheit macht frei. Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Umgang mit den Mitmenschen, sondern auch auf sich selbst. Es sind mannigfache Ängste, die uns oft davon abraten, die Wahrheit zu sagen. Und es ist gar nicht so leicht, die richtigen Worte und den richtigen Tonfall im richtigen Augenblick zu finden. Dazu bedarf es auch einer gewissen Selbsterkenntnis und den Mut, vor anderen oder auch vor sich selbst “das Gesicht verlieren” zu können, das man durch Vorspiegelung falscher Images aufgebaut hat. Lügen und reden um den heißen Brei bauen ein falsches Image auf, das dann mühsam und zu einem unangemessenen Preis aufrecht erhalten werden will. Ich habe mich eines Tages entschlossen, von vornherein das zu sagen, was ich wirklich denke und möchte; dazu war es aber auch notwendig, meinen Gesprächsstil zu ändern, meine Wortwahl und den Tonfall entsprechend zu wählen. Beides zusammen - Wortwahl und Tonfall - ersparen mir meist sinnlose Zeit- und Energieverschwendung. Bei mir weiß man von vornherein, an wen man geraten ist. Und noch etwas: Nur Menschen mit einem ausgezeichneten Gedächtnis sind gute Lügner oder Hochstapler. Die meisten Menschen verraten sich irgendwann selbst, weil ihnen diese Gedächtnisleistung fehlt. Eine kleine Begebenheit am Rande sei noch erwähnt: Ein sehr guter Bekannter von mir (Psychiater) sagte mir einmal, er wolle das, was ich ihm gerade erzählte, nicht wissen. Auf meine Frage “Warum?” antwortete er, das zerstöre das Bild, das er von mir habe. Meine “Offenbarung” war zwar keine Korrektur einer früheren Lüge, sondern nur eine weitere Information über mich, aber er wollte das nicht wissen. Er hat ein bestimmtes Bild von meiner Person und das will er nicht korrigieren oder erweitern. Auch das ist ein interessanter Aspekt.

Ulla Smielowski / 27.09.2017

Super der Artikel und sehr erfrischend wie es geschrieben ist…. In der Bibel steht ja auch, dass man bei der Wahrheit bleiben sollte. Aber da die christlichen Kirchen uns den Glauben gründlich vermiest haben durch ihre hohlen Phrasen und heuchlerischem Auftritte….  aber nichts desto trotz empfehle ich bei dieser Gelegenheit mal wieder Joyce Meyer Ministries, youtube, mit ihren täglichen Andachten….  Es tur einfach jedem gut, sich so aufbauen zu lassen durch göttliche Worte…

Silvia Wendlandt / 27.09.2017

Liebes Achgut-Team, wunderbar, dass ab jetzt Jordan B.Peterson bei euch zu lesen ist. Vielen Dank! Damit wird Peterson einem noch größeren Publikum bekannt, und das hat er mehr als verdient!  

Jeve R. Huels / 27.09.2017

Danke! Bitte mehr davon! Der Typ hat einen feinen Sinn für Humor - und definitiv Charles Bukowski gelesen! MfG Jeve R.

S. Deiters / 27.09.2017

Die Geschichte ist gut, amüsant und vermutlich auch wahr. Ich kannte sie schon aus einem von Petersons Vorträgen, die ich als Video bei YouTube gesehen hatte. Allerdings gefällt mir die Geschichte in gesprochenem englisch deutlich besser als in geschriebenem deutsch. Es liegt wohl daran, dass es sich um eine 1:1 Übersetzung handelt, was in diesem Fall etwas unpassend ist.

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